Politik

Auf Bayerns Baustellen fehlen Handwerker.(Foto: dapd)

01.07.2011

Handwerker verzweifelt gesucht

In Bayern zeichnet sich ein Fachkräftemangel in der Baubranche ab - 2020 könnte jede zehnte Stelle unbesetzt bleiben

Der Bauunternehmer hat schon wieder eine Absage bekommen. Er ist Geschäftsführer eines Bauunternehmens in München und verzweifelt auf der Suche nach Mitarbeitern. Doch das Arbeitsamt kann ihm die fehlenden Arbeiter einfach nicht vermitteln „Uns fehlen nicht nur Bauingenieure, es gibt auch schon jetzt große Lücken bei Fachleuten wie Maurern“, sagt Holger Seit, Sprecher des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen. „Immer wieder rufen uns Firmenchefs an und fragen uns, ob wir ihnen helfen können, qualifizierte Leute zu finden.“ Noch könne man zwar nicht wirklich von einem Mangel sprechen. „Aber der wird kommen. Das ist sicher.“
Rund 127 000 Menschen arbeiten in Bayern in der Baubranche, es ist die Region mit der aktivsten Bauwirtschaft in Deutschland. Doch der Arbeitgeberverband rechnet damit, dass ab dem Jahr 2020 jährlich circa 10 000 Facharbeiter fehlen. Das würde bedeuten, dass fast jede zehnte Stelle unbesetzt bleibt. „Und wenn wir nichts dagegen tun, dann fehlen von da an jedes Jahr mehr Leute“, sagt Seit.
Das Arbeitsamt spricht erst offiziell von Fachkräftemangel, wenn Stellen fast doppelt so lange unbesetzt bleiben wie im Durchschnitt aller Berufe. Und wenn auf 100 gemeldete Stellen weniger als 150 Arbeitslose kommen oder wenn es weniger Arbeitslose als gemeldete Stellen gibt.

Werben an den Schulen


Das trifft auf die Berufe in der Baubranche zwar noch nicht zu. Doch eine Sprecherin des Arbeitsamtes bestätigt: „Im Mai gab es bereits einen Engpass bei den Fachkräften im Maurerhandwerk sowie bei Fachkräften im Fassadenbau ab.“ Auf 100 Stellenangebote als Maurer kamen zum Beispiel nur 136 Arbeitslose. „Die Stellen konnten aber ziemlich schnell besetzt werden. Nur die als Fassadendecker waren richtig schwer zu vermitteln.“
Die Situation in den Baufirmen ist je nach Region unterschiedlich: „In Oberbayern gibt es zum Beispiel immer schon mehr Baufirmen als in Oberfranken“, erklärt Holger Seit. „Dort merken unsere Mitglieder den Mangel bereits jetzt viel stärker. Doch dass es im Norden besser ist als im Süden, bringt aber leider nicht viel.“ Denn in der ganzen Region gibt es kaum junge Fachleute, ältere sind nicht flexibel und mobil genug. „Wenn ein 50-jähriger Maurer aus Oberfranken arbeitslos ist, sucht er sich keine Stelle in München.“
Manche Firmen nehmen schon jetzt Subunternehmer aus Osteuropa unter Vertrag, um keine Aufträge abweisen zu müssen. Doch viel lieber hätten sie eigene Leute.
Langfristig sei es tatsächlich keine Lösung, Aufträge an Firmen aus dem Ausland zu vergeben, sagt Arbeitgebersprecher Seit. „Wenn mal ein Arbeiter ausfällt, dauert es viel zu lange, bis ein Ersatz da ist.“
Um den kommenden Mangel abzumildern, versuchen die bayerischen Bauverbände deshalb, mehr junge Menschen für die Lehrberufe in der Bauindustrie zu begeistern. In Schulen werben sie um Lehrlinge. Für die Grundschulen wurde ein Bilderbuch entwickelt, in dem alle Berufe auf dem Bau vorgestellt werden. Hauptschullehrern werden Powerpointpräsentationen zu Bauberufen vorgestellt.
Holger Seit zweifelt jedoch daran, dass die Aktion viel bringt. „Dass uns Leute fehlen, liegt vor allem daran, dass immer weniger Kinder auf die Hauptschule gehen.“ Die Bauverbände fordern deshalb auch von der Politik, sich des Problems anzunehmen.

Firmen sollen ganzjährig Lohn zahlen: auch wenn keine Arbeit da ist

Auch die Gewerkschaft IG Bau beteiligt sich an der Image-Kampagne. Thomas Ruckdäschel, stellvertretender Regionaldirektor Bayern, glaubt, dass mehr Nachwuchs das Problem deutlich lindern würde. „Es gibt ausreichend potenzielle Lehrlinge. Leider kommt die Aktion viel zu spät“, sagt er. „Wir haben schon vor Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass die Unternehmen mehr ausbilden müssen.“ Die Firmen hätten aber erst vor ein paar Jahren angefangen, verstärkt Lehrlinge einzustellen. Ruckdäschel ist überzeugt, dass die Bauberufe insgesamt attraktiver gemacht werden müssen, damit sich der Nachwuchs für einen Lehrberuf in der Branche entscheidet. Sein Verband will sich zum Beispiel für höhere Löhne einsetzen.
Holger Seit vom Arbeitgeberverband nennt als Problem, dass die Arbeit auf dem Bau saisonabhängig ist. „Im Winter gibt es einfach nichts zu tun. Junge Leute schrecken natürlich zurück, wenn sie erfahren, dass sie monatelang zuhause bleiben müssen, wenn sie sich für einen Beruf auf dem Bau entscheiden.“ Deshalb setzt sein Verband sich dafür ein, dass die Firmen ihren Angestellten das ganze Jahr über Lohn zahlen – auch wenn sie in den Wintermonaten nicht arbeiten. „Das kann über eine Abgabe der Firmen ans Arbeitsamt funktionieren, das als Kurzarbeitergeld an die Arbeiter ausbezahlt werden könnte.“
Seit glaubt, dass die Arbeitgeber auch bereit wären, höhere Löhne zu zahlen. „Sie wollen sich vor allem keine Sorgen machen müssen, ob sie genug gutes Personal haben, um weiter Aufträge annehmen zu können.“
(Veronica Frenzel)

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