Wirtschaft

Damit der EU-Binnenmarkt funktioniert, wird vieles in Brüssel geregelt. Aber Bayern und Deutschland können durchaus wirtschaftspolitisch gestalten. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

22.03.2024

Wer wofür zuständig ist

Europawahl und Wirtschaftspolitik: EU, Deutschland und Freistaat haben unterschiediche Gestaltungsmöglichkeiten

Die Europawahl steht vor der Haustür und viele denken, dass Bayern eh nichts zu melden hat. Wir fragten beim bayerischen Wirtschaftsministerium nach, welche Gestaltungsspielräume der Freistaat trotz EU-Ebene hat. Es hat das gesamte Kompetenzgefüge zwischen Europäischer Union (EU), Bundesrepublik Deutschland und Freistaat Bayern aufgedröselt. Die Zusammenhänge sind in verschiedenen Rechtsdokumenten niedergelegt. Die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Spielräume sollten insbesondere auch in der Zusammenschau mit den EU-Erweiterungen und Vertragsänderungen der Europäischen Verträge gesehen werden. Für die Kompetenzordnung und die Erweiterungsgeschichte der EU wird auf die einschlägigen Seiten der EU verwiesen.

1. Wie viel Kompetenzen hat die EU in der Wirtschaftspolitik?

Die EU nimmt im Bereich der Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle ein und besitzt hier verschiedenste Zuständigkeiten. Diese ergeben sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A12016ME%2FTXT.

So verfügt die EU beispielsweise in den Bereichen der Wettbewerbspolitik, der Handelspolitik sowie der Währungspolitik über eine ausschließliche Zuständigkeit.

Zudem bestehen u.a. in den Bereichen der Umweltpolitik, des Verbraucherschutzes, der Energie und des Binnenmarkts etwa geteilte Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der EU. Die Mitgliedstaaten können innerhalb der geteilten Zuständigkeit dann tätig werden, wenn und soweit die EU ihre Zuständigkeit nicht ausübt bzw. entschieden hat, ihre eigene Zuständigkeit nicht auszuüben (vgl. Art. 4 AEUV).

In bestimmten Bereichen hingegen kann die EU die Maßnahmen der Mitgliedstaaten lediglich unterstützen, koordinieren oder ergänzen. Beispielhaft besitzt die EU eine unterstützende Zuständigkeit in den Bereichen der öffentlichen Gesundheit, des Tourismus oder der Industrie (vgl. Art. 6 AEUV).

Eine besondere Zuständigkeit ist u.a. in den Bereichen der Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik oder der Festlegung und Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (vgl. Art. 24 AEUV) gegeben.  

2. Welchen Gestaltungsspielraum hat Deutschland noch?

Die Bundesrepublik Deutschland wirkt als einer von 27 Mitgliedstaaten der EU bei der europäischen Gesetzgebung mit.

Zunächst ist hier der Europäische Rat zu nennen, der die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU festlegt. Die Mitglieder des Europäischen Rates sind u.a. die Staats- und Regierungschefs der EU‑Mitgliedstaaten (so auch die Bundesrepublik Deutschland).

Dem Rat der EU (sogenannter EU-Ministerrat) – als weiteres Organ der EU – obliegen unter anderem Abstimmungen und Verabschiedungen von EU-Rechtsvorschriften gemeinsam mit dem Europäischen Parlament (EP) auf Grundlage von Vorschlägen der Europäischen Kommission. Ihm gehören die jeweiligen Fachministerinnen und Fachminister der EU-Mitgliedstaaten an (so auch die Bundesrepublik Deutschland).

Das Europäische Parlament – als direkt gewähltes Organ in der EU – setzt sich derzeit aus 705 Abgeordneten zusammen. Deutschland stehen gegenwärtig 96 Sitze zu.  

Im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens sind die beiden gesetzgebenden Organe der EU, der Rat und das EP, gleichberechtigt eingebunden.

