Wirtschaft

Peter Ramsauer ist SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel „sehr dankbar“, dass er auf die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente besteht. (Foto: dpa)

08.07.2016

"Ja zu TTIP, aber nicht auf Biegen und Brechen"

Peter Ramsauer, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag, über die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen

Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie ist Peter Ramsauer (CSU) auf deutscher Seite auch für die transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TIPP federführend. Dazu gehen die Meinungen aber noch weit auseinander. Wir sprachen mit ihm darüber. BSZ: Herr Ramsauer, die schwedische EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vertritt die Ansicht, die Verhandlungen zu TTIP könnten bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Sie strebe eine Einigung vor den US-Wahlen im November an. Sehen Sie das auch so?
Ramsauer: Das ist eine Illusion! Einen Abschluss der Verhandlungen in den nächsten sechs Monaten halte ich für völlig ausgeschlossen! Meine Prognose: Vor den Präsidentschaftswahlen geht nichts mehr. Seit Beginn der Verhandlungen vor drei Jahren gab es 13 Verhandlungsrunden. Die 14. Runde steht unmittelbar bevor, und die Positionen liegen in den meisten Bereichen noch meilenweit auseinander. Die Verhandler sind sich ja oft nicht einmal über die Überschriften der Kapitel einig! Über einen Satz allerdings schon: „Substanz geht vor Schnelligkeit.“ Und der ist ja auch richtig.

BSZ: Was macht Sie so pessimistisch?
Ramsauer: Nicht pessimistisch, aber realistisch! Ich habe mit dem US- Handelsbeauftragten Michael Froman, mit dem US-Verhandlungsfüh-rer Mullaney und allen führenden Verhandlungspartnern auf Seiten der Amerikaner und der EU gesprochen. Die sind noch weit von einem Ergebnis entfernt. Das liegt auch an streckenweise grundlegend verschiedenen Mentalitäten und politischen Kulturen diesseits und jenseits des Atlantiks.

BSZ: Die Verhandlungen werden aber von Gremien geführt, die vom Ausgang der Präsidentenwahl völlig unabhängig sind. Arbeiten die nicht weiter?
Ramsauer: Doch, das tun sie. Von den Gremien in den USA ist jedoch derzeit kein großer Ehrgeiz bei TTIP zu erkennen. Vor allem nicht, den Europäern inhaltlich entgegenzukommen. In diesen Zeiten ist eben in den USA der Blick immer mehr nach innen gerichtet.

BSZ: Es gibt andere Meinungen, die befürchten, dass nach der Regierung von Präsident Obama das Abkommen endgültig gescheitert ist.
Ramsauer: Solche Sprüche von Druckmachern höre ich, seit ich im Bundestag bin: „Wenn etwas nicht jetzt gleich geht, dann geht gar nichts mehr!“ Davon lassen wir uns im Wirtschaftsausschuss nicht beeinflussen. Gelassenheit und Beharrlichkeit in der Sache sind viel wichtiger.

BSZ: Sie haben immer auf maximale Transparenz bei den Verhandlungen gepocht. Hatten Sie Erfolg?
Ramsauer: Der Lese-Raum, in dem wir Abgeordnete Einblick in die laufenden Verhandlungen nehmen können, ist bereits ein großer Fortschritt. Wir Abgeordneten nutzen diese Möglichkeit auch intensiv.

BSZ: Sie haben lange dafür gekämpft und zugleich daran gezweifelt, dass der Bundestag und andere nationale Parlamente überhaupt dazu gefragt werden sollen. Sind Sie jetzt zufrieden?
Ramsauer: Was die Erfordernis der Ratifizierung des TTIP-Abkommens durch die jetzt noch 28 EU-Parlamente betrifft, traue ich weder dem EU-Kommissions-Präsidenten Juncker noch der EU-Kommissarin Malmström über den Weg.

BSZ:
Worauf beruht dieses Misstrauen?
Ramsauer: Weil beide auch bei CETA lange Zeit zugesichert hatten, dass die nationalen Parlamente zustimmen müssen, eben weil es sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen handelt. Plötzlich wurde dies wieder verneint. Nur aus der Furcht vor den Konsequenzen des Brexit hat die Kommission jetzt schließlich doch diese Zustimmungserfordernis der Nationalparlamente bejaht.

