Wirtschaft

Zu den Hauptverkehrszeiten wird es eng am Münchner Flughafen. (Foto: Hennies/FMG)

01.06.2012

„Die Menschen fliegen immer öfter“

Münchens IHK Hauptgeschäftsführer über die Notwendigkeit der dritten Startbahn am Münchner Flughafen

Am 17. Juni sind die Einwohner der Landeshauptstadt München aufgerufen, ihre Stimme für oder gegen den Bau der dritten Startbahn am Münchner Flughafen abzugeben. Wir sprachen mit Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK München und des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, über die Notwendigkeit des umstrittenen Projekts. BSZ: Herr Driessen, warum braucht der Münchner Flughafen die dritte Start- und Landebahn?
Driessen: Weil die Menschen, sei es im touristischen oder im geschäftlichen Bereich, trotz steigender Energiekosten und trotz Einsatzes größerer Flugzeuge immer mehr fliegen.Außerdem darf man die Luftfracht nicht vergessen. BSZ: Wozu ist den Luftfracht nötig?
Driessen: Für manche Güter ist sie absolut wichtig – gerade in der weltweiten Ersatzteilversorgung. Wenn in China zum Beispiel die Produktion stillsteht, weil ein Teil eines bayerischen Maschinenbauers benötigt wird, muss dieses Teil möglichst schnell dorthin geflogen werden. Und darüber hinaus hat der Münchner Flughafen ja eine Drehkreuz-Funktion. BSZ: Was bedeutet das?
Driessen: Dass er für die Menschen in einem Radius bis Norditalien, Salzburg, Teilen Oberösterreichs und Teilen der Tschechischen Republik die entsprechenden interkontinentalen Verbindungen zur Verfügung stellt. BSZ: Könnte man den zusätzlichen Flugverkehr, der in München in den kommenden Jahren erwartet wird, nicht nach Nürnberg umlenken? Dort kriselt der Airport ja, weil die Fluggastzahlen rückläufig sind. Und den Menschen im Erdinger Moos erspart man noch mehr Fluglärm, weil man keine dritte Bahn braucht.
Driessen: Das ist völlig irreal. Denn der Fluggast will kurze Umsteigezeiten und nicht erst von München nach Nürnberg bzw. umgekehrt mit der Bahn reisen müssen, um seinen Anschlussflug zu bekommen. Luftverkehrsdrehkreuze entwickeln sich aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit und die wäre mit so einer Lösung nicht mehr gegeben. BSZ: Wie stehen denn die Mitgliedsbetriebe der IHK München zur dritten Startbahn?
Driessen: Die Vollversammlung hat sich für den Bau ausgesprochen. Und die Unternehmen im Kammerbezirk Erding-Freising, die von den Folgen des Ausbaus betroffen sind, sind nach einem ausführlichen Abwägungsprozess ebenfalls dafür. Dennoch sind wir uns durchaus der negativen Folgen bewusst. Darum müssen ja auch einige andere Forderungen im Zuge des Baus der dritten Bahn erfüllt werden. BSZ: Und die wären?
Driessen: Die Schienen- und Straßenanbindung des Münchner Airports muss dringend verbessert werden. Die regionale Wirtschaft ist beim Bau der dritten Bahn mit einzubeziehen. Und die Befürchtung, dass mit der Expansion am Flughafen, nicht genügend Arbeitskräfte zu mobilisieren seien, wird sich wie schon in der Vergangenheit als unbegründet erweisen. BSZ: Warum?
Driessen: Weil der Wirtschaftsraum München insgesamt nach wie vor stark wächst und sehr viele Menschen aus anderen Regionen hierherziehen. Somit wird es auch künftig ein gutes Arbeitskräftereservoir geben. Nur der Wohnraum wird knapp. BSZ: Was ist in hier zu tun?
Driessen: Das ist eine gemeinsame Aufgabe der Landeshauptstadt München und der Umlandgemeinden. So wurde ja bereits in den vergangenen Jahren beispielsweise in Neuried, Markt Schwaben, Vaterstetten sowie in Ober- und Unterschleißheim viel gebaut. Aber München blieb 2010 mit der Baufertigstellung von 3700 neuer Wohnungen hinter seinem selbst gesteckten Ziel von 6000 Einheiten zurück.

