Wirtschaft

Manch eine Möbelhauskette verlangt bis zu elf Euro, wenn eine Buchung nicht abgeht. (Foto: dpa)

31.07.2015

Viele Firmen pfeifen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs

Extrem hohe Gebühren für Rücklastschriften

Wenn einmal eine Rechnung nicht vom Konto abgeht, müssen Kunden nicht nur mit saftigen Mahnkosten rechnen, auch für die Rücklastschriften werden oft hohe Gebühren fällig. Nach Ansicht von Gerichten und Verbraucherschützern ist deren Höhe jedoch oft nicht rechtens. Betroffen sind viele Branchen: Eine große Versicherung etwa verlangt fast zehn Euro, wenn eine Buchung nicht abgeht, bei einer großen Möbelkette werden schon einmal knapp elf Euro fällig. Ein Internetbezahldienst wollte zuletzt sogar 15 Euro pro Rücklastschrift von ihren säumigen Zahlern. Schließlich verursachten die geplatzten Buchungen „erhebliche Kosten“, so das Unternehmen. Ein Kunde, der nur ein paar Lieder bei iTunes heruntergeladen hatte, jedoch durch ein Versehen veraltete Kontodaten hinterlegte, berichtet im Internet, er habe deshalb 2014 insgesamt 60 Euro von dem Konzern an Rücklastgebühren in Rechnung gestellt bekommen.

Selbst Stadtwerke langen kräftig zu


Bei vielen Firmen spielt es keine Rolle, ob die Zahlung aufgrund eines Kontowechsels, Zahlendrehers oder einer verspäteten Gehaltszahlung nicht klappt. Auch regionale Unternehmen erheben oft Gebühren in ähnlicher Höhe: Bei einer im Großraum München ansässigen Fitnesskette werden insgesamt neun Euro fällig. „Der durch Rücklastschriften verursachte Aufwand für Personal- und Sachkosten ist enorm, da wir ja in jedem Fall prüfen müssen, von wem die Lastschrift verschuldet ist“, heißt es dort auf Anfrage.
Dabei entschied das Oberlandesgericht Hamm schon 2008, Unternehmen dürften vom Kunden nur solche Aufwendungen verlangen, mit denen sie wegen der Rückbuchung durch Dritte tatsächlich belastet werden. Schadenersatz für eigene für die Bearbeitung von Rücklastschriften anfallende Personal- und Sachkosten dürften nicht in Rechnung gestellt werden. Der Kunde müsse lediglich die der Firma durch die Rücklastschrift entstandenen Bankkosten tragen. Dies sind in der Regel nicht mehr als vier Euro, erläutert Erk Schaarschmidt, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg.
Der Bundesgerichtshof bestätigte 2009 das Urteil und diverse Oberlandesgerichte schlossen sich dieser Sichtweise in der Folge an. Rücklastschriftgebühren, die fünf Euro übersteigen, sind Schaarschmidt zufolge daher fast immer unzulässig. Und auch Rechtsanwalt Jens Ferner sagt: „Die gängige Inkassopraxis, bei der pauschale Summen jenseits der üblichen drei Euro für Rücklastschriften verlangt werden, ist nicht gerichtsfest.“ Doch selbst ansonsten sehr verbraucherfreundliche Unternehmen wie Amazon kassieren von Kunden sechs Euro an Gebühren.

Konzerne abgemahnt


Andere Firmen ignorieren die Urteile gleich ganz. Verbraucherorganisationen mahnten deshalb zuletzt mehrere Konzerne ab. Stets obsiegten dabei die Konsumentenschützer vor Gericht. 2013 hat das Oberlandesgericht Schleswig Mobilcom-Debitel untersagt, eine Gebühren-Pauschale von zehn Euro für Rücklastschriften zu verlangen. Das Gericht hielt maximal etwa sechs Euro für vertretbar. Laut dem damals klagenden Deutschen Verbraucherschutzverein hat der Mobilfunkanbieter daraufhin die Pauschale aus den Preisverzeichnissen entfernt. Der Konzern verlange pro Rücklastschrift jedoch noch immer einen Betrag von „geringfügig unter zehn Euro“, was ebenfalls rechtswidrig sei. Mobilcom betont dagegen, man habe das Urteil umgesetzt: Schließlich liege das Entgelt nun bei jedem Kunden „unterhalb von zehn Euro“.
Dabei war es erst im vergangenen Jahr Konkurrent E-Plus vom Landgericht Potsdam untersagt worden, für jede geplatzte Buchung 8,50 Euro zu verlangen. Anfang 2014 hat der Konzern deshalb den Preis auf vier Euro gesenkt. „Damit entspricht E-Plus der aktuellen Rechtsprechung“, sagt eine Firmensprecherin. Dennoch nannte ein großes kommunales Unternehmen aus Bayern Ende 2014 eine Bearbeitungsgebühr von satten fünf Euro – plus Bankkosten – bei Rücklastschriften für „rechtskonform“. Verbraucherschützer raten Kunden freilich, keinesfalls mehr als die Gebühren des Geldinstituts des jeweiligen Unternehmens sowie ein bis zwei Euro für die Bearbeitung zu bezahlen.

Oft fehlen Hinweise im Vertrag


Bei manchen Anbietern weiß der Kunde beim Unterschreiben eines Vertrags gar nicht, wie teuer es werden kann, wenn einmal eine Abbuchung platzt. Denn nicht alle Firmen machen die Entgelte für Rücklastschriften in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Preislisten transparent. So etwa Vodafone. Die Firma stellte Kunden bis 2013 im Falle einer Rücklastschrift Pauschalen von 13 Euro oder mehr in Rechnung. Man habe die Gebühr jedoch nicht bei allen Kunden in einheitlicher Höhe verlangt, argumentierte Vodafone. Der klagende Deutsche Verbraucherschutzverein ging dagegen von einer „systematischen“ Erhebung aus. Auch das Gericht folgte dieser Sichtweise. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Firma „die Rechnungen ihrer Millionen Kunden einzeln erstellen lässt“, so die Richter. Der Konzern senkte die Entgelte daraufhin auf 9,50 Euro. Nachdem die Konsumentenschützer erneut klagten, hat Vodafone die Gebühr einem Sprecher zufolge Anfang April auf fünf Euro reduziert.
Auch bei der Santander Consumer Bank findet sich in den AGB sowie den Preistabellen für die Kreditnehmer kein Hinweis auf die Höhe der Rücklastschriftkosten, die bei geplatzten Kontoabbuchungen von Kreditraten fällig werden. Das Geldinstitut berechnet dem Kunden nach eigenen Angaben bei Rücklastschriften das Interbankenentgelt sowie den „tatsächlichen mit der Rücklastschrift verbundenen Mehraufwand unserer Bank“. Die Kosten würden „einzelfallbasiert“ berechnet. „In der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle“ belaufe sich der Gesamtschaden jedoch auf 12,50 Euro. Verbraucherschützer Schaarschmidt übt deshalb Kritik. Er geht davon aus, dass die Rechtsprechung im Fall Vodafone auch auf Santander übertragbar ist. „Ein stetig und automatisiert verlangter Pauschalsatz“ von 12,50 Euro sei unwirksam. Santander bestreitet dagegen, dass das Vodafone-Urteil auch für die eigene Bank gilt. (Tobias Lill)

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