Wirtschaft

Wer bestimmte Medikamente braucht, könnte das Nachsehen haben. (Foto: dpa)

13.04.2017

Wegen Arzneimittelnotstand derzeit nicht lieferbar

In Deutschland ist die Versorgung mit Medikamenten nicht gesichert

So unbedeutend kann die Demonstration gar nicht sein, dass über sie nicht in den Abendnachrichten berichtet wird. Hauptsache sie schießt sich auf die altbekannten Politiker ein: Seehofer, Merkel und aktuell auch der grüne Landeschef Kretschmann in Stuttgart. Die Demonstranten haben eine große Chance, am Abend in der Tagesschau zu erscheinen, weil das angeblich die Bevölkerung interessiert. Ein Thema, das die Bürger tatsächlich wesentlich mehr interessieren würde, wird dagegen totgeschwiegen. Die Beteiligten müssen bezahlte Anzeigen aufgeben, um auf ihr Hauptproblem hinzuweisen.

Es geht um die schlichte Tatsache, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht gesichert ist. Ein Skandal, der eine unübersehbare Gesundheitskatastrophe nicht ausschließen kann. Wer sich bei einem Apotheker mal die Bestellliste ansehen darf, dem ergeht es fast so wie einem Flugreisenden, der beim Streik auf eine Anzeigentafel blickt. Bis zu 25 Prozent der Medikamente, die für den Markt bereitgestellt werden müssen, sind mit dem Vermerk versehen: „Derzeit nicht lieferbar“. Dies gilt vor allem für viele OTC-Angebote (rezeptfreie Angebote „over the counter“), aber auch für rezeptpflichtige Arzneien. Selbst die Suche quer durch Deutschlands Apotheken hilft nicht weiter, weil der Markt derart unübersichtlich geworden ist, dass niemand Bescheid weiß. Ein Grund dafür ist die von den gesetzlichen Krankenkassen, vor allem von der AOK, durchgepeitschte Regelung, dass die Kassen mit den Pharmaproduzenten jeweils eigenständige Verträge abschließen können. Und so müsste der Großhandel ein unüberschaubares Warenlager vorhalten. Den Kassen geht es darum, bei anderen zu sparen, um ja nicht in die Lage zu geraten, Zusatzbeiträge erheben zu müssen. Dies käme einer der Völkerwanderung ähnlichen Flucht der Versicherten gleich.

Einst war Deutschland die Apotheke der Welt


Nun könnte man meinen, die Herstellung von Arzneimitteln in Deutschland könne ja so kompliziert nicht sein, ein akuter Mangel ließe sich schnell ausgleichen. Das ist längst vorbei. Einst war Deutschland die Apotheke der Welt. Viele bahnbrechende Innovationen und berühmte Nobelpreisträger zierten das Land. Heute ist Deutschland auf diesem Gebiet ein Staat, vielleicht vergleichbar noch mit Bangladesh oder Indien. Von dort nämlich kommen die meisten unserer Medikamente. Was in indischen Garküchen oder in baltischen Schmuddelecken zusammengebraut wird und in einer schönen deutschen Verpackung zum Verkauf kommt, ist letztlich ein Betrug am Kunden. Arzneimittel lassen sich praktisch kaum kontrollieren, denn man müsste jede Schachtel und jeden Blister einzeln testen. Ein Aberwitz.

Da macht sich die Bundesregierung Sorgen, ob die Bevölkerung für einen denkbaren Dritten Weltkrieg genügend Wasser bereithält. Doch wer garantiert, dass im Katastrophenfall jeder seine gewohnten Medikamente erhält? Der Weg zu den bisherigen Arzneimittelherstellern ist sicherlich versperrt und die Gesundheitsversorgung gerät in höchste Gefahr. Ein Thema, das sich die Mainstream-Presse durchaus einmal vornehmen könnte. Aber Apotheken passen nicht ins Bild. Noch geistert die Fama herum, sie seien eine Goldgrube in der Westentasche. Diese Zeiten sind vorbei, eine gutgehende Apotheke bringt heute dem Besitzer in etwa das Gehalt eines leitenden Angestellten. Hinzu kommen Nacht- und Sonntagsdienste. Und zum Jahresende heißt es dann: Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft – der Apotheker wacht.

Krankenkassen schweigen


Die Berufsvereinigungen haben mit allen soliden Angeboten an die Medien versucht, dieses Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn es kann einen schon gruseln, dass dieser desolate Vertriebsweg die Krankenkassen, die sich sonst zu jedem Thema äußern – nicht aufregt. Das Bundesgesundheitsministerium spielt eine ebenso trostlose Rolle. Man kennt das Problem, vertröstet die Apotheker und hofft im Stillen, dass die EU diesen Zustand heilig spricht. Schon im Blick auf die drei baltischen Mitgliedsstaaten, besonders beliebte Pillenpanscher, ergibt sich eine Mehrheit in der EU, die Deutschland alleine stehen lässt. Die geschilderte Tatsache fügt sich ein in eine ganze Reihe weiterer staatlicher Schikanen gegen die Apotheker. So ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Apotheken schließen, vor allem in strukturschwachen Regionen.
(Karl Jörg Wohlhüter)

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