Landtag

Einblicke in Akten erhalten: Für Bürger in Bayern ist das schwieriger als beispielsweise für Menschen in Hamburg. (Foto: dpa)

19.01.2017

25.000 Euro für eine Akteneinsicht

Meist sind Klagen von Journalisten und Bürgern auf Auskunftsersuchen in Bayern nicht erfolgreich – andere Bundesländer sind transparenter

Wenn Journalisten keine oder aus ihrer Sicht unzureichende Auskünfte von bayerischen Behörden bekommen, steht ihnen der Rechtsweg offen. „Es gibt kaum noch eine Presseanfrage, in der nicht sofort mit einer Klage gedroht wird“, heißt es aus der Pressestelle einer bayerischen Universität hinter vorgehaltener Hand. Bei seriösen Medien stehe die Drohung am Ende der Anfrage, bei unseriösen gleich am Anfang. Auskunftsrechte haben nicht nur Journalisten, sondern auch Bürger. Thomas Mütze (Grüne) wollte jetzt von der Staatsregierung wissen, wie oft in den vergangenen Jahren Ansprüche von Journalisten und Bürgern gegenüber Regierungen, Ministerien und obersten bayerischen Landesbehörden geltend gemacht wurden.

Das Innenministerium antwortet, seit 2011 sei in 33 Fällen versucht worden, Auskunft einzuklagen. Aufgelistet werden 25 Ansprüche nach dem bayerischen Umweltinformationsgesetz, drei nach dem bayerischen Pressegesetz, jeweils zwei nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) beziehungsweise dem Verfassungsschutzgesetz und ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Besonders erfolgreich waren die Kläger nicht: Nur in einem Fall wurde die Klage nicht vollständig abwiesen. Sieben Verfahren sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, und in einem wurde Berufung beantragt, über die noch nicht entschieden ist. Alle anderen Auskunftsersuchen wurden abgelehnt. Da die Behörden nach Angaben des Ministeriums keine externen Rechtsanwälte beauftragen, lagen die Kosten für die Verfahren bei 1172,08 Euro – davon 363 Euro Gerichtskosten.

Nur eine von 33 Klagen wurde nicht vollständig abwiesen

In einer weiteren Anfrage zum Thema sorgt sich Florian von Brunn (SPD) um zu hohe Gebühren für Auskunftsersuchen bei Pressestellen. „Laut einem Bericht des BR-Politikmagazins Kontrovers hat das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz fast 25 000 Euro an Gebühren für Auskünfte in Sachen Bayern-Ei nach dem VIG von Journalisten verlangt“, wundert er sich. Der Abgeordnete wollte von der Staatsregierung wissen, wie sich die Gebühr errechnet und wie viel Bearbeitungszeit pro Dokument veranschlagt wurde.

Nach Informationen des Umwelt- und Verbraucherschutzministeriums hat der Antragsteller einen „sehr weitreichenden“ Antrag gestellt und um sämtliche Unterlagen zum Salmonellenausbruch 2014 gebeten. „Das VIG sieht jedoch keinen derartigen alles umfassenden Anspruch auf Akteneinsicht vor.“ Daher hätte zunächst geprüft werden müssen, welche der 900 Dokumente vom Informationsanspruch vom VIG umfasst gewesen wären. 450 Stunden Arbeitszeit wurden dafür veranschlagt.

Die Gebührenerhebung erfolgt laut Ministerium anhand der Gebührensätze des bayerischen Kostenverzeichnisses. Danach ist eine Gebühr von 7,50 bis 50 Euro je angefangener Viertelstunde vorgesehen – „mithin sind Gebühren bis zu 200 Euro pro Stunde möglich“, heißt es in der Antwort. Ausnahmen gebe es keine: Im VIG sehe der Bundesgesetzgeber zwingend eine Gebührenerhebung vor.

Da der Antragsteller über die Gebühren informiert werden muss, hat das Ministerium dem Journalisten mitgeteilt, dass allein für die Sichtung der Dokumente eine geschätzte Gebühr von 24 750 Euro entstehe. Er sei aber darauf hingewiesen worden, dass er seinen Antrag im Rahmen des VIG konkretisieren und dadurch Kosten sparen könne. Eine weniger umfangreiche Auskunft sei im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs kostenfrei möglich.

Philipp Grüll vom BR-Politikmagazin Kontrovers verzichtete. Da Bayern kein Informationsfreiheitsgesetz habe (siehe Infokasten), sei es besonders schwierig, Akteneinsicht zu bekommen. Er schimpft: „Wir haben den Eindruck, dass wir mit den horrenden Gebühren davon abgehalten werden sollen, an die Informationen zu kommen.“ (David Lohmann)

INFO: Informationsfreiheitsgesetze der Länder
Informationsrecht: Durch die Informationsfreiheitsgesetze in elf Bundesländern kann jeder Bürger Auskunft verlangen, welche Informationen in Behörden zu bestimmten Sachverhalten vorliegen.
Besonderheit: Bürger müssen bei der Datenabfrage bei den Behörden kein gesondertes Interesse nachweisen. Ausnahmen gibt es lediglich beim Schutz von persönlichen Daten beziehungsweise Betriebsgeheimnissen.

Vorreiter: Als erstes Bundesland beschloss Hamburg 2012 ein umfassendes Transparenzgesetz. Damit verpflichtete sich die Hansestadt, amtliche Informationen wie Gutachten, Senatsbeschlüsse und Verträge ab 100 000 Euro für Bürger öffentlich zu machen.

Fehlanzeigen: In Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen gibt es noch gar keine Informationsfreiheitsgesetze auf Landesebene. Acht Gesetzesinitiativen hat es im Freistaat seit 2001 gegeben – alle sind gescheitert.

Begründung: Das Innenministerium begründet die Ablehnung mit „neuer Bürokratie ohne Mehrwert“. „Die geltenden Gesetze gewährten allen Bürgern schon jetzt „weitgehende Akteneinsichts- und Informationsrechte“.

Problem: Da laut bayerischem Pressegesetz „aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht (der Behörden, d. Red.) besteht“, sind Reporter bei ihren Recherchen häufig auf die Auslegung der Behörden angewiesen. (LOH)

Kommentare (2)

  1. christlwalter am 07.08.2019
    Wenn der Bürger fragt, spätestens dann gilt es die Reihen zu schließen und die Schotten dicht zu machen. Wo kämen wir schließlich hin, wenn jeder Bürger per Gesetz Einsicht in die Satzungen der Gemeinde hat. Den ewigen Nörglern der Gemeinde muss gezeigt werden wo der Hammer hängt. Offentsichtlich traut die CSU dem Bürger nicht zu, mit so einer Transparenz umzugehen. In den Gemeinden ohne dieses Recht, wird man zum Bittsteller beim Bürgermeister, und wir brauchen auch keine Gemeinderäte, die Geheimnisse mit sich herumtragen. Da wird ein Gemeindeblatt gedruckt, in dem max. 2 Seiten über die Verwaltung steht und der Rest (10 Seiten) nur noch über Vereinsinterne Angelegenheiten geschrieben.
  2. wkeim am 24.01.2017
    98% der Menschen in Eurasien leben in Staaten mit nationalen Informationsfrieheitsgesetzen (IFG). 110 Staaten in der Welt haben IFG. Deshalb habe ich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für Informationszugang geklagt um: http://home.broadpark.no/~wkeim/files/durchsetzung_informationszugang.html
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