Wirtschaft

Die vbw erwartet einen weiteren Strompreisanstieg. (Foto: Bilderbox)

02.12.2016

Schluss mit den Alleingängen

Das 5. Energiewende-Monitoring der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zeigt Energiewende ohne Plan

Bei der Vorstellung des 5. Energiewende-Monitorings der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft stellte Präsident Alfred Gaffal zunächst die Fortschritte seit dem 4. Monitoring vor und erklärte dabei, dass die Thüringer Strombrücke 2017 voll in Betrieb geht, 3,8 Gigawatt ausländische Reserveleistung für den Winter 2016/2017 abgesichert sind und zum Ausgleich wegfallender Kernkraftwerks-Leistung der Zubau neuer Gaskraftwerke mit bis zu zwei Gigawatt Leistung bis zum Winter 2021/2022 vereinbart ist.

„Die Versorgungssicherheit ist also gewährleistet. Aber die notwendigen Maßnahmen dafür werden immer teurer“, so Gaffal. Für die nächsten Jahre erwartet er weitere deutliche Strompreissteigerungen. Grund dafür seien aber nicht etwa steigende Preise an der Strombörse. Diese würden sogar sinken. Was die Verbraucherpreise treibe, seien vor allem die staatlich veranlassten Kosten. „Bis 2025 wird uns die Energiewende nach Experteneinschätzung allein im Strombereich 520 Milliarden Euro kosten. Das ist dramatisch.“

Als größten Brocken hierfür nannte der vbw-Präsident die EEG-Umlage: Allein dafür müssen die Stromverbraucher bis 2025 rund 407 Milliarden Euro zahlen. Hinzu kommen laut Gaffal unter anderem 55 Milliarden Euro für den Netzausbau, 18 Milliarden Euro an Zuschüssen für die Kraft-Wärme-Kopplung und zwölf Milliarden Euro für die Forschungsförderung von Bund und Ländern.

Gros der Kosten muss erst noch bezahlt werden


Bis 2015 seien von den 520 Milliarden Euro an Kosten allerdings erst rund 150 Milliarden Euro angefallen. Das bedeutet, so Gaffal: Das Gros der Kosten muss noch bezahlt werden. „Das muss unsere Volkswirtschaft schultern. Gut die Hälfte davon entfällt auf die gewerbliche Wirtschaft, mehr als 30 Prozent auf private Haushalte. Die übrigen Kosten entfallen vor allem auf öffentliche Einrichtungen und auf den Verkehrssektor.“

Besonders gefährlich ist dies nach den Worten des vbw-Präsidenten für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und nicht unter die besondere Ausgleichsregelung des EEG fallen. Darüber hinaus würden weitere Belastungen der Wirtschaft mit dem Klimaschutzplan 2050 drohen. Die darin festgelegten Einsparziele für CO2-Emissionen würden nämlich weit über globale und europäische Vorgaben hinausgehen. Und Hauptbetroffener sei wieder die Wirtschaft. Dabei seien gerade die deutschen Unternehmen vorbildlich. Denn trotz Anstiegs der Produktion habe die deutsche Industrie ihre CO2-Emissionen von 1990 bis 2014 um 36 Prozent verringert. „Das ist eine gewaltige Leistung.“

Gift für die Wirtschaft


Damit ist für Gaffal das wirtschaftlich Erreichbare weitgehend ausgeschöpft. Dennoch fordert der Klimaschutzplan von der Industrie, in den nächsten 14 Jahren weitere 15 Prozent einzusparen. Das beweist für den vbw-Präsidenten einmal mehr, dass die Sektorziele im Klimaschutzplan nach Gutdünken und ohne vorherige Folgenabschätzung, ohne umfassende und seriöse Bewertung aufgestellt wurden. Deshalb fordert er: „Mit unseren Alleingängen in Europa muss endlich Schluss sein.“
Wenn für deutsche Unternehmen weitere und ständig höhere Anforderungen gelten als an ausländischen Standorten, ist das Gift für die Wirtschaft, betonte Gaffal.

