Kommunales

04.05.2012

Zu schön gerechnet

Eine neue Studie der Rechnungshöfe warnt Kommunen vor zu viel Euphorie und Leichtsinn bei ÖPP-Projekten

Mit Straßenbauprojekten fing es an, es folgten Teile der Daseinsfürsorge, irgendwann kamen sogar Gefängnisse hinzu: Der Kreativität von sogenannten ÖPP-Projekten (öffentlich-private Partnerschaften, früher von anglophilen Menschen gern auch Public Private Partnership tituliert) sind zunächst einmal keine Grenzen gesetzt. Ob sich das generell und langfristig für Staat und Kommunen rechnet, darüber lagen noch keine gesicherten Ergebnisse vor – bis jetzt. Ein gemeinsamer, gut 80 Seiten starker Erfahrungsbericht der Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder will hier eine Lücke schließen. Dafür wurden 30 einzelne Projekte mit einem Gesamtvolumen von 3,2 Milliarden Euro untersucht. Aus Bayern unter anderem mit von der Partie sind die beiden Staatsstraßen 2309 und 2580, beide mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einem Projektvolumen von 39 beziehungsweise 13 Millionen Euro.


Vorbild USA


Das Image von ÖPP in der Bevölkerung ist nicht das beste: Umfragen bestätigen, dass die Bürger sich besser fühlen, wenn der Staat seine Aufgaben komplett in eigener Regie wahrnimmt. Da mag auch das Vorbild aus den USA wirken, wo dieses Modell in den Gemeinden einst entstand – und für die Einwohner meist keine spürbaren Verbesserungen beinhaltete, im Gegenteil: nicht selten wurde die Qualität schlechter und die Kosten höher.
Denn was Politiker vielleicht gern mal beim ersten Blick auf die deutlich niedrigeren Kosten vergessen: Bei ÖPP-Projekten treten laufende Zahlungsverpflichtungen aus Verträgen an die Stelle von Zins- und Tilgungslasten und belasten künftige Haushalte in gleicher oder ähnlicher Weise.
Meist werden die Bewirtschaftung und der Betrieb für lange Zeiträume vergeben, 20 oder 30 Jahre sind keine Seltenheit. Nur: In dieser Zeit ist die ausgelagerte Dienstleistung eben auch dem Wettbewerb entzogen. Die Kommune kann dann meist keine Aufträge mehr direkt an mittelständische Firmen aus der Region geben. Hier entscheidet der ÖPP-Partner – und das eben nach Kriterien, die ihm wichtig sind.
Seit 2009 liebäugelt die öffentliche Hand ganz gern mit ÖPP-Projekten. Denn eine Grundgesetzänderung und die Förderalismusreform begrenzen seither die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte – was ÖPP als alternatives Finanzierungsmodell interessant macht. Dass auf diese Weise künftige Haushaltsjahre schon mit einem satten Minus starten, wird dabei gern mal ausgeklammert.
Freilich wirken gerade besonders klamme Kommunen für die inzwischen ziemlich vorsichtigen Banken bei der Kreditvergabe attraktiver, wenn es sich um ein ÖPP-Projekt handelt. Die Projektfinanzierungen haben nämlich einen um 0,5 bis 1 Prozent höheren Finanzierungssatz im Vergleich zur konventionellen Haushaltsfinanzierung.
Kaum verwunderlich, dass deshalb in den vergangenen Jahren vielfach nicht lange nachgedacht wurde in den Kommunalparlamenten. Meist stellten Verwaltungen dem Gemeinderat oder Kreistag die Sachlage auch gern in ihrem Sinne dar, wenn sie sich längst für ÖPP entschieden hatten. Dann wurde eben beim Wirtschaftlichkeitsvergleich die Variante komplett in eigener Hand mit hohen Risikokosten gerechnet und beim Geld werden Volksvertreter bekanntlich immer schnell schwach. Deshalb mahnen die Rechnungsprüfer immer wieder an: „Die Entscheidung, ob eine Realisierung als ÖPP-Projekt oder in herkömmlicher Form erfolgen soll, muss solange wie möglich offenbleiben.“
Leider locken inzwischen viele private Anbieter mit scheinbar supergünstigen Angeboten. Geschickte Firmenchefs formulieren die Leistungsbeschreibungen dann schon mal so, dass sie anschließend bei der Ausführung einen großen Interpretationsspielraum haben. Und vor allem in kleinen Orten fehlt in den Reihen der eigenen Verwaltung oft der notwendige Sachverstand und auch die Zeit, sich hier detailliert durchzuarbeiten – was den Rechnungsprüfern Bauchschmerzen bereitet: „Kein blindes Vertrauen in externe Berater!“, lautet deshalb ihre Forderung. Denn wenn dann mal was schief geht und eine rechtliche Auseinandersetzung droht, rücken international tätige Firmen gern mit Anwälten in Kompaniestärke an – was manchen Rathauschef rasch einschüchtert. Einer der Mitautoren der Studie berichtet: „Wir hatten schon Bürgermeister, die saßen wie ein heulendes Häufchen Elend im Innenministerium und baten dort verzweifelt um Hilfe.“


Einzelfallprüfung


Trotzdem hauen die Rechnungshöfe nicht in die Kerbe der populistischen Kritik, sondern mahnen nur einen kritischen Blick und eine Prüfung am Einzelfall an. Zu beachten sei bei jeder Entscheidung einer Verwaltung, dass „ÖPP-Projekte, die sich die öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, sie sich ebenso wenig alternativ finanziert leistet.“ Darüber hinaus muss „die Wirtschaftlichkeit in jedem Einzelfall und über die gesamte Laufzeit hinweg nachgewiesen sein.“ Der Bericht, so versichern die Rechnungsprüfer, solle nicht als Leitfaden verstanden werden, sondern Hilfestellung für objektive, nicht interessengeleitete Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen geben. (André Paul)

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