Ausschreibung und Vergabe

Um die Ausschreibung von Reinigungsdienstleistungen gab es Streit. (Foto: dpa/Frank May)

30.04.2021

Nachprüfungsantrag ist begründet

Vergabekammer Nordbayern zur Vergabe von Aufträgen im Verhandlungsverfahren

In dem zugrunde liegenden offenen Verfahren schrieb der Auftraggeber Reinigungsdienstleistungen aus. Neben anderen Bietern gab auch die Antragstellerin ein Angebot ab. Weil in den Vergabeunterlagen ein Fehler enthalten war und dieser Fehler erst durch die Abänderung der Vergabeunterlagen durch andere Bieter auffiel, teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass er das Verfahren aufgehoben habe und die Vergabe jetzt als Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchführe. Dies sei nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV zulässig, weil die Vergabeunterlagen nicht wesentlich geändert worden seien.

Nachdem die Antragstellerin die neuen Vergabeunterlagen erhalten hatte, rügte sie unter anderem die Wahl des Verfahrens. Sie ist der Ansicht, dass das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtswidrig ist, weil bereits die Aufhebung des offenen Verfahrens rechtswidrig gewesen sei. Dennoch gab sie ein Angebot ab. Nachdem der Auftraggeber die Rüge zurückgewiesen hatte, beantragte die Antragstellerin die Nachprüfung.

Aus dem Vergabevermerk geht hervor, dass die Antragstellerin gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, weil der Auftraggeber ihr gegenüber hinsichtlich der Reinigungsdienstleistung in einem anderen Gebäude eine außerordentliche Kündigung wegen Schlechtleistung ausgesprochen hatte. Nach Ansicht der Vergabekammer Nordbayern ist der Nachprüfungsantrag begründet. Der Auftraggeber habe nach der Aufhebung des offenen Verfahrens ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt, ohne dass die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV vorgelegen hätten.

Transparenten Wettbewerb sicherstellen

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV könne ein öffentlicher Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb dann vergeben, wenn in einem offenen oder einem nicht offenen Verfahren keine oder keine geeigneten Angebote oder keine geeigneten Teilnahmeanträge abgegeben worden seien, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend geändert worden seien. Gedanklicher Hintergrund dieser Regelungen sei, dass der öffentliche Auftraggeber ursprünglich ein Verfahren gewählt habe, durch das ein transparenter und nichtdiskriminierender Wettbewerb sichergestellt gewesen sei und jenes Verfahren aufgrund dem Auftraggeber nicht zurechenbarer Gründe erfolglos geblieben sei. Vorliegend sei der Auftraggeber jedoch für die Aufhebung des Vergabeverfahrens verantwortlich, weil er einen Lohnzuschlag falsch vorgegeben habe. Somit lägen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV nicht vor, denn der Fehler, der die Wertung der eingegangenen Angebote verhindere und zur Aufhebung des Vergabeverfahrens geführt habe, sei vom Auftraggeber verschuldet gewesen.

Durch das falsch gewählte Vergabeverfahren drohe der Antragstellerin auch ein Schaden. Denn eine Rechtsverletzung der Antragstellerin und ein drohender Schaden gemäß § 160 Abs. 2 GWB lägen bereits dann vor, wenn die Antragstellerin im Fall eines ordnungsgemäßen neuen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könne als in dem beanstandeten Verfahren, das heißt, wenn ihre Aussichten auf Erteilung des Auftrags ohne neues Vergabeverfahren zumindest verschlechtert worden sein könnten. Dies habe die Antragstellerin schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen.

Auch der Umstand, dass die Antragstellerin an dem Verhandlungsverfahren habe teilnehmen und ein Angebot habe abgeben dürfen, rechtfertige es nicht, eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu verneinen. Ein Verhandlungsverfahren könne grundsätzlich die Zuschlagschancen der Antragstellerin im Vergleich zum offenen Verfahren beeinträchtigen, denn beim finalen Angebot des Verhandlungsverfahrens könne das ursprünglich wirtschaftlichste indikative Angebot der Antragstellerin von der ersten Rangstelle verdrängt werden.

Dass (möglicherweise) die Antragstellerin rechtmäßig nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei, ändere ebenfalls nichts an dieser Bewertung. Auch wenn ein erneuter Ausschluss in einem neuen Vergabeverfahren möglich erscheine, sei zu berücksichtigen, dass ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB immer eine Ermessensentscheidung durch den Auftraggeber im neuen Vergabeverfahren erfordere. Diese Entscheidung müsse der Auftraggeber bei der Wiederholung des Vergabeverfahrens erneut treffen. Es komme also in diesem Nachprüfungsverfahren nicht darauf an, ob der Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB in diesem (vergaberechtswidrigen) Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtmäßig wäre.

Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass eine Selbstreinigung der Antragstellerin nach § 125 GWB nicht ausgeschlossen sei. Weiter komme in Betracht, dass sie sich als Mitglied einer Bietergemeinschaft oder als Nachunternehmerin an dem neuen Vergabeverfahren beteilige.
(FV)

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