Riesige Einsparpotenziale sieht er dagegen in einem anderen Bereich: Bei den Wohngebäuden werde mehr als ein Drittel der gesamten Energie verbraucht. Dieses gewaltige Einsparpotenzial liege nach wie vor brach. Um hier voranzukommen, brauche man endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung. „Ich fordere das bereits seit mehr als drei Jahren. Doch vergebens.“

Untätiger Gesetzgeber


Die Untätigkeit des Gesetzgebers ist für den vbw-Präsidenten nicht nachvollziehbar. Nach einer Untersuchung des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk erzeuge eine steuerliche Förderung von 1,5 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen von 2,3 Milliarden Euro. Das ist ein fiskalisches Plus von 800 Millionen Euro. „Obwohl die positive Wirkung der steuerlichen Abschreibung unbestritten ist und sie ein echtes Investitionsprogramm wäre, steckt das Thema fest“, bedauerte Gaffal.

Auch im Klimaschutzplan 2050 ist die steuerliche Abschreibung nicht enthalten. Die vbw setzt daher auf die Staatsregierung, dass sie weiter auf den Steuerbonus für energetische Sanierung hinwirkt. Anstelle immer neuer und schärferer Vorgaben brauche man wirtschaftlich vernünftige Anreize zu eigenverantwortlichem Handeln. „In einer Zeit weltweiter Unsicherheiten darf Berlin unsere Unternehmen nicht überlasten“, so Gaffal. „Wir brauchen wirtschaftsverträgliche Rahmenbedingungen.“
Die wesentlichen Ergebnisse des 5. vbw-Energiewende-Monitorings sind:
– Die Stromversorgung in Deutschland und Bayern ist nach wie vor sicher. Allerdings kommt das für den Verbraucher teuer.
– Die Strompreise liegen im internationalen Vergleich an der Spitze und sie werden weiter steigen.
– Bei der Energieeffizienz und beim Ausbau der erneuerbaren Energien verfehlt Deutschland seinen Zielpfad. Bayern steht hier besser da.
– Die CO2-Emissionen lagen in Bayern über dem Zielpfad, in Deutschland sogar erheblich.

Energiewende steckt fest


Insgesamt werde deutlich, so der vbw-Präsident: Die Energiewende steckt zum Teil fest.
Am besten sehe es noch bei der Versorgungssicherheit aus. 2015 stand in Deutschland und Bayern ausreichend gesicherte Leistung zur Verfügung, um den Strombedarf auch in Spitzenzeiten zu decken. Im Freistaat ging im Vergleich zum letzten Monitoring die Bewertung der Versorgungssicherheit vor allem nach Stilllegung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld etwas zurück. Die fehlende Leistung konnte gut durch verfügbare Reservekapazität aufgefangen werden.

Fortschritte sieht die vbw beim deutschen Leitungsausbau: 2015 wurde das Energieleitungsausbau-Gesetz geändert. Es regelt den beschleunigten Ausbau von 22 Vorhaben mit einer Trassenlänge von 1800 Kilometern. Im Juli dieses Jahres waren davon 850 Kilometer genehmigt und rund 650 Kilometer gebaut. Im nächsten Jahr wird das Kernkraftwerk Gundremmingen Block B vom Netz genommen. Positiv ist, wie bereits erwähnt, dass die Thüringer Strombrücke dann rechtzeitig vollständig im Dauerbetrieb ist.

Sorge um Netzstabilität


Sorge bereitet Gaffal allerdings die Netzstabilität. Mit dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien ist die gesamte Erzeugungsleistung in Deutschland 2015 auf 195 Gigawatt gestiegen. Die Hälfte davon entfällt auf volatile erneuerbare Energien, insbesondere auf Windkraft im Norden. Dadurch stieg der Aufwand der Netzbetreiber zur Stabilisierung des überlasteten Stromnetzes deutlich. Da es an genügend Transportleistung im deutschen Stromnetz fehlt, werde vor allem Wind im Norden abgeregelt, fossile Kraftwerke im Süden werden hochgefahren.

