Wirtschaft

Der Arbeitsmarkt für qualifizierte Pflegekräfte in Deutschland ist leer gefegt. (Foto: dpa)

05.01.2017

Humanitäre Ideale, Rendite und Fachkräftemangel

Seniorenheime im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen

Die Zahl älterer Menschen in Deutschland wächst. Damit steigt die Bedeutung des Heimsektors. Zugleich gibt es einen immer größeren Bedarf an Pflege. Können Seniorenheime in Zeiten des Fachkräftemangels diesem Bedarf noch gerecht werden, und welche Leistungen bieten sie? In Deutschland ist die Zahl der Pflegebedürftigen in den letzten Jahren stark gestiegen und beträgt nun bereits 2,7 Millionen. Deren Versorgung rückt immer mehr ins Zentrum einer gesellschaftlichen Diskussion. So sagte AOK-Chef Jürgen Graalmann schon vor einigen Jahren: „Das Thema Pflege gehört als Top-Thema auf die politische Agenda.“

In der Öffentlichkeit wird der Pflegesektor oft nicht objektiv behandelt. So wurde in der deutschen Presse mehrfach über Fälle unzureichender Versorgung von Pflegebedürftigen berichtet. Tatsache ist allerdings, dass der Arbeitsdruck für Pflegekräfte enorm ist. Laut dem Pflegeheim Report 2015 gibt es 685.000 Arbeitsplätze in den Pflegeeinrichtungen, von denen jedoch nur 203.000 Vollzeitkräfte sind. Die Teilzeitkräfte arbeiten oft nur wenige Stunden in der Woche und verfügen nicht immer über eine ausreichende Qualifikation. Der Arbeitsmarkt für qualifizierte Pflegekräfte in Deutschland ist aber leer gefegt.

Hoher Arbeitsstress


Viele Altenpfleger sind dem hohen Arbeitsstress nicht gewachsen und die Fluktuation in den Heimen ist sehr hoch. Die Schulung neuer Mitarbeiter kostet viel Zeit und Geld, da Pflege weit anspruchsvoller ist, als dies in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen wird. Daher richten die Betreiber von Seniorenheimen zunehmend ihr Augenmerk auf bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Außerdem werden in vielen Pflegeheimen zusätzliche Schulungen für Mitarbeiter angeboten, zum Beispiel in der Demenzbetreuung, dem Schmerzmanagement oder der Sturzprophylaxe.

Letztendlich muss aber auch die Vergütung für Mitarbeiter in der Pflege steigen, wenn die hohe Fluktuation bei Pflegekräften ein Riegel vermindert werden soll. So sagte der Präsident des deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus: „Ich kann es nicht verstehen, warum eine Arbeitsleistung mit Metallen, mit Kraftfahrzeugen höher vergütet wird als die Arbeit mit Menschen.“
In der Öffentlichkeit wird oft behauptet, dass die Zahl der Heimplätze nicht ausreichend sei und es lange Wartelisten gibt. Diesen Mangel gibt es jedoch nur in bestimmten Regionen, er ist kein deutschlandweites Phänomen. Die meisten Senioren werden durch Angehörige und ambulante Pflegedienste betreut.

Vollstationäre Pflege gewinnt an Bedeutung


Es gibt unterschiedliche Angebote für Senioren. Manche Einrichtungen bieten nur betreutes Wohnen an. Dabei haben die Senioren eine eigene Wohnung, nehmen aber auch Zusatzservices wie ambulante Pflegeleistungen sowie Fahr- und Einkaufsdienste in Anspruch. Außerdem gibt es teilstationäre Pflegeeinrichtungen, in denen die Senioren entweder den Tag oder die Nacht über betreut werden, die restliche Zeit aber zuhause verbringen. Daneben gewinnt die vollstationäre Pflege an Bedeutung, da immer mehr Seniorenheime vorhandene Kapazitäten in Pflegeplätze umwandeln. Die Zahl nicht pflegebedürftiger älterer Menschen in Seniorenresidenzen ist dagegen rückläufig. Viele Einrichtungen werben mit einem breiten Freizeitangebot, zum Beispiel Theater- oder Musikveranstaltungen im eigenen Haus. Andere Heime bieten gemeinsame Ausflüge, Gymnastik oder Fortbildungskurse an. Auch Angebote wie Diätberatung, psychologische Betreuung und Selbsthilfeaktivitäten sind für viele Heimbewohner interessant.

Bisher wurde die Pflegebranche in starkem Maße von gemeinnützigen Trägern geprägt, wie der Caritas, der Diakonie oder der Arbeiterwohlfahrt. Seit einigen Jahren gibt es jedoch ein starkes Wachstum bei privaten Trägern.

