Kommunales

Ein ermäßigter Freibadbesuch ist häufig Teil der Sozialcards. (Foto: DPA)

04.04.2014

Wenn die Stadt den Schwimmbadeintritt zahlt

Immer mehr Bürger sind auf Sozialcards angewiesen

Eintrittspreise für Museen und Schwimmhallen aber auch die Ticketpreise für den öffentlichen Nahverkehr steigen in vielen bayerischen Städten seit Jahren und werden so für immer mehr Bedürftige unerschwinglich. Damit sich aber auch arme Menschen die Teilhabe am sozialen Leben leisten können, führen viele Kommunen Sozialpässe ein.
Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zum Beispiel gibt es seit Juli 2008 eine Sozialcard. Der Arbeitskreis Armut im Landkreis, der aus den Wohlfahrtsverbänden und dem Sozialamt besteht, gab den Anstoß dazu. Arbeitnehmer der unteren Lohngruppen, ALG 2-Bezieher und Menschen mit Mini-Rente können die Karte beantragen. Seit 2008 wurden fast 3000 Sozialcards in Umlauf gebracht. Einkaufsmöglichkeiten wie Tafeln und weitere Vergünstigungen für Menschen mit geringem Einkommen gab es zwar schon vorher. Diese wurden in der Sozialcard zusammengeführt.
Der Gedanke hinter der Initiative: Bedürftige sollen nicht nur mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden, sondern auch kulturell teilhaben können. Inhaber der Card ist es darum zum Beispiel auch möglich, das Stadtmuseum und die Bücherei von Bad Tölz kostenlos zu besuchen. Auch der Eintritt ins Heimatmuseum der Stadt Wolfratshausen kostet für Karteninhaber nichts.
Familien, die in der Gemeinde Geretsried nicht viel Geld haben, können sowohl die Sozialcard des Landkreises als auch den 2006 eingeführten Familienpass der Stadt in Anspruch nehmen. „Der Pass soll das Zusammenleben von Eltern und Kindern durch gemeinsame Erlebnisse fördern“, erläutert Stadtjugendpflegerin Sonja Schütz. Besonders Alleinerziehende können sich nach ihren Angaben zahlreiche Kultur- und Freizeitangebote nicht leisten. In Geretsried leben Schütz zufolge über 600 Kinder und Jugendliche bei Alleinerziehenden. Über 250 junge Kinder gehören einer Hartz IV-Bedarfsgemeinschaft an.
Sich einmal für wenig Geld etwa beim beliebten Hofgarten-Kabarett amüsieren, das ist Inhabern des Aschaffenburger Kulturpasses möglich. Passinhaber zahlen hier, ebenso wie bei Konzerten des Kammerchors Ars Antiqua, nur die Hälfte. Rund 6500 Aschaffenburger könnten den 2006 in Umlauf gebrachten Kulturpass beanspruchen, informiert Harald Menzel, der das Amt für soziale Leistungen in der unterfränkischen Kommune leitet. Und die Nachfrage steigt: 2010 gab es laut Stefan Jäger vom Bürgerservicebüro knapp 1000 Pässe, 2014 sind es bereits über 1100. Mit dem Pass kann man auch in der Aschaffenburger Kunsthalle zum halben Preis flanieren. Ins Theater geht es ebenfalls günstiger. Der Name „Kulturpass“ sei allerdings irreführend, so Menzel: „Eigentlich handelt es sich um einen Sozialpass.“ Schließlich gibt es auch Tages- und Monatskarten für die Aschaffenburger Busse zum halben Preis.
Kinder aus bedürftigen Familien, die in der Musikschule Fürth ein Instrument lernen wollen, erhalten mit dem Fürth-Pass auf Anfrage eine Ermäßigung. Neben der Musikschule beteiligen sich neun weitere private Kultur- und Sportanbieter beim Preisnachlass via Sozialpass. Außerdem gibt es Rabatte bei öffentlichen Kultureinrichtungen wie dem Jüdischen Museum Franken oder der Volkshochschule. Auch 14 örtliche Apotheken gewähren Passbesitzern bis zu 20 Prozent Rabatt auf Arzneimittel. Rund 2230 Fürther sind laut Pressesprecherin Susanne Kramer im Besitz des Sozialpasses. Berechtigt wären allerdings nach Schätzungen der Stadtverwaltungen etwa 11 000 Männer und Frauen.

