Wirtschaft

Das Testfeld von Smart Grid Solar in Arzberg. (Foto: Wraneschitz)

28.08.2015

Viel Wissenschaft – wenig Konkretes

Zweitägiges Symposium zu Smart Grid Solar in Hof und Arzberg

Smart Grid Solar in Hof und Arzberg: Zwei Tage lang diskutierten fast 150 Fachleute über das Forschungsprojekt. Dort, in Nordostoberfranken wollten Wissenschaftler und Praktiker die Frage beantworten: Wie können in naher Zukunft örtliche Stromnetze optimal betrieben werden; dann, wenn Wind, Sonne und Biomasse die Hauptlieferanten sind? Dass heute viele wichtige, hocheffektive Gaskraftwerke wie in Irsching sich nicht mehr rentieren und deshalb abgeschaltet werden sollen, ist eine späte Folge der „Liberalisierung“ des Strommarkts in den 1990er Jahren. Damals wurden Erzeugung und Handel dem Wettbewerb preisgegeben: „Man versprach sich Effizienzgewinne. Anders die Netze: Die werden weiterhin reguliert, weil sie als natürliches Monopol gelten“, weiß Professor Veronika Grimm, Lehrstuhlinhaberin für Wirtschaftstheorie der Uni Erlangen-Nürnberg. Am Energie-Campus Nürnberg EnCN beschäftigt sie sich mit dem Energiemarktdesign für die Energiewende. Sie muss immer wieder feststellen: „Heute gibt es in Strommärkten ein Zusammenspiel von privatwirtschaftlichen Entscheidungen und solchen des Regulierers“, der Bundesnetzagentur.
Da läuft nicht immer alles rund, das weiß nicht nur Grimm. Denn das traditionelle energiewirtschaftliche Zieldreieck Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit bietet viel Konfliktstoff, schaut man auf die Ziele der Energiewende: CO2-Minderung, Atomausstieg, Akzeptanz. Auf der Übertragungsnetzebene sind die Konflikte bereits offenkundig, wie der Streit um Leitungsausbau zeigt. Doch der „Gegensatz zwischen Systemoptimum und Marktergebnis“ (Grimm) tritt genauso bei den Verteilnetzen auf. Der ist aber bis heute noch kaum betrachtet worden, meint die Wirtschaftstheoretikerin. „Unsicherheiten über politisches Handeln“ hat sie hierfür ausgemacht.
Nicht zu vergessen die rechtlichen Rahmenbedingungen. Die verhindern sogar, dass Speicher in „Smart Grids“ eingebaut werden, meinen viele Betreiber solcher Verteilnetze. Obwohl Batterien, Wasserstoffspeicher oder Kondensatoren vor Ort das ständige Auf und Ab von Erzeugung und Bedarf aufeinander abstimmen können.

Stromspeicher zum Stabilisieren des Netzes


„Die Schaffung eines klaren Rechtsrahmens“ fordern deshalb Juristen wie Professor Roland Ismer oder Manuel Haußner von der Uni Erlangen. Sie stufen zwar die Investition der Verteilnetzbetreiber in „Speicheranlagen ausschließlich zum Netzbetrieb, also zur Stabilisierung als wohl zulässig“ ein. Doch ist der Speicher Infrastruktureinrichtung, also kurzfristiger Verbraucher oder Stromlieferant, dann gelte das nicht, meint Jurist Haußner. „Und es drohen Doppelbelastungen durch Wälzungskosten, Stromsteuer, EEG-Umlage“, zählt er Beispiele auf.
Genau deshalb, „weil sie sich nicht rechnen“, stehen bis heute „flexible Verbraucher beispielsweise nicht in der Nähe von Windkraftanlagen“, behauptet Georg Zöttl. Der Professor für Industrieökonomie und Energie-märkte, ebenfalls am EnCN tätig, hat ein „Strommarktmodell für die Übertragungsebene mit nur einem Entscheider, der Bundesnetzagentur“ entwickelt. Darin geht es um Kosten, die Mitarbeit der Verbraucher durch „Anreizstrukturen“. Denn dass ein „starker Handlungsbedarf besteht“, darüber sind sich fast alle Fachleute mit Zöttl einig.
Welche konkreten Handlungen stattfinden müssen, das soll im Smart-Grid-Solar-Projekt aber nicht nur theoretisch, sondern praktisch erforscht werden. Sehr euphorisch gab am 30. Juni 2012 Bayerns damalige Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) „den Startschuss. Ich freue mich, dass es jetzt in Hof und Arzberg losgeht.“ Doch bis heute fehlt beispielsweise auf dem Testgelände Arzberg-Schlottenhof die Brennstoffzelle, die aus dem durch Überschuss-Ökostrom und Elektrolyseur erzeugten Wasserstoff (H2) wieder Strom, Wärme und Wasser machen kann. „Noch in diesem Jahr“ soll der H2-Umwandler aufgestellt werden, erfuhren die Besucher des Testfelds im Rahmen des Kongresses. Auch wenn die Projektpartner – von Areva über Bayernwerk, Fraunhofer-Institute, Rehau AG bis ZAE Bayern – bereits Ergebnisse präsentieren konnten wie zum Beispiel Analysen von Verschmutzung oder Leistungsminderung verschiedenster Solarmodule: Ein kompletter „Smart Grid Solar“ ist in Hof und Arzberg auch über drei Jahre nach Projektstart noch nicht vorhanden.
(Heinz Wraneschitz)

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