Wirtschaft

Nur Güter per Binnenschiff auf der Donau zu transportieren reicht nicht. CSU-Europapolitiker Manfred Weber will die Donauachse zu einem stärkeren gemeinsamen Wirtschaftsraum weiterentwickeln. Daraus können seiner Ansicht nach für Bayern Vorteile erwachsen. (Foto: dpa)

23.03.2018

Wirtschaftliche Brücken bauen

CSU-Europapolitiker Manfred Weber wirbt für mehr Dialog mit Osteuropa

Als Vorsitzender der EVP im Europaparlament und Stellvertretender Parteivorsitzender der CSU gehört Manfred Weber zu den Spitzenpolitikern seiner Partei mit ressortübergreifendem Einfluss auch auf die Außenpolitik mit vielen internationalen Kontakten. Politiker der CSU haben zwar mehrmals das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit internationalem Ansehen geführt, aber noch nie einen Bundesaußenminister gestellt. Seit langem hat die CSU keinen namhaften Außenpolitiker mehr. Ihr außenpolitisches Engagement entspricht nicht der eigenständigen Rolle, in der Bayern in weiten Teilen der Welt wahrgenommen wird. Auf die Frage, ob er dieses Defizit der CSU von Brüssel her ausgleichen kann, wehrt Manfred Weber ab: „Nein, meine Rolle ist klar: Ich bin Chef der größten Fraktion im Europäischen Parlament. Das ist als gleichberechtigter Gesetzgeber ein wesentlicher Faktor für die Europapolitik. Wir CSU-Abgeordneten dort sind quasi die Europa-Abteilung unserer Partei. Mein Alltag sieht daher in erster Linie so aus, dass ich mit den Staats- und Regierungschefs der europäischen Staaten Kontakte halte und Gespräche über die aktuellen Fragen führe wie vor kurzem wieder am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.“

Außenwirtschaftspolitik und Exportförderung


Die direkten Auslandsbeziehungen Bayerns wurden meist von den Ministerpräsidenten oder CSU-Chefs politisch angeführt, aber vorwiegend im Interesse von Außenwirtschaftspolitik und Exportförderung von Wirtschaftsministern oder Beamten wahrgenommen. Nun ist aber CSU-Chef Horst Seehofer mit der deutschen Innenpolitik voll ausgelastet und der designierte Ministerpräsident Markus Söder hat vorerst mit Landtagswahl und zweimal Regierungsbildung zuhause genug zu tun. Bayern hat größeres Ansehen in Europa und der Welt als die meisten Bundesländer, aber welche Rolle kann es da künftig noch spielen?

„Bayern ist traditionell in seiner europäischen Rolle etwas Besonderes – von seiner Geschichte, seiner Größe, seiner Wirtschaftskraft mit Tradition und Fortschritt, sowie seinem konsequenten Föderalismus,“ sagt Weber und betont dazu: „Aber auch die konstante politische Rolle der CSU in Bayern seit 1946 ist etwas, das man nicht unterschätzen sollte!“ Dass Bayern etwas Besonderes in Europa ist, sieht CSU-Vize Weber „auch darin versinnbildlicht, dass wir Bayern eine sehr repräsentative eigene Vertretung in Brüssel haben, die auch die Größe, Stärke und Gestaltungskraft dieses Freistaates unterstreicht.“

Divergierende Interessen ausgleichen


In seiner EVP-Fraktion muss Weber Abgeordnete aus allen christlichen und konservativen Parteien der EU zusammenhalten und divergierende Interessen ausgleichen. Daher neigt er nicht zu bavarozentrischer Kraftmeierei wie viele seiner Parteifreunde im Landtag. Dennoch fehlt es dem in Europa diplomatisch auftretenden Niederbayern nicht an Selbstbewusstsein: „Bayern und wir von der CSU haben den Anspruch, europäische und internationale Politik nicht nur in Berlin und über Berlin zu beeinflussen, sondern eigenständig, somit auch direkt in Brüssel und Straßburg.“

