Wirtschaft

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat der Bundeswehr mehr finanzielle Mittel verschafft. Das begrüßt der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn (CSU) ausdrücklich, weil auch bayerische Unternehmen von Bundesaufträgen profitieren werden. (Foto: dpa)

28.04.2017

„Viele Firmen in Bayern profitieren“

Der Münchner Bundestagsabgeordnete Florian Hahn (CSU) über Seehofers Osteuropastrategie, Investitionen der Bundeswehr und deren neue Cyberarmee

Im Rahmen seiner Osteuropastrategie besuchte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im März mit einer Wirtschaftsdelegation Moskau. Im Mai wird er auf Einladung des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko Kiew besuchen. Wir sprachen mit Florian Hahn, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik der CSU, über die Ziele dieser Reisen und über die Wirkung der Investitionsoffensive bei der Bundeswehr auf Ausrüstungsbetriebe in Bayern. BSZ: Herr Hahn, Sie gehören landespolitischen Delegationen nicht an. Welchen Sinn sehen Sie aus bundespolitischer Sicht in solchen Besuchen, die in Berlin gern als „bayerische Nebenaußenpolitik“ kritisiert oder nur bespöttelt werden?
Hahn: Es ist wichtig, dass die Gesprächskanäle nicht abreißen. Und es ist gerade auch wichtig, dass Gespräche nicht nur von Staatsoberhäuptern geführt werden. Bayern ist seit jeher eng mit Russland verbunden und pflegt eine lange wirtschaftliche wie politische Tradition. Diese Verbundenheit lässt sich nutzen, um etwa mit Blick auf die Krim und das russische Verhalten in Syrien die deutsche Position deutlich zu machen.

BSZ: Bayerns Wirtschaft und Landwirtschaft leidet Schaden unter den Sanktionen der EU. Was konnte Seehofer Putin raten, um die Sanktionen abzubauen? Oder: Was hätten Sie ihm empfohlen?
Hahn: Ich würde dem russischen Präsidenten empfehlen, sich an den Friedensplan des Minsker Abkommens zu halten und endlich die Waffen in der Ostukraine ruhen zu lassen. Bis dahin sind die Sanktionen leider als maßvolle, aber zwingend erforderliche Antwort auf das Verhalten Russlands in der Krim und im Donbass notwendig. Würde Russland seine Auflagen aus dem Abkommen wenigstens einseitig so weit wie möglich erfüllen, könnte man die Sanktionen schrittweise lockern.

BSZ: Vorher nicht, obwohl die deutsche und bayerische Wirtschaft von den Sanktionen hart betroffen sind?
Hahn: Nein, trotzdem dürfen wir nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen zum Spielball Putins werden. Aber Russland ist unser Nachbar und wir müssen uns um eine vernünftige Kooperation mit Moskau bemühen.

BSZ: Was kann Seehofer in Kiew bewirken? Zur Befriedung der Ostukraine eine föderalistische Verfassung empfehlen – wie es Ministerpräsident Streibl vor 25 Jahren erfolglos getan hat?
Hahn: Poroschenko würde dafür keine Mehrheit im Parlament bekommen. Aber wir müssen auch gegenüber der Ukraine betonen, dass für beide Seiten Minsk-II die entscheidende Geschäftsgrundlage ist. Auch Kiew muss die Minsker Vereinbarung konsequent abarbeiten; nur so kann eine Entspannung mit Russland gelingen. Aktuell sind diese Fortschritte viel zu gering.

BSZ: Macht da eine wirtschaftliche Zusammenarbeit überhaupt irgendeinen Sinn?
Hahn: Klar leidet die Ukraine wirtschaftlich schwer unter den Folgen des Bürgerkrieges. Sie kann zwar gerade auch für die bayerische Wirtschaft interessant sein, denn Investitionen im Land werden dringend benötigt. Aber das geht nur, wenn in der Ukraine Stabilität herrscht, für Investitionen, Rechtsicherheit besteht und die Korruption stärker bekämpft wird. Wir müssen daher auf mehr Reformfortschritte drängen, die auch im Eigeninteresse der Regierung von Präsident Poroschenko liegen.

BSZ: Wie seine Vorgänger fordert US-Präsident Trump europäische Nato-Partner auf, wie vereinbart zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Die Bundeskanzlerin und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagen das zu, meinen damit aber nicht nur Rüstung, sondern auch UN-Auslandseinsätze und Entwicklungshilfe zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Wie sieht die CSU das?
Hahn: Mehr Verantwortung bedeutet für Deutschland auch mehr Ausgaben für die Sicherheit. Die konsequente Orientierung am Zwei-Prozent-Ziel ist für uns richtig. Richtig ist aber auch, dass wir mittelfristig dafür in der NATO einheitliche Kri-terien sowie die Ausweitung der Zielvorgaben brauchen. Es gilt, die Mittel parallel zu erhöhen: für militä-rische Zwecke wie auch für zivile Krisenprävention und Entwicklungszusammenarbeit.

BSZ: Ist der Druck aus den USA nicht auch dazu geeignet, alte Ziele von Franz Josef Strauß zu bestärken: Militärisch wie politisch unabhängiger von der Großmacht USA zu werden?
Hahn: Die CSU versteht die Idee einer europäischen Armee – ganz in der Tradition von Strauß –- als Auftrag, dass Europa gemeinsam ver-teidigungsfähig sein muss. Eine größere strategische Autonomie ist dringend notwendig. Oberste Priorität muss da die Stärkung der Interoperabilität haben.