Jeder Mensch hat auch
ein soziokulturelles Existenzminimum


Wer im unterfränkischen Schweinfurt einkommensschwach ist, soll ebenfalls bald in den Genuss vergünstigter Kulturangebote kommen: Hier entsteht im Augenblick eine so genannte Kulturtafel. Die Resonanz auf die Idee sei sehr positiv, so Jochen Keßler-Rosa, stellvertretender Leiter des Projekts. Viele Institutionen seien bereit, die neue Initiative zu unterstützen, zum Beispiel das Theater Schweinfurt, das Fränkische Theater Schloß Maßbach und die Schweinfurter Kulturwerkstatt Disharmonie.
Auch in Schweinfurt unterschreitet das Einkommen oft das soziokulturelle Existenzminimum, heißt es beim evangelischen Pfarramt. Viele Schweinfurter könnten sich keine Konzerteintrittskarten leisten oder müssten sich den Theaterbesuch sprichwörtlich vom Mund absparen. Hunderte Bürger der Stadt befinden sich bereits im Besitz einer Berechtigungskarte für die Lebensmittel-Tafel.
Einkommensschwache Münchner, die gern den Tierpark besuchen, können sich diesen Wunsch dank des 1986 eingeführten München-Passes erfüllen. Der Tierpark Hellabrunn lässt Passinhaber zum Studentenpreis ein. „Ursprüngliche Intention des Passes war es, Familien mit Kindern die Möglichkeit zu gegeben, an sportlichen und kulturellen Angeboten der Stadt teilnehmen zu können“, erläutert Frank Boos, Pressesprecher des Münchner Sozialreferats. Inzwischen kommen aber auch ALG II-Empfänger, Asylbewerber sowie Teilnehmer an Freiwilligendiensten in den Genuss des Passes. Das entspricht einer Zielgruppe von rund 100 000 Menschen. Auch das Billet für den Münchner ÖPNV gibt es günstiger. Zahlreiche Hallenbäder inklusive der Olympia-Schwimmhalle reduzieren für Passinhaber den Eintritt, außerdem können Eisbahnen verbilligt benutzt werden. Die Volkshochschule bietet ebenso wie das Münchner Bildungswerk Kurse zum ermäßigten Preis an. Passinhaber erhalten zudem auch in München vergünstigte Medikamente. Schließlich profitieren sie vom Kooperationsprojekt „Energieberatung für Haushalte mit geringem Einkommen“ der Stadtwerke München und der Münchner Wohlfahrtsverbände. Energieberater kommen kostenlos nach Hause. (Pat Christ)

Kommentare (1)

  1. conti1959 am 15.08.2014
    es wäre schön, wenn zumindest einige Vergünstigungen der Leistungsempfänger in München auch für den Großraum München (zumindest S-Bahn-Bereich) gelten würden, da die Lebenshaltungskosten in diesem Bereich sich nicht von denen der Landeshauptstadt unterscheiden und im Grunde eine Ungleichbe-handlung stattfindet, die ja eigentlich vermieden werden soll (Stichwort Anti-Diskriminierungsgesetz u.ä.)
    Manche Politiker (z.B. der Ebersberger Landrat) setzen sich zwar z.B. für die Einführung eines ÖPNV-Sozial-tickets in den Landkreisen ein, aber insgesamt haben Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger usw. eben keine Lobby, und diese Wählerschaft wird der CSU wohl in den nächsten Jahren leider weiter verlorengehen.
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