Politik

24.07.2015

Stolpersteine im Gedenken

Ein Kommentar von Florian Sendtner

Seit Menschengedenken versuchen Denkmäler durch ihre Monumentalität zu beeindrucken. Die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig dagegen springen ins Auge, weil sie so klein sind. Ein Pflasterstein mit einer Messinginschrift, auf der die dürren Daten eines Lebens stehen, das die Nazischergen auslöschten. Eingelassen auf dem Trottoir vor dem Haus, in dem die betreffende Person zuletzt gelebt hat. Jeder Passant, der nicht ganz und gar verbohrt und vernagelt ist, kommt da ins Stolpern: ein Menschenleben, und nur ein Pflasterstein als Denkmal?

Über 50 000 Stolpersteine hat Gunter Demnig schon verlegt, in ganz Europa. Überall findet dieses größte – und gleichzeitig kleinste – dezentrale Gedenkkunstwerk der Welt Paten, die einen Stolperstein in Auftrag geben. In München verbietet ein Stadtratsbeschluss seit 2004 die Verlegung auf öffentlichem Grund. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und andere können sich einfach nicht mit ihnen anfreunden. Bei einer Stadtratsanhörung sagte sie zuletzt: „Die im Holocaust ermordeten Menschen verdienen mehr als eine Inschrift inmitten von Staub, Straßendreck und schlimmeren Verschmutzungen.“

Was helfen Stolpersteine, wenn gleichzeitig die Nachkommen der
ermordeten Sinti und Roma als „Asylbetrüger" verunglimpft werden

Die Rücksicht  ist zwar nachvollziehbar, doch die Kritiker der Stolpersteine stehen heute recht allein auf weiter Flur. Aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit könnte sich der Stadtrat bei der Entscheidung nächste Woche deshalb über den Kompromiss der Großkoalitionäre hinwegsetzen, Gedenktafeln nur an Wänden und Stelen zu genehmigen. Und endlich die Stolpersteine erlauben. Was helfen Stolpersteine in München, wenn gleichzeitig die Nachkommen der ermordeten Sinti und Roma, die aus dem Balkan nach Deutschland kommen – und Flüchtlinge ganz pauschal –, als „Asylbetrüger“ verunglimpft werden? Wichtig ist, dass Menschen klar Position gegen solche Parolen beziehen. Denn realen Brandstiftungen wie letzte Woche in Reichertshofen oder wie in Vorra vor über einem halben Jahr gehen meistens rhetorische Brandstiftungen voraus.

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