Politik

17.09.2010

Hoffnungslose Hauptschule

Kommentar von Tobias Lill

Für manchen bayerischen Hausmeister war der Urlaub in diesem Sommer etwas kürzer. Schließlich gab es einiges zu tun: An zwei Dritteln der Hauptschulen im Freistaat mussten die Adress- und Klingelschilder ausgetauscht werden. Sie heißen jetzt Mittelschule. Außer dem Namen hat sich jedoch fast nichts geändert: Verstärkter Praxisbezug, Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, zusätzliche Förderung – so lauten die Verheißungen, die das Kultusministerium verspricht. Doch all das gibt es – ebenso wie die Möglichkeit, die mittlere Reife zu erlangen – längst auch an der Hauptschule. Selbst für den überfälligen Ausbau der Ganztagesschulen hätte es keine neue Schulform gebraucht.
Die Probleme der ungeliebten Schulform bleiben dieselben. Vor allem in den Städten. Denn während Akademiker ihre Sprösslinge schon früh auf das Gymnasium vorbereiten, ist für bildungsferne Schichten der Weg auf die Hauptschule vorprogrammiert. Hinzu kommt: Rund zwei Drittel der Münchner Hauptschüler haben einen Migrationshintergrund. Da muss der Englischlehrer mitunter erst mal Deutschlehrer spielen.
Manche Lehrer sind schon froh, wenn die Schüler überhaupt zum Unterricht erscheinen. Zwar ist Bayerns Hauptschule insbesondere auf dem Land noch immer besser als ihr Image. Doch der Niedergang ist unaufhaltsam. Die Zahl der Hauptschüler ging 2010 erneut massiv zurück. Vielerorts stehen die Mittelschulen mangels Schülern vor dem Aus. Zudem raubt das dreigliedrige System vielen talentierten Kindern ihre Zukunft. Denn bei gleicher Intelligenz hat ein Akademikerkind im Freistaat eine 6,5 mal so große Chance, aufs Gymnasium zu kommen wie ein Facharbeiterkind – in Berlin ist die Chance dagegen nur 1,7 mal größer.
Längeres gemeinsames Lernen könnte helfen. Immer mehr Bundesländer haben die Hauptschule deshalb abgeschafft. Hier ziehen die stärkeren die schwächeren Schüler mit. Die Schulabbrecherquoten sind dort gesunken. Das Geld für die neuen Klingelschilder hätte der Freistaat also schnell wieder drin.

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