Landtag

Chef der Oligarchen: Russlands frisch gewählter Präsident Vladimir Putin zählt zu den Studienobjekten der Politikwissenschaftlerin und Osteuropa-Expertin Margareta Mommsen. (Foto: DAPD)

09.03.2012

Wenn der Neue der Alte ist

Politologin Margareta Mommsen referierte über "Vladimir Putin und das russische Volk"

Kleines Quiz gefällig? Welcher Politiker lässt sich mit nacktem Oberkörper beim Fischen fotografieren? Wer posiert in der Nähe eines Braunbären? Von wem gibt es eine Aufnahme, wie er mit einer Armbrust auf einen Wal zielt? Richtig, Vladimir Putin, Russlands neuer alter Präsident. Inwieweit derlei fotografisch dokumentierte Allmacht-Phantasien Putins Chancen auf das höchste Amt im Staat positiv beeinflusst haben mögen, erörterte die Politologin und Russland-Experin Margareta Mommsen im 45. Akademie-Gespräch im bayerischen Landtag: „Vladimir Putin und das russische Volk“ hieß ihr Vortrag; eine Wahl-Nachlese, ebenso amüsant wie differenziert.

Macho-Bilder vom postmodernen Zaren

Mommsen bestritt zum zweiten Mal ein Akademie-Gespräch zum Thema Putin. Für Ursula Münch, Direktorin der Tutzinger Akademie für politische Bildung, war es jedoch eine Premiere: Zum ersten Mal moderierte die neue Chefin der Politologenschmiede die Reihe. Lebendig und klug hat sie ohne überflüssige Worte durch den Abend geführt. Angesichts der anhaltenden Demonstrationen in Russland bemerkte Münch, „dass der Anspruch der Bevölkerung auf Teilhabe zumindest in den Großstädten wächst“. Dennoch sei Putin gelungen, was noch keinem seiner Vorgänger im Kreml geglückt sei: „Die Rückkehr in die Festung der Macht.“
Dazu könnten auch die Macho-Bilder vom postmodernen Zaren beigetragen haben: Laut Mommsen hat sich Putin damit als kraftstrotzender Regent, aber auch „als einer aus dem Volk inszeniert“. Solche Posen würden insbesondere Teilen der ländlichen Bevölkerung imponieren. Offensichtlich ergänzen sie die propagandistischen Sendungen der staatlichen TV-Sender: „Im russischen Fernsehen wird Werbung für die Kreml-Politik gemacht, die die Bürger regelrecht einlullt“, sagte Mommsen.
Allerdings durchschauen und wehren sich mittlerweile zunehmend größere Teile der Bevölkerung gegen die plumpen Manipulationen durch den Machtapparat. „Es gibt Spannungen zwischen Putin und der urbanen städtischen Mittelschicht“, sagte Mommsen. Die Proteste auf den Straßen Moskaus, St. Petersburgs und anderer Metropolen richteten sich gegen die gelenkte Demokratie, wie Mommsen das Regime Putins bezeichnet. Die Macht sei gegen die geltende Verfassung in der Exekutive konzentriert, was einen oligarchischen Kapitalismus zur Folge habe. Die Geschicke des Landes bestimmten Clans, „Verschmelzungen aus der Wirtschaft und der Politik“. Putin wiederum fungiere als Moderator dieser Privilegierten: Verwandte, Freunde der Verwandten, Verwandte der Freunde von Verwandten.

Umstrittenes "Duumvirat" Putin und Medwedew

Gegen sie und den „operettenhaft inszenierten Amts-Tausch“ zwischen Putin und dem bisherigen Präsidenten Dmitri Medwedew skandieren die Aufständischen. In ihren Augen war Medwedew sowieso nichts als ein Statthalter Putins, der 2007 laut russischem Gesetz keine dritte Amtszeit als Präsident antreten durfte und stattdessen als Ministerpräsident agierte. Diese Rolle soll nun Medwedew zugeschanzt werden.
Bei aller Kritik an diesem „Duumvirat“ gab Mommsen dennoch zu bedenken: Medwedew sei auf die Forderung der Opposition eingegangen, die Verurteilung des inhaftierten Kremlgegners und früheren Öl-Managers Michail Chodorkowski zu überprüfen. Was Putin betrifft, habe es zwar Wahl-Manipulationen in Höhe von bis zu 10 Prozent gegeben. Dennoch könne man nicht behaupten, dass er sein Amt gegen die Mehrheit der Wähler errungen habe.
Was Russlands Zukunft betrifft, glaubt Mommsen nicht, dass Putin vom Autokraten zum Demokraten wird. Schließlich bezeichnet er die gegen ihn Opponierenden als „quietschende Affen“. Dennoch ist die Politologin sicher: „Das System Putin hat sich überlebt und davor wird Russlands neuer alter Präsident die Augen nicht verschließen können.“ (Alexandra Kournioti)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die geplante neue Kindergrundsicherung sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.