Politik

Transparenz gibt’s in vielen Rathäusern wie etwa Starnberg nicht nur baulich, sondern auch bei der Informationspolitik. (Foto: dpa)

12.09.2014

Transparenz? Gibt's nur in den Kommunen

Einsicht in Akten der Verwaltung nehmen: Immer mehr Gemeinden ermöglichen das, nur der Freistaat zögert

Beim Bau der Seebühne in Prien am Chiemsee sollen über einen Zeitraum von acht Jahren Millionen Euro ohne rechtliche Grundlage am Marktgemeinderat vorbeigeflossen sein. Doch die Namen möglicher Verantwortlicher wurden nur in nicht-öffentlicher Sitzung genannt. Grund: Laut allgemeiner Geschäftsordnung für die Behörden dürfen Auskünfte nur erteilt werden, „wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird“. Das wollten sich die Priener Bürger nicht gefallen lassen. Also schickten sie mit Jürgen Seifert (parteilos) einen Bürgermeister ins Rennen, der sich für mehr Transparenz einsetzte – mit Erfolg. Kurz darauf hatte die Marktgemeinde als erste bayerische Kommune eine so genannte Informationsfreiheits-Satzung. Dadurch erhalten Bürger das Recht, Informationen der Kommunalverwaltung zu erfragen und Einsicht in Original-Akten zu nehmen.

Nur Bayern und Sachsen stellen sich quer


Das geht inzwischen bei 65 bayerischen Gemeinden, bei allen Großstädten mit über 100 000 Einwohnern sowie beim Bezirkstag Oberbayern. „Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, wofür ihre Steuergelder eingesetzt werden, was entschieden wird und vor allem, wie Entscheidungen zustande kommen“, sagt Heike Mayer vom Bündnis Informationsfreiheit für Bayern der Staatszeitung.
Das Bündnis für Informationsfreiheit in Bayern will jetzt ein landesweites Gesetz. „Neben Sachsen ist Bayern das einzige Bundesland, das seinen Bürgern solche Informationsrechte abspricht und deshalb kein Gesetz einführen will“, klagt Gerd Hoffmann vom Verein Mehr Demokratie. Acht Gesetzesinitiativen hat es seit 2001 gegeben – alle sind gescheitert. Dies soll nach dem Willen des Innenministeriums so bleiben. „Bislang wurden noch in keinem der Länder, die ein Informationsfreiheitsgesetz eingeführt haben, echte Vorteile nachgewiesen“, begründet Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seine Ablehnung. Stattdessen würde dem Informationsrecht Vorfahrt vor dem Datenschutz gewährt und neue Bürokratie ohne Mehrwert geschaffen. Zudem gewährten die geltenden Gesetze allen Bürgern schon jetzt „weitgehende Akteneinsichts- und Informationsrechte“. Doch nicht zuletzt Journalisten sehen das anders.

Auch Journalisten werden bei der Recherche behindert


Weil laut bayerischem Pressegesetz „aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht (der Behörden, d. Red.) besteht“, sind Reporter bei ihren Recherchen häufig auf die Auslegung der Behörden angewiesen. „Der presserechtliche Auskunftsanspruch ist in Bayern sehr rudimentär geregelt“, schimpft die Geschäftsführerin des Bayerischen Journalisten-Verbands, Jutta Müller. „Für recherchierende Journalisten macht es einen großen Unterschied, ob sie sich auf Aussagen des Pressesprechers verlassen müssen oder ob sie selber in die Akten schauen können“, betont Manfred Redelfs, Vorstandsmitglied des Netzwerk Recherche.
Selbst Bayerns Datenschutzbeauftragter, Thomas Petri ist enttäuscht vom Zögern des Innenministeriums. Die datenschutzrechtlichen Bedenken von Minister Herrmann kann Petri nicht nachvollziehen: „Im Sinne der Transparenz öffentlicher Datenverarbeitung habe ich das Scheitern der Gesetzesinitiativen bedauert.“ In Thüringen, wo es seit 2008 ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, sieht man ebenfalls keine datenschutzrechtlichen Probleme: Der Schutz personenbezogener Daten sei bei den 628 Anträgen seit 2008 durch eine umfassende Beteiligung der Betroffenen sichergestellt worden, so ein Sprecher.
„Personenbezogene Daten müssen bei der Auskunftserteilung anonymisiert werden“, erklärt die grüne Landtagsabgeordnete Katharina Schulze der BSZ.

Der Aufwand für die Ämter ist überschaubar

Dies werde in manchen Bundesländern bereits seit über 15 Jahren praktiziert. Und Eva Gottstein von den Freien Wählern sagt: „Viele Bundesländer haben sehr gute Erfahrungen gemacht, auch der Aufwand hat nicht wirklich zugenommen.“ Der SPD-Rechtsexperte Horst Arnold betont: „Vom kommunalen Bereich sind bislang keine Klagen über den Vollzug der Satzungen bekannt.“ Die Fraktionen wollen in dieser Legislaturperiode erneut einen Gesetzentwurf einbringen – über den der Freien Wähler wird aktuell im Landtag beraten.
Ob ein solches Gesetz schlussendlich von den Bürgern genutzt würde, müsste sich dann zeigen. Wie eine BSZ-Umfrage in den größten bayerischen Städten ergab, sind in München seit Erlass der Informationsfreiheits-Satzung im Jahr 2011 erst 39 Auskunftsanträge eingegangen. In Würzburg sind es etwa 20 pro Jahr, Nürnberg führt keine Statistik. Das Recht auf Informationen oder Akteneinsicht werde aber „sehr selten“ genutzt, heißt es. Und in Augsburg ist die Satzung erst seit wenigen Tagen in Kraft. Meyer vom Aktionsbündnis kann den niedrigen Zahlen trotzdem etwas Positives abgewinnen: „Das zeigt doch, dass die Verwaltung nicht unter der Flut der Anfragen zusammenbricht.“ (David Lohmann)

Kommentare (3)

  1. Moataz Essam am 21.02.2016
    -
  2. Trino am 16.09.2014
    Diese Informationsfreiheitssatzungen sind doch nur Blendwerk. Haben denn die Bürger von Prien a. Chiemsee die Informationen erhalten, die sie haben wollten? Wer war verantwortlich bzw. womöglich verantwortlich?
    Die Musterinformationssatzung enthält den §8:
    Der Antrag ist abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Informationen offenbart werden ...
    Also nix is mit Namen, schon gar nicht von "möglichen" Verantwortlichen ...
    Ganz zu schweigen, dass man ja nur Informationen verlangen kann, von deren Existenz man weiß ! Fragen Sie doch mal, die Beschlussbücher der nichtöffentlichen Sitzungen einsehen zu dürfen, damit sie sich ein Bild darüber machen können, was überhaupt alles läuft ... und was ist mit den Vorgängen, die nichtmal der Gemeinderat zu sehen bekommt ?
    naja, aber auch wenn diese Satzungen oder ein bayerisches Gesetz nicht viel bringen, so richten sie doch auch keinen Schaden an ...
  3. Sterntaler am 13.09.2014
    Wieder ein sehr guter und informativer Beitrag in Ihrer Zeitung. Ich hoffe, Joachim Herrmann mit seiner Landesregierung haben bei diesem Thema ein Einsehen.
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