Wirtschaft

In Zeiten des Klimawandels für die Nahrungsmittelproduktion immer wichtiger: neue hitzeresistente Pflanzen kreieren. (Foto: TUM)

24.11.2017

Landwirtschaft goes Hightech

Was ist die Zukunft der Nahrungsmittel- und Rohstoffversorgung? Eine Tagung des Agrarministeriums ging dem Thema nach

Eine Tagung zum Thema Bioökonomie des bayerischen Landwirtschaftsministeriums beleuchtete auf vielfältige Weise die künftigen technologischen Herausforderungen der Agrarbranche. Erörtert wurden Rohstoffversorgung, Ernährung und die Vernetzung mit der Industrie. Bayerns Land-, Forst- und Ernährungwirtschaft, so Ressortchef Helmut Brunner (CSU) werde künftig noch stärker als heute auf Technologien und Innovationen basieren: „Die angewandte Forschung muss sicherstellen, dass die wesentlichen Zukunftsthemen praxisorientiert bearbeitet werden.“ Die Bioökonomie liefere dafür Lösungen. Zu beachten gelte es aber, so der Landwirtschaftsminister, dass der Abbau von Rohstoffen zur Herstellung biobasierter Produkte nicht zu Lasten der der Versorgung mit Nahrungsmitteln gehen dürfe: „Ernährung hat Vorrang.“

65 Kilogramm Essen wirft jeder Bayer jährlich weg


Die verstärkte Nutzung nachwachsender Rohstoffe aus der Landwirtschaft, davon ist der Minister überzeugt, schafft neue Absatzmärkte und Entwicklungsperspektiven für den ländlichen Raum. Vorangetrieben werde das Thema „biobasiertes Wirtschaften mit dem Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe sowie dem Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität München. Bis 2019 entstehen dort 1000 Studienplätze.

Außerdem gibt es im Ministerium ein neues Referat für Ressourcenforschung als zentralen Ansprechpartner für alle Forschungsangelegenheiten. Rund 30 Millionen Euro gibt Brunners Haus nach eigenen Angaben jährlich für praxisorientierte Forschung aus. Weitere sieben Millionen Euro stehen bereit für die Förderung von Innovationen in der Landwirtschaft.

Ein besonderes Anliegen, so der Minister, sei ihm der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung. 50 Partner beteiligen sich an dem Bündnis „Wir retten Lebensmittel“. Hintergrund: Zwar liegt der Freistaat beim Wegwerfen von Essen und Trinken unter dem Bundesdurchschnitt – aber rund 65 Kilogramm pro Einwohner und Jahr sind es trotzdem noch.

Für einen Impulsvortrag zu der Veranstaltung geladen war Jury Witschnig, beim Automobilkonzern BMW zuständig für die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt. Seine Einladung hatte zunächst überrascht, gibt es doch augenscheinlich erst mal wenig Anknüpfungspunkte zwischen einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie und der Landwirtschaft. Doch das täuscht.

Weltweit erfolgreich


„BMW ist für mich unter anderem Vorbild, dass man weltweit erfolgreich sein kann, ohne den niedrigsten Preis anbieten zu müssen“, sagte dazu Helmut Brunner. Diese Philosophie möchte ich gern auf die Landwirtschaft übertragen. Denn der Preis wäre zu hoch, wenn wir versuchen würden, bei bayerischen Agrarprodukten über den Preis konkurrenzfähig zu sein.

Jury Witschnig nannte einige interessante Beispiele, in denen sich sein Unternehmen bereits in Sachen Nachhaltigkeit engagiert. So verwende BMW beispielsweise bei 80 Prozent des eingesetzten Aluminiums Sekundäraluminium oder stelle dieses mithilfe regenerativer Energien her. Immer beachten müsse man freilich, dass das alternative Produkt den Qualitätsstandards entspricht – auch weil es ja sonst nicht vom Kunden angenommen würde. „Vielleicht ist es ein wenig wie mit den Bio-Eiern aus regionaler Freilandhaltung“, knüpfte Witschnig an die Landwirtschaft an. „Natürlich kosten die mehr als Discounter-Eier aus Käfighaltung. Aber dafür schmecken sie auch viel besser.“ Bei all dem dürfe man nicht in die Falle tappen, zwar ökologisch einwandfreie Produkte zu verwenden, aber dafür möglicherweise Sozial- und Sicherheitsstandards bei deren Herstellung in den Herkunftsländern zu unterschreiten, mahnte Witschnig.

Der weitere Verlauf der Veranstaltung war Fachvorträgen aus verschiedenen Sektoren der Landwirtschaft gewidmet. So beschäftigte sich etwa Herbert Borchert von der bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft in Freising mit dem Artenwechsel in den Wäldern. Für die Fichte – den mit Abstand am häufigsten und intensivsten genutzten Baum Bayerns – wird es nämlich bald zu heiß und zu feucht werden.

Energiepflanze Silphie aus USA ist hitzeresistent


Andere Nadelbäume wie die Tanne können die Fichte nur bedingt ersetzen. Es schlägt die Stunde der beim Klimawandel widerstandsfähigeren Laubbäume – die auch mehr schädliches CO2 filtern können. Allerdings eignen sich diese nicht so gut für die ökonomische Verwertung.

Michael Grieb vom Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe in Straubing präsentierte die Möglichkeiten der ursprünglich aus Nordamerika stammenden, sich aber inzwischen auch bei uns ausbreitenden Energiepflanze Silphie. Diese ist sehr gut an Trockenstandorte angepasst, da sie den Wasservorrat in Trockenzeiten für sich nutzen kann. Grund sind ihre am Stängel verwachsenen Blattpaare, die auf diese Weise kleine Becher bilden, in denen sich Tau- und Regenwasser sammelt.

Hermann Kolesch von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim beschäftigte sich mit Urban Gardening. Das ist an sich nun kein ganz neuer Trend mehr, aber zum einen wächst die Zahl der Aktiven und zum anderen erweitern sich die Möglichkeiten. Unabhängig von der Möglichkeit, sich als Stadtbewohner auf diese Weise mit frischem Obst und Gemüse autark versorgen zu können, reduziert Urban Gardening ja auch den Energieverbrauch und Schadstoffausstoß, weil weniger Ware vom Land in die Stadt gebracht werden muss.

Miriam Prinz von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Weihenstephan hatte sich der Vorstellung neuer, gesunder Kartoffelarten verschrieben und Christine Röger vom Kompetenzzentrum für Ernährung in Freising dem ressourceneffizienten Einsatz von Lebensmittel, die außer Haus konsumiert werden. Bettina Fink, tätig für das Centrale Agrar-Rohstoff-Marketing- und Energie-Netzwerk in Straubing, legte die nachhaltige Produktentwicklung aus biobasierten Werkstoffen anhand von Zahnbürsten und Kabelschächten dar.
(André Paul)

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