Unser Bayern

Besonderer Nullpunkt: Spätestens die Errichtung der Mariensäule 1638 auf dem Münchner Hauptplatz (heute Marienplatz) machte weithin sichbar und programmatisch deutlich: Maria ist die offizielle Schutzheilige Bayerns. Das war allerdings noch eine eigenwillige kurfürstliche Entscheidung – das Dekret aus Rom ließ noch lange auf sich warten. Die Mariensäule ist übrigens der Nullpunkt der Kilometerzählung der von München ausgehenden Straßen. (Foto: dpa)

29.04.2016

Späte Anerkennung

Schon lange wurde sie verehrt, doch erst vor 100 Jahren machte der Papst Maria offiziell zur Patrona Bavariae

Ein Ende war nicht abzusehen – 1916 ging der Krieg bereits ins dritte Jahr. Da wandte sich Bayerns König Ludwig III. an den Papst und bat, „daß die allerseligste Jungfrau Maria als Patronin der Bayern durch den Hl. Stuhl erklärt“ und dass ein besonderes Fest installiert werde. Am 26. April 1916 gab der Vatikan die Zustimmung. Ein Jahr später, am 20. Mai 1917, fand erstmals das Fest Patrona Bavariae statt. Die Verehrung der Gottesmutter Maria hatte in Bayern Tradition. Bereits in der Barockzeit wurde sie zur Landespatronin erklärt – viele katholische Staaten und Territorien wählten sich zu dieser Zeit Landespatrone. Doch reicht die Vorgeschichte der Marienverehrung in Bayern weiter zurück. Sie beginnt mit drei großen Missionsbischöfe, deren Namen mit der Christianisierung des Landes verbunden sind: die Heiligen Emmeram (Regensburg), Korbinian (Freising) und Rupert (Salzburg). Diese wurden als Adelsheilige beinahe zu Leit- und Idealbildern der Gesellschaft des frühen Mittelalters hochstilisiert.

Vorbilder auf Zeit

Richtige Landesheilige gab es jedoch erst unter den Wittelsbachern: Neben die drei Bischöfe trat eine ganze Reihe weiterer Heiliger mit Vorbildcharakter, von denen einige jedoch nur für eine zeitlich begrenzte Dauer verehrt wurden. Die Gottesmutter Maria erscheint neben den bekannten Landesheiligen als besondere Schutzherrin erstmals in einem Gedicht des Historiographen Johannes Aventinus aus dem Jahr 1508. Das war keine offizielle Verlautbarung des Hofes, sondern eine mehr oder weniger private Aussage des seinerzeitigen Prinzenerziehers. Es sollte noch eine Weile dauern, bis Maria, der zwar seit Jahren mit der Frauenkirche in München eine der bedeutendsten Kirchen in Bayern geweiht war, die Rolle der Landespatronin übernahm. Herzog Wilhelm V. proklamierte 1580 zunächst den hl. Benno, den einstigen Bischof von Meißen, zum besonderen Patron des Herzogtums. Anlass war die Transferierung seiner Gebeine; nachdem die sächsischen Lande protestantisch geworden waren, hatten die Reliquien dort nicht länger verbleiben können. Sie fanden in der Münchner Frauenkirche unter dem heute längst verschwundenen „Bennobogen“ ihre endgültige Begräbnisstätte. Allerdings wurde der sächsische Bischof in Bayern nie besonders populär. Kaum besser erging es dem Erzengel Michael, der fast zeitgleich im Zusammenhang mit dem Bau des St.-Michael-Kollegs als Schutzherr des Herzogtums propagiert wurde.

Informelle Proklamation

Erst eine Generation später erhob Kurfürst Maximilian I. die Gottesmutter zur Landespatronin. Dazu gibt es allerdings kein genaues Datum, weder eine entsprechende Urkunde noch ein förmlicher Proklamationsakt lässt sich ausfindig machen. Vielmehr ist von einem Prozess auszugehen, der sich wohl über mehr als 20 Jahre hinzog. Einen Fixpunkt stellt dabei das Jahr 1616 dar. Damals gab Maximilian bei Hans Krumper den Entwurf einer Bronzestatue in Auftrag, die die Schauseite des von ihm neu erbauten Residenztraktes in der Münchner Residenzstraße bis heute ziert. Daneben die Aufschrift „Patrona Boiariae“. Den Höhepunkt aber stellt die Errichtung der Mariensäule auf dem Hauptplatz der Churbayerischen Haupt- und Residenzstadt München im Jahr 1638 dar, auf der eine nicht minder programmatische Inschrift auf Maria als Schutzpatronin hinweist. Das vergoldete Standbild, das dem an der Residenz ähnelt, wird dem Bildhauer Hubert Gerhard zugeschrieben und war einst für ein (nicht vollendetes) Grabmal für Herzog Wilhelm V. geschaffen worden. Seit der Errichtung der Säule wird Maria als die entscheidende Landespatronin Bayerns verehrt. Gleichzeitig ist dieses auf der Mondsichel stehende Madonnenbild mit Zepter und Jesuskind zum Inbegriff der Patrona Bavariae geworden. Im 19. Jahrhundert wurde nach einer Cholera-Epidemie sogar der Platz in Marienplatz umbenannt. Die Mariensäule ist zudem der Nullpunkt für die Kilometerzählung der von München ausgehenden Straßen.

