Wirtschaft

Im Ausland wurde der Wohnungsbau weitaus besser gerfördert - das machte den deutschen Markt für Firmen uninteressant. (Foto: DPA)

13.06.2014

Die Stadt soll nicht verkaufen und viel neu bauen

Wirtschaftsforum der Sozialdemokratie diskutiert mögliche Lösungen für mehr bezahlbaren Wohnraum im Großraum München

„Das ist eine besondere Premiere“, freut sich Hildegard Kronawitter, Vorsitzende des Wirtschaftsforums der Sozialdemokratie. Denn zur ersten Veranstaltung des Forums sind Experten aus Wirtschaft, Politik und dem Bausektor gekommen, die sich gemeinsam fragen: Sind in München Wohnen und Bauen noch bezahlbar? Und wie kann man die Lage verbessern?
Für die Wohnraumverknappung in München sind viele Gründe verantwortlich: Urbanisierung, Individualisierung, Nebenkosten, Raum- und Flächenfraß sind allgemein bekannte Faktoren, aber auch die Energiewende sowie die Steuerlast, die auf Neubauten entfällt, tragen dazu bei, dass bezahlbare Mietwohnungen in München immer schwieriger zu finden sind. „Wichtig genug ist das Problem ja“, weiß Ernst Böhm. Der Vorsitzende der B&O-Gruppe Wohnungswirtschaft kennt das von seiner langjährigen Arbeit in München und Umgebung. Aber wie konnte die massive Wohnraumknappheit im Münchner Raum überhaupt entstehen? „Früher haben alle Mietwohnungen gebaut. Heute macht das niemand mehr!“, erklärt Ernst Böhm. Die Wohnungen, die existieren, würden außerdem nicht mehr vermietet, sondern viel eher verkauft. Als Grund für diese Entwicklung nennt Böhm die „Misswirtschaft“ großer Mietwohnungsbauer. Im Wohnungsverkauf der Neuen Heimat etwa sieht er den ersten Schritt, „um die Gemeinnützigkeit des Wohnungsbaus fallen zu lassen.“
Aber damit nicht genug. Detailliert zeigt Böhm auf, an welchen Stellen seiner Meinung nach nicht vorausschauend geplant wurde, als es um neue Mietwohnungen ging. Ein wichtiger Faktor: Im Ausland wurde gebaut und Bauen gefördert, und Krisen in andern Ländern haben auch die Münchner Wohnungswirtschaft geschwächt.
Was soll die Stadt nun tun? „Wohnungen nicht verkaufen und Wohnungen neu bauen“, rät Böhm und stellt Lösungswege vor, die das Wohnen in München wieder preiswerter machen können. Wenn es nach Ernst Böhm geht, sollte Geld aus Wohnungsverkäufen in den Neubau investiert werden, und Versicherungen und Versorgungswerke sollten ebenfalls in Neubauten investieren, nicht in den Kauf von Bestandswohnungen.

Auch die Mietpreisbremse verteuert Wohnungen


Wichtige Botschaft der Veranstaltung: Auch eine Mietpreisbremse kann den Mietpreis erhöhen. Denn wenn die Wohnungsbesitzer wissen, dass sie die Miete nicht erhöhen können, steigen sie eben gleich höher ein. „Hat sich statt dessen schon einmal jemand Gedanken über eine Nebenkostenbremse gemacht?“ Kritisch hinterfragt Ernst Böhm die Wohnlage in München.
Problematisch gestaltet sich das Bauen neuer Wohnungen wegen der Flächenknappheit, deshalb müsse die Lösung im Umland liegen, so Böhm. Dies geböten schon allein die natürliche Grenze bei der Wohnraumverdichtung und die maximale Bauhöhe. Doch dass das Umland ebenfalls keine einfache Lösung ist, veranschaulicht Böhm am Beispiel der Gemeinde Ebersberg: Kaum eine Gemeinde wolle wachsen und Bauland für Münchner ausweisen. Deshalb rät Böhm, die Stadt solle die Gemeinden bei den Folgekosten entlasten – etwa beim Bau von notwendiger Infrastruktur, Kindergärten, ÖPNV.
Angelika Obermayr (Grüne) kennt das Thema zur Genüge. Die Grafinger Bürgermeisterin weiß: „Grafing ist eine kuschelige Kleinstadt, in der sich Zuzügler wohl fühlen.“ Aber niemand verkaufe den Grund und Boden, den er habe, wenn er das Geld nicht dringend nicht brauche. Zudem könnten an den Infrastrukturanforderungen kleine Gemeinden auch zugrunde gehen.
Ernst Böhm nennt noch ein weiteres Problem für Neubauten: Bei der Baukultur und bei den Genehmigungsverfahren müsse ebenfalls angesetzt werden. Böhm kennt die immensen Umstände, die man für den Bau neuer Wohnung auf sich nehmen muss, und er fordert: „Es muss eine positive Baukultur entstehen! Bauende dürfen nicht wie Ausbeuter und Bittsteller behandelt werden.“ Zudem müssten Baukosten gesenkt werden, wenn wieder mehr Mietwohnungen gebaut werden sollen. Hauptproblem für Ernst Böhm: Die Gewerketrennung, die er mit einer mittelalterlichen Organisationsweise vergleicht und die für ihn nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn man konkret sparen wolle, sollte eine Plattformstrategie – ähnlich einem universellen Fertighausbausatz – gefördert und die Gewerketrennung zurückgefahren werden.
Und wer soll nun bauen? Das fragen sich auch die Gäste des Wirtschaftsforums. Ernst Böhm ist sicher: „die großen Vermögenssammler“, also Banken und Versorgungswerke, sollen Geld gezielt in den Bau von Mietwohnungen investieren, und GEWOFAG und GWG sollten im Umland bauen dürfen. Zusammen mit seinen anderen vorgeschlagenen Maßnahmen könnte dann die Wohnungsknappheit in München entspannt werden. (Maria-Mercedes Hering)

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