BSZ: Kann da der Bund helfen?
Driessen: Nein. Denn aufgrund der Leerstände in anderen Städten und Regionen Deutschlands gibt es keine Bundesförderung mehr. Und der Freistaat steht mit der Abwanderung aus den nördlichen und östlichen Landesteilen ebenfalls unter Druck. Also muss sich die Region selbst helfen. BSZ: Und wie?
Driessen: Nur durch Bauen. So kann man den Preisdruck reduzieren. BSZ: Wie ist denn mit den unmittelbar vom Fluglärm Betroffenen umzugehen?
Driessen: Mit der neuen Bahn wird es noch einmal lauter. Das ist völlig unbestritten und das muss man auch ganz offen und ehrlich sagen. Aber ich setze ganz stark auf Neuentwicklungen bei den Flugzeugtriebwerken. Diese sind deutlich leiser, spritsparender und haben einen geringeren CO2-Ausstoß.

BSZ: Ist das nicht das Prinzip Hoffnung, dass ausgerechnet nur noch in München Flieger mit leisen Triebwerken landen?
Driessen: Nein, dann man kann ja aktiv steuern – über gestaffelte Start- und Landegebühren zum Beispiel. Je nach Flugzeugtyp – ob laut oder leise – oder je nach Tageszeit kann man andere Gebühren verlangen. somit hat der Flughafen es schon in der Hand, ob vermehrt Flüsterjets oder Höllenmaschinen im Erdinger Moos landen. Und man kann die Flugrouten beeinflussen und die An- beziehungsweise Abflugwinkel. BSZ: Wie bewerten Sie die politische Dimension der dritten Startbahn? Driessen: Ich bin froh, dass eine signifikante Mehrheit aus CSU, SPD und FDP hinter der dritten Bahn steht.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

Kommentare (4)

  1. Hahu am 05.06.2012
    "Wenn in China zum Beispiel die Produktion stillsteht, weil ein Teil eines bayerischen Maschinenbauers benötigt wird, muss dieses Teil möglichst schnell dorthin geflogen werden." Zuerst werden also die bayerischen Produktionsstandorte wegen des günstigeren Personals in den Osten Europas und nach China ausgelagert und jetzt soll die Beövlkerung darunter leiden, wenn die Kapazitäten nicht mehr reichen, Einzelteile aus Bayern dorthin zu transportieren???
  2. fränki am 04.06.2012
    Bezeichnend für vorherrschende Missachtung der Fehl-Steuerungen unserer Landesentwicklung in Bayern/Deutschland ist wieder einmal, dass die Vernunft (ein Automobilteil aus Ingolstadt kann auch
    zum Frachtverkehr nach Nürnberg verschafft werden) komplett ausgeschaltet wird, wenn das Motto
    - größer, teuerer, wichtiger und wertschöpfender - einzige Priorität des wirtschaftlichen und politischen Handelns ist. Man steuert München sehenden Auges in den Wohnungs-, Verkehrs-, Kinderbetreuungs- und Umweltkollaps - anstatt die Logistikkapazitäten anderer Flughafenstandorte und die Kompetenzen
    bayernweiter Wirtschaftsstandorte auch nur annähernd mit einem Bruchteil dessen zu versorgen, was
    in München Jahr für Jahr angesiedelt wird. Gewohnt wird dort wo gearbeitet werden kann;
    arbeiten kann man heutzutage in vielen Branchen (fast) überall wo es Strom und Internet gibt -
    Münchner verhindert euren eigenen Super-Gau - stimmt gegen die dritte Startbahn und gebt von Eurem Wirtschafts- und Flughafen-Job-Wunder-Wahnsinn ein bisschen was an den Rest Bayerns ab -
    dort sind nämlich fast überall noch Kapazitäten frei - bevor ihr an Fluglärm und zubetoniertem Lebensraum kaputt geht.
  3. Kerosini am 04.06.2012
    Wenn es nur um die Luftfracht geht, wieso denkt man dann nicht über einen Ausbau der Flughäfen Pfaffenhofen, Starnberg, Augsburg oder Memmingen nach? So würde sich das Fluglärmproblem auf alle umliegenden Regionen gleichmäßig verteilen und der Airport in München hätte wieder mehr Kapazitäten für Passagiermaschinen. Von dieser Win-Win-Situationen würde das Umland und die Anwohner in München in profitieren.
  4. laus am 04.06.2012
    Bezeichnend, wenn dem IHK-Geschäftsführer zum Ausgleich der negativen Folgen nur eine bessere Schienen- und Straßenanbindung des Flughafens einfällt. Toller Ausgleich für die Anwohner! Noch mehr Beton, noch mehr Lärm! Und die Hoffnung auf leisere Triebwerke!
    Ich hoffe auf die Vernunft der Münchnerinnen und Münchner, auf das Ende des quantitativen Wachstumswahns, auf qualitatives Wachstum usw.
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