Die wichtigste historische Aufgabe Bayerns ist seiner Ansicht nach auch seine heutige Rolle: der Brückenbau in Europa, vor allem in Richtung Osten und Südosten. „Die besonderen Akzente, die Horst Seehofer da in Richtung Mittel- und Osteuropa gesetzt hat, die bleiben auch.“ Dazu zählt Weber die späte Normalisierung mit Tschechien, die ständigen Kontakte zu Orban nach Ungarn und ebenso die Gespräche mit Präsident Putin in Moskau. „Bayern und Russland haben ein besonderes Verhältnis unter ungleichen Partnern, das sich sehr positiv auf unsere Wirtschaft auswirkt“, sagt Weber: „Deshalb war es auch richtig und bleibt wichtig, dass Horst Seehofer den direkten Dialog mit Russland aufrecht erhalten hat.“

Wer in der CSU diese Kontakte künftig mit angemessenem politischen Gewicht weiter pflegen soll, weiß Weber auch nicht. Er hofft aber, dass Ministerpräsident Söder auch in der Osteuropa-Strategie Seehofers Nachfolge antreten wird. Im Dialog mit Russland sieht Weber nicht seine vordringliche Aufgabe, sondern will Interessenkonflikte mit Polen und Balten vermeiden: „Ich habe in meiner Fraktion im Europäischen Parlament die Aufgabe, Interessen auszugleichen. Derzeit ist es ja Russland, das von der Ukraine bis Syrien Krieg führt und im UN-Sicherheitsrat blockiert.“

„Bayern darf sich nicht unterschätzen“


Die Sanktionen gegen Russland wie gegen Iran und Nordkorea machen ebenso wie der von den USA angedrohte Handelskrieg gegen Europa derzeit deutlich, wie wenig sich Wirtschafts- und Außenpolitik trennen lassen. Über die Europapolitik hinaus sieht Manfred Weber da weder eine Aufgabe Bayerns noch ein personelles Defizit der CSU: „Bayern darf sich nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen; beides gehört zusammen. Wir können keine internationalen Vermittlerrollen übernehmen, sondern nur Beiträge dazu leisten.“ Allerdings ist der CSU-Vize überzeugt, „dass wir in der CSU wieder stärker über internationale Fragen reden müssen.“ Unabhängig von einer aktiven Rolle Bayerns: „Das eine ist, dass wir uns um Bayern kümmern und da eine super Bilanz vorzulegen haben: Im europäischen Vergleich steht Bayern sehr gut da. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass große internationale Entwicklungen – im Nahen Osten, in Amerika, Russland, China, auch Nordkorea – schnell Einfluss auf unser Leben in Bayern nehmen können. Vor allem dafür brauchen wir Europa!“

Nach aktueller Stimmungslage ist allerdings ein Jahr vor der Europawahl von Begeisterung für die EU weder in der CSU noch in der Bevölkerung etwas zu sehen. Sorgen vor weiterer Vergemeinschaftung südeuropäischer Staatsschulden durch die neue Bundesregierung sind ebenso groß wie Bedenken vor der nächsten Ausweitung der EU auf Balkanstaaten, die mehr an freiem Zugang in Sozialsysteme und Fördergeldern aus Brüssel interessiert sind als an europäischen Werten. Doch Weber beruhigt: „Auf absehbare Zeit wird es keine Erweiterung der Europäischen Union geben, weil wir erst den Bestand sichern müssen. Das haben wir nach der Eurokrise so erlebt und auch nach der Osterweiterung.“

Als ranghoher Vertreter des Europaparlaments will Weber aber reinen Wein einschenken und keine Illusionen wecken: „Man muss aber auch klar sagen: Staaten die innerhalb Europas liegen, brauchen grundsätzlich die Perspektive, Mitglied der EU zu werden. Da gehört auch der westliche Balkan mit dazu. Ich kann nur davor warnen, einfache Antworten zu geben. Der Balkan war schon immer in der Geschichte ein Unruheherd und hat viele negative Entwicklungen hervorgebracht. Darum muss es uns das wert sein, den Balkan endlich zu stabilisieren und den Menschen dort eine Perspektive zu geben. Aber auf Basis von Kriterien, nicht von festgelegten Jahreszahlen.“

