Ausschreibung und Vergabe

Bei kommunalen Grundstücksverkäufen kommt es auf den Zweck an. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

17.01.2020

Keine Ausschreibung bei Zweckbindung

Vergabekammer Südbayern zur Anwendung des Vergaberechts beim Verkauf kommunaler Grundstücke

Eine bayerische Stadt hatte ein ihr gehörendes Grundstück samt den darauf befindlichen Gebäuden seit 2005 an einen gemeinnützigen Verein zum Betrieb eines Seniorenzentrums vermietet. Aufgrund des Alters der Gebäude und neuer gesetzlicher Bestimmungen an bauliche Mindestanforderungen überlegte der Verein einen Neubau unter der Prämisse, das Grundstück zu erwerben. Die Stadt holte von einem Sachverständigenbüro für Immobilienbewertung eine gutachterliche Stellungnahme zum Grundstückswert ein.

Die Kaufvertragsverhandlungen mit der Stadt scheiterten. Da diese Interesse am weiteren Betrieb des Seniorenzentrums hatte, veräußerte sie schließlich das Grundstück ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens direkt an einen anderen gemeinnützigen Träger (Stiftung) mit der vertraglich vereinbarten Zweckbindung, das Grundstück auf die Dauer von 30 Jahren nicht zu anderen Zwecken als zum Betrieb eines Seniorenzentrums zu nutzen.

Stadt hätte europaweit ausschreiben müssen

Die Verpflichtung wurde mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gesichert. Des Weiteren wurde der Stadt zur Sicherung der Zweckbindung ein Wiederkaufsrecht nach §§ 456 ff. BGB eingeräumt. Einklagbare Bau- oder Betriebsverpflichtungen wurden nicht vereinbart. Auch erhielt die Stadt keine Nutzungs- oder Belegungsrechte. Ein Wettbewerber des Käufers, ein privater Betreiber von Seniorenzentren, erfuhr vom Grundstücksverkauf. Er war der Ansicht, die Stadt hätte europaweit nach VgV ausschreiben müssen, weshalb der Grundstückskaufvertrag nach § 135 GWB unwirksam sei. Der bei der Vergabekammer Südbayern gestellte Nachprüfungsantrag blieb indessen erfolglos (Beschluss vom 6. November 2019 – Z3-3-3194-1-09-03/19). Die Sache ist noch nicht bestandskräftig, da sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht München eingelegt wurde.

Die Münchner Nachprüfungsbehörde ist der Ansicht, dass es sich beim Verkauf des Grundstücks trotz der vertraglich geregelten Zweckbindung nicht um einen öffentlichen Auftrag oder eine Konzession handelte. Der Neubau beziehungsweise die Sanierung sowie der Betrieb des Seniorenzentrums über weitere 30 Jahre mögen bei dem Verkauf des Grundstücks Motive der Stadt gewesen sein. Im konkreten Fall habe es dennoch keinen entgeltlichen Beschaffungsvorgang gegeben, der das Regime des Vergaberechts hätte begründen können. Die vonseiten der Stadt mit dem Grundstückskaufvertrag verbundenen Erwartungen, dass sich die Käuferin vertragskonform verhält und die vertraglich geregelte Zweckbindung einhält, ließen sich auf Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen nicht erzwingen.

Bei den lediglich erwünschten Leistungen des Betriebs oder der Sanierung beziehungsweise des Neubaus eines Seniorenzentrums handelte es sich um keine einklagbaren Verpflichtungen. Bei Nichterfüllung dieser vertraglichen Verpflichtungen bliebe der Stadt lediglich das Wiederkaufsrecht, das einer Einklagbarkeit der Leistung gerade nicht gleichsteht. Daher beinhaltet das streitgegenständliche Grundstücksgeschäft auch keine Bau- oder Dienstleistungskonzession; § 105 GWB. Konzessionen sind nach § 105 Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge, mit denen ein oder mehrere Konzessionsgeber ein oder mehrere Unternehmen mit der Erbringung von Bauleistungen beziehungsweise Dienstleistungen betrauen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks beziehungsweise Verwertung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.

Begrifflich liege dem der Gedanke zugrunde, dass sich der Auftragnehmer beziehungsweise Konzessionär verpflichtet, die Leistung, die Gegenstand des Vertrags ist, gegen eine Gegenleistung zu erbringen. Die Leistung des Auftragnehmers müsse ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse für den öffentlichen Auftraggeber bedeuten. Die Zweckbindung über 30 Jahre zum Betrieb eines Seniorenzentrums stelle jedoch im Hinblick auf das allgemeine öffentliche Interesse an dieser Dienstleistung keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil der Stadt dar.

Stadt ist begrifflich keine Konzessionsgeberin

Dies gelte insbesondere, da die pflegerische Versorgung der Bevölkerung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von § 8 SGB XI nicht den Kommunen als originäre Aufgabe beziehungsweise Pflichtaufgabe zugewiesen wird. Die Stadt fördere daher mit dem Verkauf eines gemeindlichen Grundstücks zwar einen gemeinnützigen Zweck. Jedoch erfülle die Stiftung als Erwerberin damit eine eigene, gemeinnützige Aufgabe entsprechend ihres Stiftungszwecks und nicht eine Aufgabe der Stadt. Weder eventuelle Bauleistungen noch die betreffenden Dienstleistungen kommen der Stadt zu, sodass sie begrifflich keine Konzessionsgeberin ist.

Die Vergabekammer Südbayern konkretisiert in ihren Entscheidungsgründen die grundlegende Entscheidung des EuGH vom 25. März 2010, C-451/08 zur Frage, ob kommunale Grundstücksverkäufe (europaweit) ausschreibungspflichtig sind. Erforderlich für eine Ausschreibungspflicht wäre jedenfalls ein entgeltlicher Beschaffungsvorgang mittels einer einklagbaren Vertragspflicht. Das wird auch durch die Richtlinie 2014/23/EU und durch das neue GWB in der Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes durch die Ausführungen in Erwägungsgrund 12 der Richtlinie bestätigt. Demnach unterfallen Handlungsformen, bei denen der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers keine selbstständig durchsetzbare Verpflichtung eingeht, einen bestimmten Erfolg zu erzielen, sondern erhaltene Gelder bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch allenfalls zurückzahlen muss, nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/23EU.
(Andreas Zöpfl)

(Der Autor ist promovierter Fachanwalt für Vergaberecht, für Verwaltungsrecht sowie für Privates Bau- und Architektenrecht bei Roithmaier Rechtsanwälte in München.)

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