Wirtschaft

Die N-ERGIE AG aus Nürnberg besitzt einen Stromspeicher. Die 70 Meter hohe, silberne „Tonne“ speichert überschüssigen Ökostrom in Form von Wasser, das aufgeheizt und dann für die Fernwärmeversorgung in Nürnberg verwendet wird. (Foto: N-ERGIE)

28.10.2016

Kommunen wollen ins Stromspeichergeschäft

EU-Kommission will ihnen dieses Feld nicht überlassen

Bayern ist Primus in Deutschland bei erneuerbaren Energien. Das gilt insbesondere für Solarstrom. Die erneuerbaren Energien hatten laut dem bayerischen Umweltamt 2014 einen Anteil von 36 Prozent an der Bruttostromerzeugung in Bayern. 33 Prozent davon kamen von der Sonne und sechs Prozent vom Wind. Sonne und Wind liefern nicht immer, aber oft mehr als verbraucht werden kann. Wohin mit dem überschüssigen Ökostrom? Speicherung heißt das Zauberwort, dass sich die kommunalen Energieversorger zum Geschäftsmodell machen wollen. Die EU-Kommission möchte das ihnen jedoch nicht überlassen.

Verbraucher sollen zu Produzenten werden


In Europa wird immer mehr Ökostrom dezentral, d.h. lokal, generiert. Die Informationstechnologie ermöglicht es, dann Strom zu verbrauchen, wenn er billig ist und dann einzuspeisen, wenn er teuer ist. Die Verteilernetze sollen „smart“ werden. Die Verbraucher sollen zu Produzenten („Prosumers“) werden. Das hat sich auch die EU-Kommission mit ihrem Energie-Union-Projekt auf die Fahnen geschrieben. Auch in Brüssel ist von einer Energie-Wende die Rede. Gemeint ist nicht der Atomausstieg wie in Deutschland, sondern eine Dekarbonisierung, d.h. treibhausgas- arme Wirtschaft. Dabei sollen die Kommunen eine große Rolle spielen.

Die EU-Kommission hofft bei der Verwirklichung der Energie-Union auf die Innovationskraft der lokalen Energieversorger. „Der Wechsel kommt durch Sie“, sagte der dafür zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Maro(s) Sef(c)ovi(c) auf der Jahreskonferenz des europäischen Dachverbands der lokalen Energieversorgungsunternehmen, CEDEC, am 18. Oktober in Brüssel. Der deutsche Verband kommunaler Unternehmen VKU ist Mitglied in CEDEC. „Strom muss nicht zentral generiert werden“, sagte Sef(c)ovi(c). Er versprach den lokalen Energieversorgern Investitionsschutz und weniger Bürokratie. Immer wieder hatten sich Gemeinden darüber beschwert, dass die EU-Kommission deren Beihilfen an Stadtwerke untersagt hatte. Besonders rechnet Sef(c)ov(c) mit dem Beitrag von Städten, das heißt dem neuen Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie, bei der Umsetzung des Energie-Union-Projekts. Der beginnt mit seiner Arbeit offiziell am 1. Januar 2017.
Nicht alle teilten seine Zuversicht. Christoph Mayer vom Institut für Informatik, OFFIS, bezweifelte die Innovationskraft der Stadtwerke. „Einige von Ihnen werden von der Bildfläche verschwinden“, sagte er an das Publikum gewandt. Die Stadtwerke seien immer noch zu passiv.

Speicherung ist wichtig


Der Verband kommunaler Unternehmen VKU will beim Geschäft mit Stromspeichern mitmachen und zwar nicht nur mittels Batterien, sondern auch Wärmespeicher. Das Thema Speicherung sei für die Stadtwerke wichtig, sagte Michael Wübbels, Geschäftsführer der Abteilung Energiewirtschaft der VKU. Distributive Speicherung habe den Vorteil, dass weniger in die überregionalen Übertragungsnetze investiert werden müsse. Die stoßen ja gerade in Bayern bei den Bürgern auf Widerstand.

Wübbel sieht die kommunalen Stadtwerke langfristig als Stromversorger für den Wärme- und Transportmarkt. Da die Elektrifizierung Zeit brauche, müsse der Wärmemarkt übergangsweise mit Gas versorgt werden. Die EU-Kommission präferiert eine Elektrifizierung des Straßen- und Schienenverkehrs sowie eine Elektrifizierung des Wärmemarkts durch Wärmepumpen. Das ist ihren Mitteilungen zur Wärme-und Kälte-Strategie sowie zur Dekarbonisierung des Verkehrs zu entnehmen. Fürs Heizen und Kühlen gehen etwa 40 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in der EU drauf, für den Transport 33 Prozent.

Stadtwerke haben riesige Kundendateien


„Ja, wir wollen die Speicher betreiben und besitzen dürfen“, antwortete Wübbels der Staatszeitung. Die EU-Kommission möchte dieses Geschäft aber nicht den lokalen Energieversorgern überlassen. Die Vertreterin des amerikanischen Batterie- und E-Autoherstellers Tesla, Alicia Carrasco, sah darin kein Problem.

Auch das Geschäft mit den riesigen Kundendaten („Big Data“) wollen sich die Stadtwerke nicht nehmen lassen. Im Prinzip könnte das auch Google machen. Die Stadtwerke haben die Daten ihrer Kunden und brauchen sie für neue Geschäftsmodelle sowie für die Stabilisierung ihrer Netze, die durch immer mehr dezentrale Generation schwieriger geworden ist. Auch die angeschlagenen Energiekonzerne E.ON und RWE, die die revolutionären Veränderungen in der Energiewirtschaft verschlafen haben, sehen neue Geschäftsmodelle durch Daten, die sie besitzen. Bei dieser Angelegenheit dürften die Stadtwerke die EU-Kommission auf ihrer Seite haben. „Ihr sollt es machen“, sagte Manuel Sanchez Jimenez , zuständig für Smart Grids in der Energieabteilung der EU-Kommission auf einer anderen Veranstaltung in Brüssel.
Im Dezember kommt die EU-Kommission mit Gesetzesvorschlägen zu einem neuen Strommarktmodell, wo solche Fragen geklärt werden. 2017 werden sich EU-Parlament und die EU-Regierung damit auseinandersetzen. Viele Interessgruppen werden versuchen, Einfluss zu nehmen.
(Rainer Lütkehus)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.