Zunehmend expandieren auch ausländische Unternehmen auf den deutschen Seniorenmarkt. Der größte Anbieter in Deutschland ist „Korian“, ein französisches Unternehmen. Der Klinik- und Altenheimbetreiber hat die drei deutschen Pflegeheimketten Casa Reha, Curanum und Phoenix geschluckt. Das Unternehmen betreibt allein in Deutschland 216 Häuser mit über 27.000 Betten und erwirtschaftet einen Umsatz von 780 Millionen Euro. Zweitgrößter Anbieter ist das deutsche Unternehmen „Pro Seniore“ mit 17.000 Betten in 120 Einrichtungen.

Trend zu mehr Wettbewerb


Grundsätzlich bedeutet die wachsende Zahl privater Pflegeheime und Seniorenresidenzen einen Trend zu mehr Wettbewerb, der sich auf die Preise positiv auswirken kann. Dies darf jedoch nicht negative Auswirkungen auf die Servicequalität in deutschen Heimen haben. Bisher ist nicht erkennbar, dass die Servicequalität in privat betriebenen Heimen grundsätzlich schlechter ist als bei gemeinnützigen Trägern. Wenn sich allerdings Pflegeheimketten im Besitz von stark renditeorientierten Finanzinvestoren befinden, kann dies negative Auswirkungen haben. So wurden bei der Pflegeheimkette Casa Reha in der Vergangenheit Mängel in der Patientenversorgung dokumentiert, hervorgerufen vor allem durch zu wenig Personal auf den Stationen. Damals befand sich Casa Reha im Besitz eines britischen Finanzinvestors.

Es ist Aufgabe der Gesundheitspolitik, darauf zu achten, dass der Pflegemarkt zukünftig nicht von Finanzinvestoren oder einigen großen Ketten dominiert wird. Die Stärke der Pflege in Deutschland liegt in ihrer besonderen Mischung aus kleinen und großen sowie privaten, kommunalen und gemeinnützigen Trägern. Dadurch wird ein vielfältiges Angebot möglich, das am ehesten den Interessen der Senioren gerecht wird.
(Mathias von Hofen)

Kommentare (2)

  1. P am 05.01.2017
    Das Berufsbild des, der Pflegenden ist von der CDU vollkommen zerstört worden.
    Berufsflucht, massive Zunahme von Ausbildungsabbrüchen (65% und mehr!)
    Und das alles weil die CDU der Meinung ist das man mit dem Alter und Senioren prima Gewinne erwirtschaften kann.

    Im Juli kommen nun Massenkundigungen, Streiks und Widerstand gegen die Pläne der CDU noch weiter den Arbeitsdruck auf die Pflegekräfte mit noch mehr Dokumentation durch die zwei neue Pflegestufen weiter zu erhöhen.
    Ziel des Arbeitskampf der Pflegenden ist es die CDU wegen ihrer moralische bedenklichen Vorstellungen aus der Regierung zu bekommen, das die CDU mit ihrer Kapitalorientierung keinerlei Sozialchristlichen Werte mehr vertritt.

    Doch ehrlich gesagt, die Pflege ist tot in Deutschland. Unretbar verloren, Da helfen auch keine Kinospots!
    Eine angemessene Bezahlung würde mehr helfen, oder vernuftbegabte Pflegedienstleitungen... Oder eben ein gesetzlicher Personalschlüssel.
    Mit der CDU kommt das niemals mehr.. Deswegen muss Sie in die Opposition!
  2. Thomas Bartel am 05.01.2017
    Die meisten Menschen wollen so lange wie möglich in ihrem vertrauten Lebensumfeld wohnen. Dieses Grundbedürfnis wird durch die gesetzgeberische Stärkung der ambulanten Versorgung im Rahmen der Pflegerform unterstützt. Doch völlig unabhängig von pflegerischen Leistungen ist es der Wunsch nach persönlicher Zuwendung sowie Aktivität und Teilhabe am Leben, den ältere Menschen verspüren - insbesondere dann, wenn sie allein leben und ihnen hierbei weder Familie, Freunde noch Nachbarschaft für Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stehen. Das leistet auch kein Pflegedienst. Für professionelle Betreuung und Begleitung im Alltag stehen darum seit geraumer Zeit qualifizierte Senioren-Assistenten, ausgebildet und zertifiziert nach dem "Plöner Modell", bundesweit zur Verfügung. Mehr als 1000 lebenserfahrene Frauen und Männer sind inzwischen für diese sensible Aufgabe geschult worden. Ihr Berufsverband, die Bundesvereinigung der Senioren-Assistenten Deutschland (BdSAD) e. V., verlangt zudem die Einhaltung anspruchsvoller Qualitäts- und Ethikstandards bei der Berufsausübung ihrer Mitglieder. Wer mehr über die Senioren-Assistenten sowie Ansprechpartner vor Ort erfahren möchte, kann sich unter www.bdsad.de oder das Vermittlungsportal www.die-senioren-assistenten.de informieren.
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