Die Zahl älterer Menschen in Deutschland wächst. Damit steigt die Bedeutung des Heimsektors. Zugleich gibt es einen immer größeren Bedarf an Pflege. Können Seniorenheime in Zeiten des Fachkräftemangels diesem Bedarf noch gerecht werden, und welche Leistungen bieten sie?
In Deutschland ist die Zahl der Pflegebedürftigen in den letzten Jahren stark gestiegen und beträgt nun bereits 2,7 Millionen. Deren Versorgung rückt immer mehr ins Zentrum einer gesellschaftlichen Diskussion. So sagte AOK-Chef Jürgen Graalmann schon vor einigen Jahren: „Das Thema Pflege gehört als Top-Thema auf die politische Agenda.“
In der Öffentlichkeit wird der Pflegesektor oft nicht objektiv behandelt. So wurde in der deutschen Presse mehrfach über Fälle unzureichender Versorgung von Pflegebedürftigen berichtet. Tatsache ist allerdings, dass der Arbeitsdruck für Pflegekräfte enorm ist. Laut dem Pflegeheim Report 2015 gibt es 685.000 Arbeitsplätze in den Pflegeeinrichtungen, von denen jedoch nur 203.000 Vollzeitkräfte sind. Die Teilzeitkräfte arbeiten oft nur wenige Stunden in der Woche und verfügen nicht immer über eine ausreichende Qualifikation. Der Arbeitsmarkt für qualifizierte Pflegekräfte in Deutschland ist aber leer gefegt.
Hoher Arbeitsstress
Viele Altenpfleger sind dem hohen Arbeitsstress nicht gewachsen und die Fluktuation in den Heimen ist sehr hoch. Die Schulung neuer Mitarbeiter kostet viel Zeit und Geld, da Pflege weit anspruchsvoller ist, als dies in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen wird. Daher richten die Betreiber von Seniorenheimen zunehmend ihr Augenmerk auf bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Außerdem werden in vielen Pflegeheimen zusätzliche Schulungen für Mitarbeiter angeboten, zum Beispiel in der Demenzbetreuung, dem Schmerzmanagement oder der Sturzprophylaxe.
Letztendlich muss aber auch die Vergütung für Mitarbeiter in der Pflege steigen, wenn die hohe Fluktuation bei Pflegekräften ein Riegel vermindert werden soll. So sagte der Präsident des deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus: „Ich kann es nicht verstehen, warum eine Arbeitsleistung mit Metallen, mit Kraftfahrzeugen höher vergütet wird als die Arbeit mit Menschen.“
In der Öffentlichkeit wird oft behauptet, dass die Zahl der Heimplätze nicht ausreichend sei und es lange Wartelisten gibt. Diesen Mangel gibt es jedoch nur in bestimmten Regionen, er ist kein deutschlandweites Phänomen. Die meisten Senioren werden durch Angehörige und ambulante Pflegedienste betreut.
Vollstationäre Pflege gewinnt an Bedeutung
Es gibt unterschiedliche Angebote für Senioren. Manche Einrichtungen bieten nur betreutes Wohnen an. Dabei haben die Senioren eine eigene Wohnung, nehmen aber auch Zusatzservices wie ambulante Pflegeleistungen sowie Fahr- und Einkaufsdienste in Anspruch. Außerdem gibt es teilstationäre Pflegeeinrichtungen, in denen die Senioren entweder den Tag oder die Nacht über betreut werden, die restliche Zeit aber zuhause verbringen. Daneben gewinnt die vollstationäre Pflege an Bedeutung, da immer mehr Seniorenheime vorhandene Kapazitäten in Pflegeplätze umwandeln. Die Zahl nicht pflegebedürftiger älterer Menschen in Seniorenresidenzen ist dagegen rückläufig. Viele Einrichtungen werben mit einem breiten Freizeitangebot, zum Beispiel Theater- oder Musikveranstaltungen im eigenen Haus. Andere Heime bieten gemeinsame Ausflüge, Gymnastik oder Fortbildungskurse an. Auch Angebote wie Diätberatung, psychologische Betreuung und Selbsthilfeaktivitäten sind für viele Heimbewohner interessant.
Bisher wurde die Pflegebranche in starkem Maße von gemeinnützigen Trägern geprägt, wie der Caritas, der Diakonie oder der Arbeiterwohlfahrt. Seit einigen Jahren gibt es jedoch ein starkes Wachstum bei privaten Trägern.
Zunehmend expandieren auch ausländische Unternehmen auf den deutschen Seniorenmarkt. Der größte Anbieter in Deutschland ist „Korian“, ein französisches Unternehmen. Der Klinik- und Altenheimbetreiber hat die drei deutschen Pflegeheimketten Casa Reha, Curanum und Phoenix geschluckt. Das Unternehmen betreibt allein in Deutschland 216 Häuser mit über 27.000 Betten und erwirtschaftet einen Umsatz von 780 Millionen Euro. Zweitgrößter Anbieter ist das deutsche Unternehmen „Pro Seniore“ mit 17.000 Betten in 120 Einrichtungen.
Trend zu mehr Wettbewerb
Grundsätzlich bedeutet die wachsende Zahl privater Pflegeheime und Seniorenresidenzen einen Trend zu mehr Wettbewerb, der sich auf die Preise positiv auswirken kann. Dies darf jedoch nicht negative Auswirkungen auf die Servicequalität in deutschen Heimen haben. Bisher ist nicht erkennbar, dass die Servicequalität in privat betriebenen Heimen grundsätzlich schlechter ist als bei gemeinnützigen Trägern. Wenn sich allerdings Pflegeheimketten im Besitz von stark renditeorientierten Finanzinvestoren befinden, kann dies negative Auswirkungen haben. So wurden bei der Pflegeheimkette Casa Reha in der Vergangenheit Mängel in der Patientenversorgung dokumentiert, hervorgerufen vor allem durch zu wenig Personal auf den Stationen. Damals befand sich Casa Reha im Besitz eines britischen Finanzinvestors.
Es ist Aufgabe der Gesundheitspolitik, darauf zu achten, dass der Pflegemarkt zukünftig nicht von Finanzinvestoren oder einigen großen Ketten dominiert wird. Die Stärke der Pflege in Deutschland liegt in ihrer besonderen Mischung aus kleinen und großen sowie privaten, kommunalen und gemeinnützigen Trägern. Dadurch wird ein vielfältiges Angebot möglich, das am ehesten den Interessen der Senioren gerecht wird.
(Mathias von Hofen)
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