Unser Bayern

Wasser ist fürs Bier nicht nur bei dieser Kühlmöglichkeit wichtig. Es besteht selbst aus 90 Prozent Wasser... (Foto: dpa)

29.01.2016

Vom Körper des Bieres

Bier besteht vor allem aus Wasser – seine Herstellung verbraucht viel Wasser. Das tangiert den Grundwasserschutz

Im Gegensatz zu dem als Titel für diesen Beitrag gewählten fast lyrischen Zitat von Alfons Piendl vom Lehrstuhl für Brauereitechnologie der Technischen Universität München zur Rolle des Wassers bei den vom Reinheitsgebot erlaubten Zutaten für das Bier, betrachtet der Chemiker und Wasserwirtschaftler dieses Thema etwas nüchterner: Bier besteht zu mehr als 90 Prozent aus H2O, jenem kleinen, unscheinbaren Molekül aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom. Wasser kommt in der Natur aber nie in seiner chemisch reinen Form vor, sondern hat aufgrund seiner herausragenden Fähigkeit, Stoffe aller Art zu lösen, immer Beimengungen. Diese Salze löst das Wasser aus dem Boden, durch den es auf dem Weg ins Grundwasser oder in die Bäche und Flüsse sickert. Und auf diese Inhaltsstoffe kommt es beim Bierbrauen ganz besonders an. Viele Jahrhunderte, vom Altertum bis um 1910 waren die Brauer auf die Qualität und die Beschaffenheit des Wassers vor Ort angewiesen. Im schlimmsten Fall mussten sie sich mit Oberflächenwasser aus dem Stadtbach begnügen, was stets zu Nutzungskonflikten insbesondere mit den Gerbern und Färbern, aber auch mit den Bürgern führte, die ihre Bäche als Abwasserkanäle nutzten. Frühzeitig suchten die Brauereien deshalb nach anderen Wegen, um an gutes Brauwasser zu gelangen. Meist nutzten sie unbelastete Quellen, möglichst in der Nähe ihrer Braustätten. Gelang dies nicht, musste das Wasser beigeleitet oder herantransportiert werden – was zu erheblichen Kosten führte. Eine allerdings arbeitsintensive Alternative war das Niederbringen von eigenen Brunnen, möglichst auf dem Brauereigelände, aus denen das Wasser zum Brauen geschöpft werden konnte. Damit war zwar eine – meist ganzjährig – gleichbleibende Wasserqualität gesichert. Die Brauer mussten aber mit der vorgefundenen Qualität und Zusammensetzung des Wassers zurechtkommen. So bildeten sich die Hauptbiertypen heraus, auch geprägt von den typischen Inhaltsstoffen des verwendeten Brauwassers der jeweiligen Region. Sie gelten auch heute noch: • Helles, hopfenbetontes Pils braucht weiches, salzarmes Wasser, wie es die Urgesteins-Quellen in der Gegend von Pilsen liefern (wohl auch namensgebend für das Pilsener Urquell).
• Die typisch Münchner dunklen Biere gelingen trotz des harten Münchner Wassers, das für seine hohen Calciumcarbonatgehalte bekannt ist.
• Helles Exportbier, wie es in Raum Dortmund typisch ist, braut sich gut mit ebenfalls hartem Wasser, das aber carbonatarm ist. Darüber hinaus beeinflusst die Zusammensetzung an gelösten Salzen auch die Säurestabilität des Brauprozesses und bestimmt maßgeblich, wie intensiv die Malz- und Hopfeninhaltsstoffe ausgelaugt und in den Sud überführt werden. Solange die Brauer keinen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Menge der jeweiligen Inhaltsstoffe des Brauwassers nehmen konnten, bestimmte vor allem das zur Verfügung stehende Wasser die Biersorten, das Lagerverhalten und auch das jeweilige „Geschmackserlebnis Bier“.
Das änderte sich mit der Möglichkeit, den Kalkgehalt des Brauwassers zu reduzieren und damit die Wasserhärte durch technische Maßnahmen gezielt und kontrolliert herabzusetzen. Durch die gesteuerte Zugabe von Kalkmilch (Calciumhydroxidlösung) und anschließende Filtration lässt sich der Carbonatgehalt von harten Wässern so weit reduzieren, dass damit nahezu alle Biertypen gebraut werden können. Diese Technologie fand in der Zeit um den Ersten Weltkrieg Einzug in die ersten Brauereien und wird, bei einfach aufzubereitenden Wässern, auch heute noch angewandt. Bei Rohwasser, das keinen großen Schwankungen unterliegt, lässt sich dieses Verfahren heutzutage auch in kontinuierlich arbeitenden Enthärtungsanlagen einsetzen. Die nächste Stufe der Aufbereitung des Brauwassers war die Anwendung von technischen Verfahren, die in der Lage sind, alle den Brauprozess störenden Wasserinhaltsstoffe gezielt und kontrolliert zu entfernen. Zum Einsatz kommen dabei zumeist zwei Verfahren, die auch in der Trinkwasseraufbereitung angewendet werden: • Beim Einsatz von Ionenaustauschern wird das störende, weil härtebildende Calcium und Magnesium gegen Wasserstoffionen ausgetauscht; störende Anionen, wie Nitrat, Chlorid oder Sulfat können mit speziellen Anionenaustauschern entfernt werden.
• Eine weitgehende Entsalzung in einem Verfahrensschritt gelingt mit dem Einsatz von Umkehrosmoseanlagen, wie sie zur Entsalzung von Meerwasser für die Nutzung als Trinkwasser entwickelt wurden. Mit beiden Verfahren ist es notwendig, das aufbereitete Wasser vor dem Einsatz als Brauwasser auf den notwendigen Salzgehalt und den Säuregehalt, die sogenannte Rest-Alkalität einzustellen, um damit die Zubereitung der Würze und den Extrakt des Hopfens zu optimieren. Diese Verfahren wurden im Übrigen von den weltweit agierenden Herstellern von Erfrischungsgetränken übernommen. Diese setzen sie ein, um ein einheitliches und gleichbleibendes Geschmacksempfinden sicherzustellen, ganz egal, wo auf der Welt das Produkt letztlich hergestellt wurde. Für die Bierbrauer kann das nicht das Ziel sein, und es wäre aufgrund der Einflüsse der weiteren Zutaten Malz, Hopfen und Hefe so auch gar nicht machbar. Die technische Wasseraufbereitung ermöglicht aber gleichwohl ein definiertes, konstant gleichbleibendes Brauwasser und damit bei standardisierten Brauverfahren auch ein gleichbleibendes Geschmacksempfinden der einzelnen Biersorten und –marken. Das schafft einen hohen Wiedererkennungswert, der entsprechend werblich genutzt werden kann. Andererseits verliert – getreu dem philosophischen Ansatz von Aristoteles „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ – Brauwasser, das vollständig technisch aufbereitet wird, indem es erst von allen Salzen und sonstigen Beimengungen befreit und anschließend gezielt und optimiert für den jeweiligen Biertyp wieder aufgesalzen wird, seine regionaltypische Herkunft. Man könnte auch sagen, dass es seine „Seele“ verliert... (Paul Kruck) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Januar-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 4 vom 29. Januar 2016)

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