BSZ: Wie soll das Ihrer Ansicht nach funktionieren?
Hahn: Wichtige Schritte dazu sind: mehr Koordination auf EU-Ebene, freiwillig engere Zusammenarbeit sowie Verflechtung von Truppen der EU-Mitglieder. Durch Koordination von verschiedenen Systemen, Techniken oder Organisationen mit gemeinsamen Standards sollen Kosten gesenkt und Waffen wie Geräte kompatibel von allen eingesetzt und bedient werden können. Das gilt auch für die betroffene Industrie. Grundsätzlich muss Europa auch im technologischen Bereich unabhängiger werden. Das hat schon Franz Josef Strauß betont.

BSZ: Der Verteidigungsetat wurde deutlich erhöht und soll weiter wachsen. Wofür braucht man so viele Milliarden zusätzlich? Macht es Sinn, diese kurzfristig in neue Rüstung zu stecken?
Hahn: Es geht ja nicht darum, den Etat von heute auf morgen zu erhöhen, sondern bi
s 2024 auf Zwei-Prozent des BIP. Die Vereinbarung dient als Orientierungsmarke. Da ist nach jahrelangen Einsparungen eine stärkere Akzentuierung der Landes- und Bündnisverteidigung wesentlich. Dafür benötigt die Bundeswehr aber ein breites Spektrum an Fähigkeiten.

BSZ: Verteidigungsministerin von der Leyen hat mit Trendwenden für mehr Personal und Ausrüstung begonnen. Wofür soll das dienen?
Hahn: Sie hat die richtigen Schritte eingeleitet. Bei der Rüstung geht es zum einen um Erhaltung des Bestandes und zum anderen darum, Geld für beste Qualität an Hersteller aus dem eigenen Land auszugeben. Davon profitieren auch viele Firmen in Bayern. Die Ausrüstung muss jedoch den Aufgaben entsprechen, wie etwa aktuell neue deutsche Korvetten zum Kampf gegen Piraten und Schleuser.

BSZ: Aber mit mehr Finanzen allein ist es nicht getan?
Hahn: Neben finanziellen Aufwüchsen sind auch strukturelle Veränderungen relevant. Die Bundeswehr muss noch attraktiver werden. Daneben müssen neue Bereiche wie für den Cyber- und Informationsraum aufgebaut werden. Klar ist jedoch: Es ist kein Problem, das Geld sinnvoll auszugeben.

BSZ: Die Verteidigungsministerin hat jetzt eine Art Cyberarmee als neuen Truppenteil installiert. Finden sie das sinnvoll?
Hahn: Ja. Bei allein 4500 Cyberangriffen am Tag auf die Bundeswehr und ernsthaften Bedrohungen für die deutsche Infrastruktur war es richtig, die neue Teilstreitkraft Kommando CIR jetzt aufzustellen. Daneben ist der neue Studiengang an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg mit elf Professuren und 70 wissenschaftlichen Mitarbeitern einmalig in Europa. Damit und der dazugehörigen Infrastruktur ist es gelungen, wichtige Rahmenbedingungen für Wehrhaftigkeit im Cyberraum zu schaffen.

BSZ: Zusammen mit dem Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn und Unterhaching soll hier ein neues Forschungs- und Kompetenz-Zentrum für Cybersicherheit entstehen. Was hat das für Auswirkungen auf Bayerns Wirtschaft?
Hahn: Das ist für uns eine große Chance. Durch Zusammenarbeit von Universität und Ludwig-Bölkow-Campus mit Sicherheitsbehörden und der bayerischen Wirtschaft entsteht mitten im Herzen Bayerns zusätzlich zu Luft- und Raumfahrt ein digitaler Nukleus mit großer Magnetwirkung. Ganz im Sinne von Strauß: früher airminded, heute auch cyberminded.

BSZ: Bei Cybersicherheit spielen auch Geheimdienste eine große Rolle. Während der rot-grünen Koalition wurde der Bundesnachrichtendienst von Pullach nach Berlin verlegt. Welche Vorteile hat das mit sich gebracht und was soll aus der Anlage in Pullach werden?
Hahn: Die Entscheidung von Ex-Bundesinnenminister Schily war nicht sachlich, sondern rein politisch begründet. Vor allem war sie falsch und mit über 1,3 Milliarden Umzugskosten zudem ein Desaster für den Steuerzahler. Glücklicherweise konnten wir mit Unterstützung des Freistaates erreichen, dass es nicht zu einem gänzlichen Umzug kommt. Es verbleiben vielmehr wichtige technische Einrichtungen in Pullach mit rund 1000 Mitarbeitern. Das ist auch ein wichtiger Anknüpfungs-punkt für die neuen Cyberaktivitäten in Neubiberg.
(Interview: Hannes Burger)

Kommentare (1)

  1. Karsten aus Freising am 28.04.2017
    Das FBI sitzt in Washington, der MI6 in London, der FSB in Moskau und der Mossad in Tel Aviv. Finden die alle logisch und normal. Aber der BND hätte nach CSU Lesart in München sitzen bleiben sollen und nicht nach Berlin gehen. Was für ein unsinniger Gedanke auch, eine BUNDESbehörde in die BUNDEShauptstadt zu verlagern, aha.
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