Kommunales

Wer Schulden hat, der steht immer öfter gleich richtig in der Kreide – mit Schufa-Eintrag, Privatinsolvenz und Gerichtsvollzieher. Durchschnittlich weist jeder Schuldner Verbindlichkeiten von etwa 30 000 Euro auf. (Foto: dpa)

05.12.2014

Immer mehr Münchner sind pleite

Trotz guter Konjunktur, Mindestlohn und Mietpreisbremse: Die Zahl der Schuldner wird vor allem in Großstädten nicht weniger – im Gegenteil

Die seit längerem konstant niedrigen Zinsen machen sich nun auch in der Sozialpolitik bemerkbar. Sparen lohnt nicht, dafür sind Kredite so günstige wie noch nie. Also wird entsprechend konsumiert. Doch immer mehr Menschen können anschließend ihre Raten nicht mehr bedienen. Die Schuldnerberatungen der großen Städte sind voll, fast jeder zehnte erwachsene Deutsche steht finanziell in der Kreide – durchschnittlich mit rund 30 000 Euro.
Philipp Ganzmüller verdient mit verschuldeten Menschen sein täglich Brot. Der geschäftsführende Gesellschafter des Münchner Unternehmens Creditreform überprüft die Kreditwürdigkeit von Personen und treibt als Inkassounternehmer ausstehende Beträge ein. Quasi als „Abfallprodukt“ dieser Tätigkeit sammelt seine Firma seit zehn Jahren bundesweit Daten über die deutsche Schuldnerquote, seit drei Jahren auch speziell für die Stadt München.
„Sparen macht keinen Sinn mehr“, ist der Firmenchef überzeugt. Inzwischen wird ja sogar – auch wenn Banken zumindest gegenüber Privatkunden derzeit noch eilfertig das Gegenteil versichern – über so genannte Negativzinsen nachgedacht. Im Gegenzug sind Kreditzinsen so günstig wie noch nie. Im Klartext: Wer sein Geld nicht investiert oder auch nur schlicht verjubelt, sondern spart – jahrelang nahezu eine deutsche Tugend –, der soll fortan dafür bestraft werden. Paradox: Die gute Arbeitsmarktlage fördert die Verschuldung sogar.
Und wenn Schulden, dann richtig. „Die Mehrzahl der überschuldeten Münchner weist mittlerweile eine hohe Überschuldungsintensität auf“, erläutert Ganzmüller seine Ergebnisse. So gibt es beispielsweise mehrere gerichtliche Negativeinträge. Die Zahl der Betroffenen erhöhte sich binnen eines Jahres von 53 000 auf 55 000 Personen, was einem Anstieg von 4,03 Prozent entspricht. So genannte weiche Überschuldungsmerkmale – etwa ein Konto, das ständig im Minus ist – werden beim gleichen Personenkreis durch harte Merkmale abgelöst: Schufa-Eintrag, Offenbarungseid, Privatinsolvenz. Eine neue Rechtslage führt dazu, dass entsprechende Einträge auch schneller erfolgen.

Risikofreudigere Frauen


Am heftigsten ging es dabei zuletzt im Stadtteil Ramersdorf zu gange. Nirgendwo in der Landeshauptstadt stieg die Schuldnerquote stärker. Aktuell sind in dem Viertel 10,37 Prozent der erwachsenen Einwohner überschuldet. Im Hasenbergl, wo immer noch die meisten Schuldner wohnen, sank die Quote zwar etwas, liegt aber immer noch bei 15,41 Prozent.
Männer hauen die Kohle zwar noch immer leichtfertiger raus als Frauen, aber die Frauen werden ebenfalls risikofreudiger, bei ihnen stieg die Schuldnerquote deutlich. Vor allem betroffen sind Frauen in der Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen – primär mit nicht bezahlten Textilien-Bestellungen aus dem Internet. „Zalando lässt grüßen“, unkte Philipp Ganzmüller. Verschärft hat sich das Verschuldungsproblem auch bei den Menschen unter 30 Jahren.
Klaus Hofmeister ist Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatung beim Sozialreferat der Landeshauptstadt und er hat angesichts dieser Zahlen gut zu tun. Als wichtigsten Grund, um in die Schuldenfalle zu tappen, macht er weiterhin – wie seit Jahren – die fehlende finanzielle Kompetenz vieler Menschen aus, sprich, das Auskommen mit dem Einkommen gelingt einfach nicht. Gleich danach folgen aber die Schicksalsschläge: Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit – wiewohl der letzte Grund dank der guten Konjunktur leicht zurückgeht. „Besonders in München spielen Wohnungsknappheit und die explodierenden Mietpreise, aber auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten und die rasant steigenden Energiepreise eine wichtige Rolle“, erläutert Hofmeister. „In der Landeshauptstadt reicht eine Vollzeitstelle mit einem niedrigen oder auch mittleren Einkommen zum Leben und Wohnen immer häufiger nicht mehr aus.“
Aus seiner Sicht wird daran auch der Mindestlohn nichts ändern.
Die Landeshaupstadt hat immerhin noch genug Geld für präventive und vor allem kostenlose Maßnahmen, etwa in Schulen, Kitas oder Senioreneinrichtungen. „Dort informieren wir unter anderem über konsumbewusste Erziehung von Kindern, über teure Internetfallen oder die Abzocke bei Haustürgeschäften“, erläutert der Abteilungsleiter. In anderen Städten, vor allem in Nordbayern, müssen diese Leistungen häufig von Ehrenamtlichen der Kirchen erbracht werden – was meist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. (André Paul)

Kommentare (2)

  1. Roland am 08.12.2014
    Richtig, darum hebe ich mein Geld, dass ich am Monatsanfang nicht brauche
    sofort ab. Denn für Null Zins brauch ich auch Null Bank.
  2. Susi am 05.12.2014
    Nicht nur in München, auch in den umliegenden Landkreisen grassiert die Vermögenslosigkeit.
    Die Gerichtsvollzieher müssen schon bei geringen Forderungen dem Schuldner
    die eidesstattliche Versicherung abnehmen, was zur Folge hat, dass sich die Schuldnespirale
    immer schneller dreht.
    Die immer mehr steigenden Mieten in den Flugahafengemeinden tun ein übriges, dem Bürger
    dem das Wasser eh bis zum Halse steht, den Boden unter den Füßen wegzureißen.
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