Marienkult der Jesuiten

Die Erhebung der Gottesmutter zur Schutzpatronin scheint Kurfürst Maximilian aufgrund eigener Kompetenz im Zusammenhang mit den Glaubenskriegen verfügt zu haben. Rom hatte daran kaum Anteil. Folglich musste er auch in eigener Regie seine Verfügung im Land verankern, was er mit großem Eifer und auf vielfältige Weise tat. Dass dahinter auch die Jesuiten standen, von denen der junge Maximilian erzogen worden war, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Die Heiligenverehrung und speziell der Marienkult war ihm bereits als Studiosus in Ingolstadt von Mitgliedern der Societas Jesu nahe gebracht worden. Und folglich unterstützen bedeutende Jesuiten wie Matthäus Rader oder Jacob Balde den Kurfürsten in seinen Bestrebungen. Sie verfassten entsprechende literarische Werke und standen damit hinter seinen Bemühungen, sein Territorium zu einer „Terra Mariana“ zu machen – ein Begriff den Matthäus Rader prägte. Dieses Ziel konnte Maximilian mit Hilfe der Jesuiten in einem bis heute spürbaren Ausmaß verwirklichen. Eine ganze Reihe von neuen Marienkirchen und Marienwallfahrten entstand gerade in der Zeit der Gegenreformation. Nach dem Tod Maximilians I. im Jahr 1651 büßten die Jesuiten ihren bestimmenden Einfluss am Hofe ein. Andere Ordensgemeinschaften traten in den Vordergrund und mit ihnen andere (kurzlebige) Landespatrone, wie etwa Kajetan von Thiene, den die Kurfürstin Henriette Adelaide aus Savoyen mitgebracht hatte. Wie der hl. Benno konnte jedoch auch er sich beim Volk nicht durchsetzen. Da konnte man sich (vor allem in Ostbayern) eher mit dem aus Böhmen stammenden Johann Nepomuk anfreunden. Sein Kult setzte nach der Kanonisierung im Jahr 1721 ein. Dennoch erlangte auch er als Landespatron keine besondere Bedeutung.

Medaillen und Theaterstücke

Trotz verschiedener neuer Kulte – die intensive Marienverehrung konnten sie aus ihrer beherrschenden Stellung nicht mehr verdrängen. Sie lebte im Kurfürstentum weiter. Medaillen mit der Aufschrift „Patrona Bavariae“ wurden geprägt, entsprechende Schuldramen aufgeführt. Die Marienverehrung war im Volk tief verwurzelt – daran vermochten auch Aufklärung und Säkularisation kaum etwas zu ändern. Die Marienverehrung blieb auch im 19. Jahrhundert einer der Kernbereiche bayerischer Religiosität und wurde gerade im Königshaus besonders gepflegt. In den schweren Tagen des Ersten Weltkriegs erfuhr sie ihre Krönung. Auch wenn Maria schon lange als Bayerns Landespatronin galt: Die offizielle Anerkennung aus Rom fehlte. Der Papst, der wegen seines Eintretens im Ersten Weltkrieg auch als „Friedenspapst“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, kam der Bitte des bayerischen Königs nach. Sein Dekret, datiert vom 26. April 1916 wurde am 12. Mai desselben Jahres den zuständigen Instanzen zugestellt. Heute wird es im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrt. Darin bestimmte der Papst, dass der Gottesmutter in Zukunft alle Ehrenbezeugungen und Vorrechte zuerkannt werden müssten, die nach dem Rechtsgebrauch der Kirche den Schutzpatronen eines Landes zukommen. Mit dieser förmlichen Erhebung Mariens zur „Patrona Bavariae“ erkannte die Kirchenleitung im Grunde nur längst bestehende Zustände offiziell an – weswegen die Öffentlichkeit so gut wie keine Notiz vom Schreiben aus dem Vatikan nahm. In den Münchner Tageszeitungen wird es nicht einmal erwähnt. Anders das erste Fest ein Jahr später, obwohl auch dieses in der Berichterstattung nicht mit anderen Nachrichten jener Tage konkurrieren konnte.

Ausdruck der Friedenssehnsucht

Am Sonntag, dem 20. Mai 1917, wurde das Fest Patrona Bavariae zum ersten Mal in Bayern gefeiert. Es war ein herrlicher Sonnentag. Feierliches Glockengeläut lag über dem ganzen Königreich. Allerorts in den Kirchen sollte der Gottesdienst besonders festlich begangen werden. Die Hauptveranstaltung fand natürlich in München statt. Um 5 Uhr in der Früh erklang vom Rathausturm ein Choral, dann die übliche Morgenmusik. Um 11 Uhr wurde im Münchner Liebfrauendom ein feierlicher Gottesdienst zelebriert, dem der König und die Königin sowie alle in München anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses beiwohnten. Auch die Damen und Herren des Hofes, der Magistrat und das Militär waren eingeladen worden. Groß war die Auffahrt der Galawagen. Viele Adelige wollten sich die Feier nicht entgehen lassen. Zelebriert wurde die Messe von Weihbischof Johann Baptist von Neudecker, da Kardinal Franziskus von Bettinger einen Monat zuvor verstorben und ein Nachfolger noch nicht gefunden war. Michael von Faulhaber wurde erst eine Woche später, am 26. Mai 1917, zum Erzbischof von München und Freising ernannt. Das erste feierliche Fest Patrona Bavariae, das sicher auch Ausdruck einer breiten Friedenssehnsucht in jenen kriegerischen Tagen war, fiel in die letzten Jahre des monarchischen Bayern und wurde deshalb von verschiedenen Seiten kritisch betrachtet... (Cornelia Oelwein)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der April-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 17 vom 29. April 2016)

Abbildung:
Schutzpatron Münchens ist der hl. Benno – doch auch der Landespatronin ist im Münchner Neuen Rathaus ein Schmuckfenster gewidmet. (Foto: SZPhoto)

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