Besonders beim Netzbetreiber Tennet habe sich die Zahl solcher Eingriffe im letzten Jahr dramatisch erhöht, berichtete Gaffal: von 5000 Stunden 2014 auf über 9000 Stunden 2015. Die wachsende Zahl an Netzeingriffen werde zu einem immer größeren Kostenfaktor. 2015 kosteten sie bereits mehr als eine Milliarde Euro. Das war eine Verdoppelung in nur einem Jahr. Der vbw-Präsident geht davon aus, dass sich dieser Anstieg weiter fortsetzen wird. Die Bundesnetzagentur geht ab 2020 von mehr als vier Milliarden Euro jährlich aus. Auch diese Kosten muss der Stromkunde mit dem Strompreis bezahlen. „Wie vieles andere ist auch das eine Folge eines fehlenden energiewirtschaftlichen Gesamtkonzepts.“
Laut Gaffal braucht Deutschland endlich eine in sich geschlossene Langfristplanung, in der Erzeugung, Verbrauch, Transport sowie Energieeffizienz und Speicherlösungen zeitlich und räumlich aufeinander abgestimmt sind und auch die Kosten genannt werden.

Unrühmlicher Spitzenplatz


Zwar lag der Industriestrompreis 2015 etwas unter dem Niveau vom Vorjahr, aber innerhalb der 28 EU-Staaten hält Deutschland (bei einer Abnahmemenge von 500 bis 2000 Megawatt im Jahr) einen unrühmlichen Spitzenplatz. Nur in Italien und Malta mussten die Unternehmen mehr zahlen, sagte Gaffal. In den anderen EU-Ländern seien die Kosten weitaus niedriger. In Deutschland zahlen Unternehmer zum Beispiel rund 50 Prozent mehr für den Strom als in Frankreich. Auch beim Haushaltsstrom habe Deutschland im europäischen Vergleich Spitzenpreise. Von den 28 EU-Staaten zahlen nur Haushalte in Dänemark mehr als die deutschen Bürger.

Besonders ärgerlich ist nach den Worten des vbw-Präsidenten dabei, dass die Börsenpreise für Strom in Deutschland seit Jahren rückläufig sind. Was den Strompreis treibe, seien allein die staatlich veranlassten Kosten. Rund 55 Prozent des Industriestrompreises machen inzwischen Steuern, Abgaben und Umlagen aus. Hauptpreistreiber ist und bleibt laut Gaffal das EEG. 2015 betrug die EEG-Umlage 6,17 Cent pro Kilowattstunde, 2016 liegt die EEG-Umlage bei 6,35 Cent pro Kilowattstunde und 2017 werden es 6,88 Cent pro Kilowattstunde sein. In diesem Jahr beläuft sich die EEG-Förderung auf insgesamt 23 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon zahlen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleister.

Mit der Förderung sollte ursprünglich die Nischenbranche der Erneuerbaren marktfähig gemacht werden, erklärte der vbw-Präsident. Die Nischenförderung sei aber längst zur üppigen Breitenförderung geworden. Sie habe eine Subventionsspirale in Gang gesetzt, die sich unvermindert weiter dreht. Hieran ändere auch die jüngste EEG-Novelle erst einmal nichts. Dazu komme der Anstieg der Netzentgelte aufgrund der notwendigen Maßnahmen zur Netzstabilisierung. Der Netzbetreiber Tennet habe bereits für 2017 eine deutliche Erhöhung der Netzentgelte um 80 Prozent angekündigt.

Wettbewerbsnachteil


„Wir sehen einen Kostenanstieg auf breiter Front. Da darf die Politik nicht länger tatenlos zusehen. Die hohen Strompreise werden für unseren Standort und die Unternehmen zu einem immer gravierenderen Nachteil im internationalen Wettbewerb. Und was besonders wichtig ist und kaum Beachtung findet: Diese Kaufkraftabschöpfung belastet zunehmend die Haushalte und hier besonders die Geringverdiener. Was hier abgeschöpft wird, ist dramatisch“, so Gaffal. „Es ist Zeit, schnell zu handeln.“
In diesem Zusammenhang sprach er sich für eine Strompreisbremse aus. Ein wirksamer Hebel wäre das Streichen oder Absenken der Stromsteuer. Auch ein Streckungsfonds zur Deckelung der Förderkosten für den Ausbau der Erneuerbaren sei sinnvoll. Was die vbw allerdings ablehnt, ist eine teilweise Finanzierung der EEG-Umlage über neue Steuern oder Abgaben auf andere Energieträger, wie zum Beispiel auf Heizöl und Gas im Wärmemarkt. „Eine EEG-Umlage auf Heizöl und Gas kommt für uns nicht in Betracht. Wer Öl und Gas vom Markt nehmen will, erreicht die Ziele der Energiewende kurz- und mittelfristig nicht. Das brächte auch keine Entlastung, sondern nur eine Verschiebung der Kosten. Wir brauchen eine echte Kostenwende.“

