Wirtschaft

Zunahme der Gebäude- und Freiflächen in Bayern von 1997 bis 2008, aufgeschlüsselt nach Unterkategorien. (Grafik: BN Bayern)

04.02.2011

Die Betonierung Bayerns verhindern

Wirtschaft und Bund Naturschutz kritisieren die neuen Maßnahmen der Staatsregierung zum Flächensparen

Wirtschaft und Bund Naturschutz in Bayern monieren die widersprüchliche Regierungspolitik im Freistaat. So will die Staatsregierung einerseits den Flächenverbrauch stärker eindämmen, hat aber andererseits vor Weihnachten den Kommunen neue Freiheiten eingeräumt. Diese dürfen neuerdings Einzelhandelsgroßprojekte bis 1200 Quadratmeter genehmigen – bisher waren es 800.
Der Ministerrat hat diese Woche ein weiteres Maßnahmenpaket beschlossen, um dem Flächenfraß in Bayern Einhalt zu gebieten. Unter der Federführung des Umweltministeriums stimmten das Innen-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Finanzministerium die Fortsetzung der bayerischen Aktivitäten ab. Der Schwerpunkt soll in der verbesserten Zusammenarbeit der Kommunen untereinander liegen, um die Konkurrenz um Einwohner und Gewerbe zu vermeiden.
Doch dem läuft die vor Weihnachten völlig überraschend beschlossene neue Freiheit für Kommunen, Einzelhandelsprojekte bis 1200 Quadratmeter selbst genehmigen zu können, völlig zuwider, kritisiert Chefvolkswirt Robert Obermeier von der IHK für München und Oberbayern. Nach Ansicht des bayerischen Industrie- und Handelskammertags sollte das Prinzip der zentralörtlichen Gliederung im Freistaat weiterhin Bestand haben.
Auch Richard Mergner, zuständig für Verkehr, Flächenschutz und Umweltpolitik beim Bund Naturschutz in Bayern, hält die Entscheidungsfreiheit für Kommunen für falsch. Er fordert klare Leitlinien seitens der Staatsregierung, um den Flächenverbrauch wirkungsvoll stoppen zu können. Denn derzeit liege die gesamte planerische Hoheit in den Händen der Kommunen.
Laut Staatsregierung wird in Bayern täglich die Fläche von 16 400 Quadratmetern (16,4 Hektar) für Siedlungen und Verkehrsnetze verbraucht. Im Jahr entspricht das einer Größenordnung von Augsburg. Der Flächenverbrauch im Freistaat konnte bereits im vergangenen Jahrzehnt reduziert werden: von 28,4 Hektar am Tag (2000) auf 16,4 (2009). Im Grenzland und in überwiegend strukturschwachen Regionen ist der Flächenverbrauch am größten. Es sind überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen betroffen.
Hier fordert Mergner ein staatliches Umsteuern. Denn solange die kommunale Infrastruktur nur aufrechterhalten werden kann, wenn junge Familien Eigenheime auf der Grünen Wiese bauen dürfen, damit sie in der Kommune bleiben, laufe etwas falsch. Deren Einkommensteueraufkommen benötigten die Kommunen derzeit dringend. Und die Bauern profitierten von dieser Entwicklung, wenn ein Quadratmeter Acker plötzlich 250 Euro statt 5 Euro wert ist, weil auf ihm gebaut werden soll.
Er fordert stärkere Anreize, damit Wohnen im Bestand attraktiver wird. Insofern lobt er das Ziel der Staatsregierung, einen Fokus der staatlichen Förderung auf die Entwicklung städtischer Zentren zu legen. „Allerdings müssen diesen Ankündigungen auch Taten folgen“, so Mergner. Diese würden die Entscheidungsträger in den Kommunen und den Ministerien seit Jahren vermissen.
Doch wegen der Emissionsbelastungen wie Gestank und Lärm ist die Nutzung von innerstädtischen Flächen für das Gewerbe problematisch, so IHK-Mann Obermeier. „Deshalb hat man ja die Gewerbebetriebe an die Stadtränder gedrängt.“ Er verweist auch darauf, dass der Wohnungsbau den meisten Flächenverbrauch auslöst. „Nicht die Wirtschaft, auf die hier immer reflexartig gezeigt wird.“
Obermeier fordert eine Regelung für interkommunale Gewerbegebiete. Denn oftmals würden diese gemeindeübergreifenden Gewerbeparks nicht realisiert, weil man sich nicht über die Aufteilung von Kosten und Erträgen einigen könne. „Hier ist Baden-Württemberg viel weiter. Dort gibt es etwa zehnmal so viele interkommunale Gewerbegebiete.“ Obermeier gibt aber auch zu bedenken, dass dort der Druck zur Kooperation wegen der Topografie, also der vielen Tallagen, viel größer ist als in Bayern.
Flächensparen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Städte und Gemeinden sowie die Bürger fordert, heißt es aus der Staatskanzlei. Deshalb will die Staatsregierung die Kommunen kostenfrei unterstützen. So werde für die Bürger eine Bauberatung geschaffen. Das Umweltministerium sei mit seinen Aktivitäten in einer bundesweiten Vorreiterrolle. Bereits seit 2009 gibt es in Bayern einen einmaligen Service für alle Kommunen mit einer kostenlosen Flächenmanagement-Datenbank.
Die Broschüre „Kommunales Flächenmanagement“ bietet Instrumente für die Kommunen, um die Potenziale für die Innenentwicklung zu erkennen, zu aktivieren und in ihre Planungen einzubinden. Eine Flächenspar-Ausstellung wird bis Ende 2011 in allen Landkreisen gezeigt. Zudem finden regelmäßige Fachtagungen statt wie das Flächenspar-Forum, das im Oktober 2011 in Landshut bereits zum dritten Mal tagen wird.
Dennoch vermisst der Bund Naturschutz eine konsistente Flächenschutzpolitik mit der Aufhebung von Tabuthemen. „So lange der Freistaat jährlich fast eine Milliarde Euro in den Neubau statt in den Unterhalt von Straßen investiert, wird sich die Betonierung Bayerns kaum verhindern lassen“, sagt Mergner.
(Ralph Schweinfurth) www.flaechensparen.bayern.de

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