Wirtschaft

Das Breitbandnetz in Bayern muss vor allem in ländlichen Regionen zügig ausgebaut werden. (Foto: Deutsche Telekom)

30.09.2016

„Bayern soll Europas Digital Valley werden“

Neue Studie der vbw zu „Digitale Netze – Anforderungen der Unternehmen“

Deutschland hinkt beim Ausbau des schnellen Internets hinterher. Im Vergleich von 23 Industriestaaten rangiert es lediglich auf Platz 22. „Das liegt unter anderem daran, dass wir die Kabel nicht von Fenster zu Fenster ziehen wie in Südkorea oder von einem Keller zum anderen durchbohren wie in den Niederlanden. Sondern wir schließen jedes Haus einzeln an“, erklärte Dorothee Bär (CSU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, beim Kongress „Digitale Netze – Anforderungen der Unternehmen“ der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

Breitbandausbau könnte schneller gehen


Dennoch könnte der Ausbau hierzulande wesentlich schneller gehen, wenn die gesamte Gesellschaft die Digitalisierung als Chance und nicht als Bedrohung begreifen würde, so Bär. Schließlich könne man mittels Digitalisierung Arbeitsplätze in von Abwanderung geprägten Regionen halten oder schaffen. Auch ältere Menschen könnten mittels Assistenz- und Überwachungssystemen wesentlich länger in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben als bisher. Und selbst der beste Autofahrer könne nicht so schnell in gefährlichen Situationen reagieren wie ein automatisiert fahrendes Auto.

Dementsprechend forderte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt leistungsfähige Kommunikationsnetze: „Bayern und seine Unternehmen haben die besten Voraussetzungen, um Digitalisierungsgewinner zu werden.“ Zwar seien Deutschland und Bayern im internationalen Vergleich noch Mittelmaß, aber bei der Ausbaudynamik sei der Freistaat „ganz vorne dabei“. „Bayern soll ja Digital Valley in Europa werden“, so Brossardt.

Doch auf dem Weg dorthin bremst laut Finanz-, Heimat- und Landesentwicklungsstaatssekretär Albert Füracker (CSU) vor allem die EU-Kommission. „Solange diese 30 Megabit als schnelles Internet betrachtet, können wir dort, wo wir in Bayern bereits diese Bandbreite haben, nicht mehr fördern“, beklagte Füracker die derzeitige Situation. Allen voran EU-Digitalkommissar Günther Oettinger müsste die Definition von schnellem Internet auf 100 Megabit pro Sekunde erhöhen, damit Bayern mit seinem 1,5 Milliarden Euro schweren Förderprogramm noch mehr bewirken könne.

EU-Kommissar die Meinung gesagt


„Ich habe dem Oettinger schon mehrfach sehr deutlich gesagt, dass er diesen Wert anpassen muss“, betonte der vbw-Hauptgeschäftsführer. Aber offenbar will der EU-Digitalkommissar nicht hören. Darum werden die vbw und die bayerische Staatsregierung in Brüssel nicht lockerlassen.

Das ist gut so, denn schnelles Internet ist für viele Unternehmen entscheidend. Gerade der bayerische Groß- und Außenhandel benötigt es, wie Christoph Leicher, Präsident des Landesverbands Groß- und Außenhandel Bayern e. V., betonte. „Wir erwirtschaften pro Jahr einen Umsatz von rund 37 Milliarden Euro und sind damit die umsatzstärkste Branche von allen“, so Leicher. Ohne den Groß- und Außenhandel, der Waren und Teile für jede Branche in den Freistaat bringt, damit diese vom Einzelhandel vertrieben oder bei den Unternehmen in die jeweiligen Endprodukte eingebaut werden können, laufe nichts. „Wir sind auf leistungsfähigen und schnellen Datenaustausch angewiesen“, so der Präsident.

„Zwei Drittel der bayerischen Industriearbeitsplätze befinden sich in ländlichen Regionen“, betonte vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt. Darum sei der Breitbandausbau mit hohen Datenraten essenziell.

Hauptsache, es wird ausgebaut


Auch Johann Keller, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Landkreistags, stieß ins gleiche Horn. Ob dies nun mittels des sogenannten Vectorings (bereits verlegte Kupferkabel werden leistungsfähiger) als Übergangslösung von den Kabelverzweigern aus bis in die Haushalte geschehe oder gleich von diesen Verteilern aus mit Glasfaser, sei momentan irrelevant. Hauptsache, es werde ausgebaut.

Und da sehen die bayerischen Zahlen ganz gut aus. Laut Staatssekretär Füracker seien 96 Prozent der bayerischen Kommunen im Breitbandförderprogramm des Freistaats. „Und wenn es um den Anschluss von Gewerbegebieten geht, setzen wir sowieso auf Glasfaserkabel bis in jedes Unternehmensgebäude oder bis in jede Produktionsstätte“, betonte Landkreistagsgeschäftsführer Keller.

Im Rahmen des Kongresses wurde auch die Studie „Breitbandbedarf leitungsgebunden und mobil der bayerischen Unternehmen“ vorgestellt. Sie erstellte die GMS Dr. Jung GmbH aus Hamburg im Auftrag der vbw und untersucht, welche konkreten Anforderungen die Unternehmen in Bayern an die kabelgebundene und die mobile Netzinfrastruktur haben. So sei für zwei Drittel der Unternehmen im Industrie-Dienstleistungs-Verbund ein schneller Breitbandinternetzugang für den Unternehmenserfolg entscheidend. Einen weiteren steigenden Breitbandbedarf erwarten die Großunternehmen und zwei Drittel der mittelgroßen Unternehmen. „Auch bei kleineren Firmen gehen wir davon aus, dass der Bedarf steigen wird, sobald entsprechende digitale Anwendungen eingesetzt werden“, betonte Brossardt.

Es gibt noch zu viele Funklöcher


Laut Studie setzen 90 Prozent der befragten Unternehmen mobile Internetverbindungen ein. Die Hälfte ist aber mit den vorhandenen mobilen Datenverbindungen unzufrieden. Zwei Drittel der bayerischen Unternehmen erwarten, im Jahr 2020 noch mehr als heute auf die Verfügbarkeit von schnellen mobilen Datenverbindungen angewiesen zu sein. „Sowohl bei Sprechverbindungen als auch bei schnellen mobilen Datenverbindungen gibt es noch zu viele Funklöcher oder zu geringe Übertragungsleistung“, so Brossardt.

Er ärgere sich regelmäßig, wenn er im Allgäu von Firma zu Firma unterwegs sei. In den Unternehmen seien leistungsfähige Datenleitungen vorhanden, doch bei der Autofahrt bewege man sich von Funkloch zu Funkloch. Ähnlich ist es Brossardt zufolge bei der Fahrt vom Münchner Flughafen in die Münchner Innenstadt. Groß- und Außenhandelspräsident Leicher konnte ihm da nur beipflichten: „Es ist schon peinlich, von chinesischen Geschäftspartnern in Videokonferenzen, bei denen wahlweise der Ton oder das Bild ausfällt, hören zu müssen, dass Deutschland in Sachen Internet noch mehr Gas geben muss.“
(Ralph Schweinfurth)

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