Ausschreibung und Vergabe

Um einen Mietvertrag in einem noch fertigzustellenden Gebäude gab es Streit. (Foto: dpa/Horst Ossinger)

04.09.2020

Mietverträge müssen nicht ausgeschrieben werden

Vergabekammer Bund zur Abgrenzung von Gebäudemiete zum Bestellbau

Ein öffentlicher Auftraggeber schloss einen Vertrag über die Anmietung eines noch neu zu errichtenden Gebäudes ab. In dem Gebäude sollten die bisherigen Dienststellen räumlich zusammengefasst werden und einziehen. Die geplante Nutzungsdauer betrug zehn Jahre mit drei Verlängerungsoptionen von je einem Jahr. Der Mietvertrag beinhaltete eine „Mietbaubeschreibung“, die Angaben zur Erschließung, zur Fläche des Bürohauses, den Stellplätzen, Fenstern, Türen, Wänden und Decken, Böden, Beleuchtung, Elektroinstallation und so weiter umfasste. Zudem war dem Mietvertrag eine Schnittstellenliste mit Raumbuch, Anforderungen an die Barrierefreiheit, Anforderungen an die Telekommunikations- und IT-Infrastruktur sowie Basisanforderungen an die Netzinfrastruktur und Verkabelung beigefügt.

Ein anderer Vermieter rügte den Mietvertragsabschluss als vergaberechtswidrig, weil es sich bei der Miete um einen Bestellbau handeln würde, der nach den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers gebaut beziehungsweise angepasst würde. Hierbei handele es sich um einen öffentlichen Bauauftrag und keinen vergaberechtsfrei zu beschaffenden Mietvertrag. Der öffentliche Auftraggeber wies die Verfahrensrüge zurück, weshalb der andere Vermieter die Nachprüfung beantragte. Ohne Erfolg.

Die Vergabekammer Bund (Beschluss vom 17. Dezember 2019 – VK 2-88/19) wies den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurück. Nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist das Vergaberecht nicht anzuwenden unter anderem auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für die Miete von vorhandenen Gebäuden, ungeachtet ihrer Finanzierung. Die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands entfällt nicht bereits deshalb, weil der Mietvertrag ein erst noch zu errichtendes Gebäude betrifft, die Vorschrift aber nur die Miete vorhandener Gebäude erwähnt. Denn es entspricht Sinn und Zweck des grundsätzlich eng auszulegenden Ausnahmetatbestands, solche Verträge über zu mietende Gebäude zu erfassen, die typischerweise keine spezifischen Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers enthalten, die bei funktionaler Betrachtung zur Annahme eines vergaberechtspflichtigen öffentlichen Bauauftrags führen müssten. Auch noch zu errichtende Gebäude können daher zwar der Ausnahmevorschrift des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB unterfallen, wenn sie nach der Konzeption des Vermieters errichtet werden, ohne dass die öffentliche Hand als Mieterin wesentlichen, bestimmenden Einfluss auf diese Konzeption ausübt. Denn nach § 103 Abs. 2 Satz 2 GWB liegt ein öffentlicher Bauauftrag vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat. Diese Vorschrift soll sogenannte Bestellbauten durch einen öffentlichen Auftraggeber erfassen.

Entscheidender Einfluss fehlt

Nach Überzeugung der Vergabekammer fehlt es vorliegend an einem entscheidenden Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf Art und Planung der Bauleistung. Zwar stehen ihm hier gewisse Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der Mietsache zu, wie etwa den Bodenbelag. Diese betrifft jedoch vornehmlich die reine Ausstattung des Gebäudes, nicht jedoch das Gebäude und dessen Konzeption als solche. Ohnehin führt der Umstand, dass überhaupt Einfluss auf die Gestaltung eines Gebäudes genommen wird, nicht per se und automatisch dazu, von einem öffentlichen Bauauftrag ausgehen zu können. Schließlich ist es bei Verhandlungen über einen Gebäudemietvertrag marktüblich, dass mieterseitig stets mehr oder weniger Anforderungen an das zu mietende Objekt gestellt werden, deren Umsetzung vermieterseitig typischerweise aufgegriffen werden und in die Kalkulation des Mietzinses einfließen können. Würde jede Form einer solchen Einflussnahme durch den Mieter sogleich zur Einordnung als öffentlicher Bauauftrag führen, liefe der Ausnahmetatbestand des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB letztlich leer. Von einem entscheidenden Einfluss des öffentlichen Auftraggebers ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn die ursprüngliche Gebäudekonzeption zumindest spürbar von dem abweicht, was schließlich im Mietvertrag vereinbart wurde und sich der Hauptgegenstand des Vertrags somit in der Sache als öffentlicher Bauauftrag herausstellt. Ein derartiger Einfluss des öffentlichen Auftraggebers lag hier nach Überzeugung der Vergabekammer des Bundes nicht vor.

Zum einen wurde die grundlegende Kubatur des Gebäudes nicht beeinflusst. Zum anderen haben die Anforderungen zum Raumbedarfsplan, zu den Grundlagen der EDV-Verkabelung und zur Netzinfrastruktur sowie zur Barrierefreiheit keinen entscheidenden Einfluss auf die Planungen des Vermieters gezeigt. Schließlich spricht auch die grundsätzlich auf höchstens 13 Jahre begrenzte Dauer des Mietverhältnisses gegen einen Bestellbau des öffentlichen Auftraggebers, so die Bonner Nachprüfungsbehörde.
(Holger Schröder)
(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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