Um Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Inland zu halten, müssen die Strompreise auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau sinken, fordert der vbw-Präsident. Das werde aber nur gehen, wenn die vollständige Marktintegration der erneuerbaren Energien zügig vorangetrieben wird und „wir uns vom EEG verabschieden“.

 Zur Bewertung der Energieeffizienz in Deutschland und Bayern zieht das Monitoring als Kriterien den Stromverbrauch und die sogenannte Stromintensität heran. Von 2008 bis 2020 soll der Stromverbrauch in Deutschland um zehn Prozent sinken. Das Bayerische Energieprogramm vom Oktober 2015 geht von einem konstanten Stromverbrauch aus. Sowohl im Freistaat als auch in Deutschland lag der Verbrauch um mehr als zwei Prozent über den Zielvorgaben. Bei der hohen wirtschaftlichen Dynamik ist das laut Gaffal aber nur normal.

Sparsamer Umgang


Aussagekräftiger als der absolute Stromverbrauch ist nach den Worten des vbw-Präsidenten, wie effizient der Strom verwendet wird. „Und da sind wir auf einem sehr guten Weg: Die Stromintensität – also die Strommenge, die nötig ist, um eine Produktionseinheit zu erzeugen – ist seit dem letzten Monitoring weiter gesunken.“ In Deutschland ging die Stromintensität von 2009 bis 2015 um 14 Prozent zurück. Im Freistaat konnte die Stromintensität im gleichen Zeitraum sogar um 28 Prozent gesenkt werden. Das zeigt für Gaffal: Der sparsame Umgang mit Energie ist für die Wirtschaft ein sehr wichtiges Thema, das gerade in bayerischen Unternehmen seit Jahren einen besonderen Stellenwert hat.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in Deutschland 2015 deutlich angestiegen. Bis 2020 soll der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bei 35 Prozent liegen. Das Ziel wurde schon 2015 fast erreicht. „Das klingt positiv. Aber die Abweichung vom Zielpfad nach oben bedeutet zusätzliche Belastungen durch hohe Förderkosten und steigende Netzentgelte“, so der vbw-Präsident. Nach bayerischer Zielvorgabe sollen die erneuerbaren Energien bis 2025 mit 70 Prozent zur Bruttostromerzeugung beitragen.

Auch bei der Umweltverträglichkeit wurde vom vorgegebenen Weg, die CO2-Emissionen von 1990 bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, 2015 deutlich abgewichen, erklärte Gaffal. Das Bayerische Energieprogramm schreibt einen Zielwert von 5,5 Tonnen CO2 pro Kopf bis 2025 vor. Auch hier ist es 2015 nicht gelungen, im Plan zu sein. „Trotz Milliardenförderung wird auch bei der Umweltverträglichkeit das vorgegebene Ziel nicht erreicht. Dennoch beschließt die Bundesregierung im Klimaschutzplan 2050 weitere tonnenscharfe Einsparziele für die einzelnen Sektoren, und zwar wieder, ohne die Machbarkeit und die ökonomischen und sozialen Folgen vorher geprüft zu haben.“

Für Gaffal ist es allerhöchste Zeit, die energie- und klimapolitischen Anforderungen in Deutschland nicht länger zu überziehen, sondern die berechtigten Interessen aller sorgfältig untereinander und zueinander abzuwägen. Für die Wirtschaft heißt das: Die Energieversorgung in Deutschland muss sicher, umweltverträglich und zu wettbewerbsfähigen Preisen erfolgen. „Alle drei Ziele müssen gleichberechtigt berücksichtigt werden.“
(Friedrich H. Hettler)

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