Politik

Die neue Staatsministerin im Kanzleramt, Dorothee Bär, gilt als digital kompetent und Meisterin der Eigen-PR. (Foto: dpa)

16.03.2018

Viele Wünsche an die Neue

Weniger Funklöcher, schnelleres Internet: Was Experten von Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) erwarten

Seit dieser Woche ist Dorothee Bär (CSU) Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt. Die Erwartungen an die 39-jährige Bambergerin sind groß. Beim Ausbau von Gewerbegebieten mit schnellem Internet liegt Bayern bundesweit nur auf Platz acht. Auch international kommt Deutschland laut Ranking des IT-Unternehmens Akamai beim Netzausbau nicht über den 25. Platz hinaus. Doch für Bär ist Digitalisierung mehr als nur Breitbandausbau. Sie will sich zum Beispiel auch für zukunftsorientierte Fortbewegungsmittel wie Flugtaxis starkmachen. Für ihre Visionen erntete sie Anerkennung, aber auch Hohn und Spott. Die Staatszeitung hat sich in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik umgehört, was wirklich wichtig ist.

Ganz oben auf der Wunschliste steht einhellig der Ausbau der Infrastruktur. „Die Grundvoraussetzung des digitalen Wandels ist vor allem ein leistungskräftiges Breitbandnetz in den Städten und in den ländlichen Räumen“, betont Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des bayerischen Städtetags. „Der Bund sollte endlich anerkennen, dass Breitbandversorgung keine kommunale Aufgabe, sondern eine nationale Grundversorgungsverpflichtung ist“, ergänzt Wilfried Schober, Direktor des Bayerischen Gemeindetags. Außerdem wünscht er sich, dass Bär noch vorhandene Lücken im Mobilfunknetz durch eine direkte Förderung der Mobilfunknetzanbieter schließt.

An zweiter Stelle wird der Ausbau zur nächsten Mobilfunkgeneration 5G genannt. „Viele führende Mittelständler haben ihren Sitz in ländlichen Gebieten und sind abgeschnitten von der Versorgung mit schnellem Internet“, sagt Matthias Wahl, Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW). Tatsächlich klagt laut einer aktuellen Studie die Hälfte der bayerischen Unternehmer über Funklöcher und zu langsame Intertnetverbindungen. Wahl fordert neben den Investitionen von privater Seite in den nächsten Jahren mindestens 20 Milliarden Euro aus Berlin – geplant sind bisher nur zwölf. Ob es überhaupt so viel werden, hängt wiederum vom den Einnahmen aus dem Verkauf der 5G-Lizenzen ab.

Ein weiterer häufig genannter Punkt ist die Bündelung der Digitalkompetenzen. Bisher kümmerten sich in den 14 Bundesministerien 482 Mitarbeiter verteilt auf 244 Teams in 76 Abteilungen um digitale Fragen. Sogar CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich daher für ein eigenständiges Bundesdigitalisierungsministerium mit eigenem Budget und Personal ausgesprochen. „Es fehlte bisher an jeder Koordination, alle Ministerien haben ihre eigene Insel-Digitalisierung ohne Absprache gemacht“, bestätigt der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi).

CSU-Fraktion fordert Flugtaxis aus Bayern

Die Landtags-Grünen nennen Bärs neuen Posten daher eine „Mogelpackung“. Tatsächlich kündigte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gleich nach Bärs Berufung an, dass Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) ressortübergreifend erster Ansprechpartner für Digitalisierungsthemen ist. „Offenbar konnte man sich nicht mal zwischen den Schwesterparteien auf eine Linie einigen“, lästert die netzpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Verena Osgyan. Wenn es schon keine klar zugeordnete Kompetenzen gebe, sollte Bär zumindest ein Veto-Recht bekommen, fordern verschiedene Digitalverbände.

Manfred Broy, Gründungspräsident des Zentrums Digitalisierung Bayern, wünscht sich von Bär eine digitale Agenda, die Themen priorisiert, klare Vorstellungen formuliert und dadurch Fortschritte überprüfbar macht. „Eine große Herausforderung ist es, die Forschungslandschaft und auch die Forschungsförderung entschlossen auf Digitalisierungsthemen auszurichten“, sagt er. Auch verlangt die Wissenschaft nach einem Ausbau der digitalen Bildung. An bayerischen Schulen müssen sich im Schnitt fünf Schüler einen Computer teilen. Zukünftig sollte auch schon in der Grundschule das Fach Digitalkunde eingeführt werden, so die Experten. Eine Forderung, die Bär teilt.

Weniger Einigkeit besteht beim Thema Datenschutz. Während sich die Wirtschaft für zurückhaltende Regeln bei der Privatsphäre einsetzt, fordern Datenschutzexperten, eine „harte Linie“ zu fahren. „Aber ich erwarte, ist dass man eher auf die Bremse tritt“, sagt Informatiker Christian Grothoff von der Fachhochschule Bern. Bär bezeichnete den aktuellen Datenschutzstandart kürzlich als Relikt aus dem 18. Jahrhundert und kündigte eine smarte Datenkultur für Unternehmen an. Nicht nur die Piratenpartei forderte daher, Bär solle sich beim Thema Datenhoheit auf die Seite der Verbraucher stellen.

Ja, und natürlich gibt es Wünsche nach modernen Mobilitätskonzepten. „Wir möchten, dass künftige Flugtaxis in Bayern gebaut werden, nicht in China“, erklärt Markus Blume, Sprecher für Digitalisierung der Landtags-CSU. Außerdem soll autonomes Fahren auf dem Testfeld der A9 zur Serienreife gebracht werden. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) wünscht sich einen konkreten Zeitplan, wann Gesetze geändert werden, damit automatisiertes Fahren „in den höchsten Entwicklungsstufen“ möglich wird.

Gerade beim autonomen Fahren trauen Experten Bär viel zu. Dass sie sich auskennt, bewies sie bereits bei der Gesetzgebung zum automatisierten Fahren, als sie parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur war. Weniger gut angekommen ist dagegen die Förderpolitik in dieser Zeit: Die Antragsstellung galt als kompliziert, gefördert wurden vor allem langsame Kupferleitungen – ein Zugeständnis an die Telekom. Das soll jetzt aber vorbei sein. Zukünftig setzte man in Berlin nur noch auf schnelle Glasfaserleitungen. Interessant ist nur, wer das ankündigte: Nicht Bär, nicht Infrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) – sondern Kanzleramtsminister Braun. (David Lohmann)

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