„Miteinander reden, nicht übereinander“


Was osteuropäische EU-Mitglieder von Solidarität halten, haben sie seit Jahren in der Flüchtlingspolitik gezeigt. Manfred Weber weiß, wie wenig seine eindringlichen Mahnungen bewirkt haben. Zur Abwehrhaltung der Visegrad-Staaten gegen Verteilung nur weniger Flüchtlinge kommen noch Gesetze zum Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hinzu, die nicht gerade Optimismus für Europa auslösen. Aber überhebliche Belehrungen, Beschimpfungen oder Drohungen gegen Polen, Österreich oder Ungarn aus Parteien in Berlin helfen nach Webers Ansicht nichts.

„Ich glaube, dass die CSU in Bayern das richtig praktiziert: miteinander reden, nicht übereinander. Dass zum Beispiel nicht Deutschland über Polen urteilt, weil wir alles besser wissen, sondern dass man einander zuhört, sich gleichwertig behandelt. Wir sind heftig kritisiert worden, weil wir Orban mehrmals zur CSU eingeladen haben! Ich glaube aber, dass das Reden miteinander richtig ist. Die Partei Viktor Orbans ist Teil der Europäischen Volkspartei. Da gibt es eine Reihe von strittigen Punkten und Kritikpunkten, wo wir sicher nicht einer Meinung sind. Aber man löst die Probleme nicht, indem man nicht miteinander redet oder solche Länder einfach ausgrenzt, denn Europa lebt ja von Kompromissen.“

Europas Grundwerte sind nicht verhandelbar


Daher erwartet Weber auch von allen, dass sie kompromissbereit sind: „Niemand kann sagen: Nur mein Weg ist richtig! Darum muss ich auch von anderen Mitgliedern wie zum Beispiel Viktor Orban erwarten, dass sie in der Flüchtlingspolitik in Europa gemeinsam Verantwortung übernehmen und nicht einfach sagen: Das geht mich nichts an. Es gibt aber auch Fragen, bei denen es keine Verhandlungsmasse gibt: Die staatlichen Fundamente, die uns in Europa auszeichnen, wie Demokratie, Unabhängigkeit der Justiz, Rechtsstaatsstaatsprinzip, sind nicht verhandelbar!“

Darum habe er es begrüßt, „dass das Europäische Parlament ein Rechtsstaatsverfahren über Polen eröffnet hat“, sagt Weber: „Ich habe am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem polnischen Premierminister ein Gespräch gehabt und auf seine Rede genau aufgepasst. Da hatte ich den Eindruck, dass sich bei der neuen polnischen Regierung zumindest der Ton etwas ändert. Es gibt erste Signale von Bereitschaft zu Partnerschaft und Kompromissen. Aber jetzt kommt es halt auf die Fakten an.“

Die EU bietet viele wirtschaftliche Vorteile


Einen Rückfall in Konflikte aus nationalistischem Egoismus zu verhindern und die Rolle Europas in der Weltpolitik gemeinsam zu stärken wird nach Ansicht Manfred Webers in der bayerischen und deutschen Bevölkerung durchaus als wichtiger Gegenwert zu den Beitragszahlungen anerkannt. Gerade jetzt, wo nur die EU der Trump-Regierung Paroli bieten kann. Dagegen würden die wirtschaftlichen Vorteile in der EU von der Bevölkerung noch zu wenig gewertet. Weber: „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit über die Grenzen in Europa bringt allen wesentliche Vorteile. Gerade im ostbayerischen Grenzland haben wir in den letzten 20 Jahren erlebt, wie wertvoll Europa ist. Da haben alle stark von den europäischen Förderungen profitiert, denn da geht es den meisten heute besser als vorher.“

