Kultur

Geheimnisvoll leuchten Schätze aus altägyptischen Grabbauten, wie schützende Amulette und dieser Kastensarg aus dem Mittleren Reich. (Foto: Andreas Jacob)

04.08.2017

Alltag am Nil

Spannende Zeitreise ins alte Ägypten: In der „Pharao“-Ausstellung im Lokschuppen Rosenheim geht’s nicht nur um Herrschende, sondern auch ums einfache Volk

Die Ausstellungsmacher in Rosenheim bleiben ihrer Handschrift treu. Die geht so: Eine Ansammlung so noch nie zusammengefügter Exponate trifft auf einen beeindruckenden, lehrreichen wissenschaftlichen Unterbau und modernste, Lust aufs Schauen machende Präsentationsweisen. So hat man zuletzt die Welten der Inka, des Regenwalds, der Wikinger wiederauferstehen lassen – mit stets über 200 000 Zuschauern, was die Lokschuppen-Expositionen regelmäßig zu den besucherträchtigsten in Deutschland machte. Und jetzt Alt-Ägypten. Es ist eine Art Tiefenforschungüber Wirtschaft und Alltag, Religion und Mythen, Herrscher und Beherrschte, die weit über das hinausgeht, was – gemeinhin eher populärwissenschaftliche – Darstellungsformen sonst bieten. Denn statt ausschließlich aufs Spektakuläre, Erstaunliche zu setzen, will die Pharao-Ausstellung erkennbar erstrangig Erkenntnis fördern. Dazu die großzügigen Holzmodelle alter Tempelanlagen, die 3-D-Animationen, die zweistöckige Raum- und Lichtarchitektur, die Medienstationen. Und natürlich jene zahlreichen Original-Exponate, die nicht zuletzt aus dem Fundus des Römer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim und des University-of-Aberdeen-Museums stammen. Alltag am Nil: Von Wind- und Wassergeräuschen begleitet gleitet der Besucher hinein ins alte Ägypten. Man begegnet Tieren, die es gab und die zwei Bedeutungen bekamen: eine realistische und eine überirdische, bedeutsamere, wo aus dem gefürchteten Krokodil Gott Sobek wird und aus der geschätzten Schnurrkatze, die zu töten ein großes Verbrechen war, die Katzengöttin Bastet (letztere geleitet übrigens die Kinder in Extra-Stationen durch die Schau). Der Nil gab Fruchtbarkeit. Man kann das Modell eines Getreidelagers aus den Jahren um 2100 v. Chr. betrachten, teilweise noch mit Getreidekörnern jener Zeit befüllt. Ausgestellt ist auch ein wunderschönes, sehr realistisch geformtes Bootsmodell aus der Zeit gegen 1800 v. Chr.
All das veranschaulicht, wie ein Staat entstand und funktionierte. Dazu brauchte es Organisation und Religion – beides berührte und durchdrang sich. Das Volk schuf erstaunliche Gebäude und Anlagen, Spezialisten planten sie – Herrscher befahlen sie: Bewässerungsanlagen, Tempelbauten, gigantische letzte Ruhestätten, die Pyramiden. Ohne Kommunikation ging da nichts – man benutzte die komplexe Hieroglyphen-Schrift. Das alte Ägypten beherrschte die Organisationskunst.

Macht, Moden und Make-up

Ausstellungskurator Christian Tietze ist es wichtig, auch die Gesellschaftspyramide kenntlich zu machen: die Oberschicht mit dem Pharao an der Spitze, den Priestern und Fürsten, die Mittelschicht mit all den Planern, Schreibern, Militärs, und die Unterschicht der Arbeiter, Bauern, Handwerker.
Die Alltagswirklichkeit dieser Bevölkerungsschichten steht im Zentrum der lichtdurchfluteten Schau, die die Dinge ebenso schwebend wie kenntlich macht. Wie wohnten die Arbeiter? An was glaubten die Menschen? Wie lebten die Frauen zwischen Macht, Moden und Make-up? Jeder Themenraum bietet Möglichkeiten, sich mit allen Sinnen zu vertiefen: Gesehenes wird von Musik, Geräuschen, bewegten Bildern, sogar Luftzug begleitet. Und das nicht überfallartig, sondern dramaturgisch wohl dosiert.
Natürlich werden einige der berühmtesten Pharaonen wie Ramses II., Echnaton, Amenophis III. und die Herrscherin Hatschepsut vorgestellt. Manchmal ist die Ausstellung auch mit Forschung verknüpft; so wird an einigen Exponaten gerade wissenschaftlich gearbeitet wie etwa an der ausgestellten Mumie einer Dame namens Ta-cheru, die etwa im 4. Jahrhundert v. Chr. in der Region des heutigen Luxor starb. Die sieht man eingewickelt und in computertomografischen Aufnahmen. Die Bereiche Totenkult und Grabkunst sind die schlussendlichen Höhepunkte der Ausstellung. Man tritt ein in eine religiöse Vorstellungswelt, in der das Jenseits und das Leben dort zentrale Bedeutung gewinnen – weit vor dem Christentum. Nach dem Tod werden das Herz und eine Feder gegengewogen; und wehe, das Herz ist nicht so sündenleicht wie die Daune: Dann dräuen verschlingfreudige Monster. (Christian Muggenthaler) Information: Bis 17. Dezember. Lokschuppen, Rathausstraße 24, 83022 Rosenheim. Mo. bis Fr. 9-18 Uhr, Sa./So./Fei. 10-18 Uhr. www.lokschuppen.de Abbildung:
Dieses Modell eines Getreidespeichers war eine Grabbeigabe und diente der Versorgung des Grabherrn im Jenseits.     (Foto: Andreas Jacob)

Kommentare (1)

  1. Maiswolf am 05.08.2017
    "Alltag am Nil", 4.8.2017: Gut geschrieben; macht Lust auf mehr und einen Ausstellungsbesuch fast zum nobile officium. Auch der "Lokschuppen" bringts.
    Habe Ihre "Netiquette" ungelesen akzeptiert. Hoffe, diese Nachricht ist nicht zu "nett".
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