Unbenommen davon verbleiben zahlreiche Bereiche der Gesetzgebung in der ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, wie etwa die Steuer-gesetzgebung oder die Arbeitsmarktregulierung.

3. Welchen Gestaltungsspielraum hat Bayern noch? Das Beihilferecht schränkt doch alles sehr stark ein.

Während sich die Europäischen Verträge primär an die Mitgliedstaaten richten, wird das Zusammenwirken im innerstaatlichen Gefüge zwischen Bund und Ländern durch das Grundgesetz und das „Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union“ bestimmt.

Die Rechte des Bundesrates in den Angelegenheiten der EU reichen von der Möglichkeit, Stellungnahmen zu allen EU-Vorlagen abzugeben, die Länderinteressen berühren, über die Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern in den Rat der EU (siehe Antwort 2) bis hin zu einem umfassenden Informationsanspruch.

Der Bayerische Landtag besitzt ebenso Möglichkeiten, auf EU-Vorhaben Einfluss zu nehmen. So erlaubt das sog. Frühwarnsystem der Subsidiaritätsrüge dem Bayerischen Landtag über die Bayerische Staatsregierung und den Bundesrat Entwürfe von EU-Rechtsakten auf Einhaltung der EU-Zuständigkeit und des Subsidiaritätsprinzips zu überprüfen.

Ausschuss der Regionen: Hervorzuheben ist zudem der Europäische Ausschuss der Regionen, der die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europas als beratende Einrichtung auf EU-Ebene vertritt. Auch der Freistaat Bayern ist im Europäischen Ausschuss der Regionen formal vertreten.

Mit der Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union besteht eine weitere Schnittstelle zwischen Bayern und Brüssel. Zum einen informiert die Vertretung die Bayerische Staatsregierung, den Bayerischen Landtag, die Staatsverwaltung sowie bayerische Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger über Entwicklungen auf EU-Ebene. Zum andern nimmt sie Einfluss auf die politische Willensbildung in der EU, wirkt beratend und unterstützend bei der Kontaktaufnahme mit EU-Stellen und arbeitet mit anderen europäischen Regionalvertretungen zusammen.

Beihilferecht: Das Europäische Beihilferecht, das für ein level playing field für die Unternehmen im Europäischen Binnenmarkt und damit primär einem fairen Wettbewerb dient, der nicht durch die ungeregelte Förderung von Unternehmen durch die Mitgliedstaaten verzerrt werden soll, ist seit 1957 unverändert im Primärrecht der Europäischen Union verankert. Die Europäische Kommission ist allein zuständig, Beihilfen nach Anmeldung durch die Mitgliedstaaten für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären. Mit Ermächtigung des Rates hat die Europäische Kommission immer mehr Beihilfen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei bzw. Genehmigung durch die Europäische Kommission freigestellt und die Gestaltung der Förderlandschaft in die Verantwortung der Mitgliedstaaten gegeben. Dies geht allerdings mit steigenden Mitteilungs- und Transparenzpflichten, d.h. mehr Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten, einher.

Während der Corona-Pandemie und der zu Beginn des Ukraine-Krieges entstandenen Ukraine-Krise hat das Beihilferecht über die Schaffung von befristeten Krisenrahmen Handlungsfähigkeit bewiesen. Zugleich sind die Schwächen in einer gewandelten globalen Welt, in der außerhalb der EU die strengen Regelungen des EU-Beihilferechts nicht gelten, offenbar geworden. Es wird die Herausforderung der neuen Kommission sein, das Europäische Beihilferecht so fortzuentwickeln, dass Europas Industrie wettbewerbsfähig bleibt und Unternehmen in der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft in geeigneter Weise unterstützt werden. Zugleich muss die EU auf Subventionen außerhalb der EU eine geeignete Antwort finden, ohne das level playing field und damit den offenen Binnenmarkt als die große Errungenschaft der EU im Innern zu gefährden.
(BSZ)

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