Weber weist darauf hin, dass Bayern und auch seine Heimat in Niederbayern eine Exportregion mit über 50 Prozent Exportanteil sind: „Davon geht ein großer Teil auch in den ost-, süd- und südosteuropäischen Raum.“ Bei der Grenzöffnung sei noch befürchtet worden, wegen Billigprodukten aus Osteuropa könnten bei uns Arbeitsplätze verloren gehen. „Das Gegenteil ist der Fall!“ stellt Weber fest: „Die Nachbarn im Osten wollen gern unsere Qualitätsprodukte, auch aus der Landwirtschaft. Darum haben sich neue Chancen und große wirtschaftliche Potenziale aufgetan. Der Wohlstand in Bayern und alles, was an sozialen Sicherungssystemen dranhängt, wäre heute ohne die EU so nicht denkbar.“

Den verbreiteten Bedenken gegen EU-Mitgliedsstaaten, aus denen billige Arbeitnehmer und Zuwanderer in deutsche Sozialsysteme zu erwarten sind, hält Weber entgegen: „Wir haben uns in der EU entschieden, dass die Menschen frei ihren Wohnort aussuchen können, also nicht wir Politiker, sondern jeder selbst entscheiden kann, wo er leben und arbeiten will. Damit müssen wir leben, da würde ich keine Abstriche machen. Davon profitieren wir auch in Bayern – gerade was die Fachkräfte betrifft.“

Speziell im Bereich von Medizin und Pflege, auch in der Gastronomie und im Tourismus würde es nach Ansicht Webers „ohne die Fachkräfte aus Osteuropa lichterloh brennen.“ Das bedeutet jedoch, dass sie dort fehlen und die Herkunftsländer wirtschaftlich schwächen. Weber: „In den Staaten, wo qualifizierte junge Leute weggehen, entstehen neue Probleme. Deshalb ist auch Solidarität wichtig. Wenn wir über Europa reden, meinen wir vorwiegend den Markt, Export, Banken und unser Geld, den Euro. Die Wirtschaft ist ja wichtig, aber ich glaube wir müssen in den nächsten Jahren Europa auch ein soziales Gesicht geben und auch mehr über die Identität Europas sprechen.“

Gegen Lohn-Dumping innerhalb Europas vorgehen


Als Beispiel führt Weber das Lohn-Dumping innerhalb Europas an: „Dagegen haben wir im Europäischen Parlament gerade ein Gesetz beschlossen, die sogenannte Entsende-Richtlinie. Diese bedeutet, dass künftig allen Arbeitnehmern für die gleiche Arbeit am gleichen Ort der gleiche Lohn gezahlt werden muss. Da bin ich sehr dafür, dass dieses Prinzip jetzt gesetzgeberisch umgesetzt wird, um soziale Mindeststandards in Europa zu erreichen.“

Manfred Weber war mit dabei als Ministerpräsident Seehofer in Banz „ein neues mitteleuropäisches Bündnis“ angekündigt hat, „mit dem wir die Handelsbeziehungen vertiefen wollen.“ Darin sieht Weber einen weiteren Schritt in der historischen Rolle Bayerns als Brückenbauer von West- nach Ost- und Südosteuropa: „Da geht es darum, das Innere Europas nicht zu spalten, sondern wirtschaftlich und politisch zusammenzuhalten mit Bayern, Österreich und den Visegradstaaten Tschechien, Slowakei, Ungarn und so entlang der Donauachse.“

Donauachse zu einem Wirtschaftsraum machen


Der politische Rechtsrahmen dazu werde in Europa auf Brüsseler Ebene gemacht. Weber freut es, dass Horst Seehofer diese Initiative gestartet und von Bundeskanzler Kurz und Ministerpräsident Orban bereits Zusagen bekommen hat, dies aufgreifen zu wollen: „Wenn wir die Donauachse zu einem stärkeren gemeinsamen Wirtschaftsraum weiter entwickeln, können daraus für Bayern nur Vorteile erwachsen. Daher appelliere ich an die bayerischen Landespolitiker, diesen mit Seehofers Osteuropa-Strategie begonnenen Brückenbau jetzt auch weiterzuführen!“
(Hannes Burger)

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