BSZ: Das ist aber doch extrem umständlich. Warum ist das denn so wichtig? Einige EU-Mitglieder – wie etwa Italien – haben da bereits abgewinkt.
Ramsauer: Wenn andere Staaten auf ihre Mitwirkungsrechte verzichten, ist das deren Sache. Aber es handelt sich in meinen Augen bei CETA wie TTIP um sogenannte Gemischte Abkommen. Das heißt: Sie betreffen ja nicht nur den Handel, sondern viele Bereiche der nationalen Gesetzgebung wie zum Beispiel Investitionsschutz, Umwelt- und Verbraucherschutz etc. Darüber entscheidet bei uns eben der Bundestag.

BSZ: Haben Sie denn zu den Amerikanern mehr Vertrauen als zur EU?
Ramsauer: Mit Vertrauen und Misstrauen bei solchen Verhandlungen ist es so eine Sache. Den Amerikanern liegt natürlich zuvörderst daran, ihre eigenen Interessen durch-zusetzen. Umso entschlossener muss die EU-Kommission als Verhandlungsführer die europäischen und damit auch unsere deutschen Interessen bündeln.

BSZ: Wo zum Beispiel sind diese besonders wichtig?
Ramsauer: Dazu gehören etwa Streitschlichtungs-Verfahren, die unserer Rechtskultur entsprechen, ebenso wie keinerlei Zwang zu Privatisierungen, etwa in der gemeindlichen Wasserwirtschaft. So kann man dann über beiderseits tragbare Kompromisse verhandeln.

BSZ: Ihr Nachfolger im CSU-Parteivorstand und Fraktionschef im Europa-Parlament, Manfred Weber, wirbt aber unverdrossen für das TTIP-Abkommen?
Ramsauer: Das mache ich ja auch. Aber solche Freunde wie die Amerikaner machen einem das Leben schwer. Grundsätzlich bin ich der gleichen Ansicht wie Manfred Weber: Das Abkommen ist sehr wichtig für Deutschland und Europa. Aber europäische und auch deutsche Interessen müssen gewahrt bleiben! Sowohl die USA als auch Europa müssen größtes Interesse haben, ihre wirtschaftlichen Kräfte zu bündeln. Gemeinsam mit den USA würden wir Europäer etwa 45 Prozent der Weltwirtschaftsleistung vertreten. Damit könnten wir weltweit Standards, Normen und Handelsbedingungen prägen und dies nicht anderen überlassen, etwa Chinesen oder Indern. Und viele Auswüchse könnten wir dadurch zähmen.

BSZ:
Aber wenn TTIP an nationalen und den bekannten ideologischen Widerständen scheitert?
Ramsauer: In diesem Fall würden wir in der Weltwirtschaft langfristig keine große Rolle mehr spielen. Was schert es etwa 1400 Millionen Chinesen und fast genauso viele Inder, was 500 Millionen Europäer wollen? Aber die EU hat ja bereits rund 40 derartige Freihandelsabkommen mit anderen Ländern und 27 weitere sind in Verhandlungen – zum Teil schon seit 20 Jahren. Darum bin ich bei TTIP auch durchaus optimistisch.

BSZ: Wie stellen Sie sich nun vor, dass es mit TTIP nach der Präsidentenwahl in den USA weitergeht?
Ramsauer: Wir sollten die Verhandlungen in aller Ruhe weiterführen, ohne auf die Präsidentschaftswahlen in den USA zu starren! Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Bedeutung dieses Abkommens, aber ohne jeden Zeitdruck. Zweitens müssen wir unmissverständlich für die deutschen und europäischen Interessen eintreten. Aber drittens müssten sich die deutsche Wirtschaft und auch die Gewerkschaften ebenfalls noch stärker öffentlich zu TTIP bekennen und nicht nur alles der Politik überlassen!
(Interview: Hannes Burger)

Kommentare (1)

  1. Allgäuer am 09.07.2016
    Ja, Herr Ramsauer, wenn alles so wunderbar ist, warum wird hinter verschlossenen Türen verhandelt und warum sind die Dokumente nicht öffentlich zugänglich? Diese Geheimniskrämerei macht aus Befürwortern Gegner! Wenn es nicht's zu verbergen gibt, können sie die Verhandlungen öffentlich führen oder?
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