Ausschreibung und Vergabe

Bis so ein Kindergartenneubau steht, macht die Ausschreibung viel Arbeit.

03.04.2018

Wie man mit Alternativpositionen umgeht

Vergabeverfahren flexibilisieren

Starre Ausschreibungen waren gestern. Auch Flexibilisierung von Vergabeverfahren durch die komplizierte Wertung von Nebenangeboten kann man vermeiden. Dafür nutzt man einfach hin und wieder Alternativ-Wahlpositionen, etwa wenn die Wahl der Leistung von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln abhängt, so wie es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in seiner erst Anfang September 2017 veröffentlichten Entscheidung vom 14. September 2016 (Verg 7/16) zugelassen hat.
Am besten mit dem Basismodul starten Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Der alte Kindergarten in der Gemeinde ist nicht mehr zeitgemäß. Darum möchte man ihn ersetzen. Bis zur Fertigstellung des Neubaus soll eine moderne Zwischenlösung her. Die Anmietung von Containern erscheint da als die beste Lösung. Allerdings gibt es auf dem Markt derart viele Qualitäten und Ausstattungsvarianten, dass einem eine Preisprognose schwerfällt. Üblicherweise würde man jetzt eine Markt-erkundung durchführen. Die führt aber nicht immer zu einer vollständigen Marktübersicht, wie die Erfahrung zeigt.
Eine flexible und gleichzeitig genaue Möglichkeit eröffnet einem die Entscheidung des OLG Düsseldorf. Wenn man nicht genau weiß, wie viel Leistung man für das Geld erhalten kann, das einem zur Verfügung steht, startet man mit einem Basismodul. Und man ergänzt dieses um eine Wunschliste mit Alternativen, die man beauftragen kann, bis die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausgenutzt sind. Etwa Basismodul plus Küche. Oder Basismodul plus (größerer) Aufenthaltsraum für die Betreuer.

Das darf auf der Wunschliste nicht fehlen

Das OLG Düsseldorf hat diese Vorgehensweise gebilligt. Die Entscheidung erging zwar noch zum alten Recht, ist aber auf das jetzt geltende Vergaberecht übertragbar. Gleichzeitig hat das OLG darauf hingewiesen, was man für eine transparente Ausschreibung berücksichtigen muss:
• Man kennzeichnet diese Leistung deutlich als Alternativposition. Das sind Leistungen, bei denen man sich noch nicht auf eine bestimmte Art der Leistungserbringung festgelegt hat. Man schreibt also mehrere Leistungen aus, von denen man nach Kenntnisnahme der Angebote eine Alternative für den Zuschlag auswählt (darum auch Wahlposition genannt). Das ist wichtig, damit die Vergabekammer (VK) die Alternativposition nicht als Bedarfsposition betrachtet, bei der noch nicht bekannt ist, ob die Position zur Ausführung gelangt (etwa Zulagenpositionen beim Erdaushub). Denn diese ist nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt (§ 7 EU Abs. 1 Nr. 4 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)).
• Man gibt die Kriterien bekannt, die für die Inanspruchnahme der jeweiligen Wahlposition relevant sind. Wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, muss man den Bietern mitteilen, in welcher Reihenfolge man die Alternativpositionen bezuschlagen will, so das OLG Düsseldorf.
Unterlässt man eine solche Festlegung, wird die zulässige Wunschliste intransparent. Bildlich gesprochen wandelt sich das Menü zum Buffet. Denn ohne die Rangfolge könnte man sich durch Kombination aller denkbaren Alternativen selbst ein Angebot zusammenstellen. Das aber widerspricht dem vergaberechtlichen Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit des Angebotes (VK Baden- Württemberg, Beschluss vom 24. Juli 2017, 1 VK 23/17). Die Folge: Man darf ein unbestimmtes Angebot nicht annehmen. Man braucht ein begründetes Interesse

Alternativpositionen darf man nicht bei jeder Ausschreibung verwenden. Man braucht einen besonderen Grund. Denn durch die fehlende Festlegung auf die gewünschte Leistung kann man die Rangfolge der Angebote beeinflussen. Das aber soll ein streng reglementierter Ausnahmefall bleiben. Dass aufgrund begrenzter Haushaltsmittel nicht voraussehbar ist, ob die von einem bevorzugte Ausführungsvariante durchführbar ist, begründet ein solches berechtigtes Bedürfnis an der Ausschreibung von Alternativpositionen, so das OLG Düsseldorf.
Aber Achtung! Die Rechtsprechung ist sehr kritisch. Das OLG München hat hierzu entschieden, dass die bloße Absicht, den Markt zu erkunden, kein derartig berechtigtes Interesse ist (Beschluss vom 22. Oktober 2015, Verg 5/15).
Auch darf man nicht erwarten, dass die Rechtsprechung den Fehler korrigiet, falls man das berechtigte Interesse nicht dokumentiert hat oder es objektiv nicht vorliegt. Die Rechtsprechung wird die Ausschreibung nicht mit den Grundpositionen weiterlaufen lassen und nur die unzulässigen Alternativpositionen herausstreichen. Das Vergabeverfahren wird dann komplett in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückversetzt (VK Südbayern, Beschluss vom 23. Juni 2015, Z3-3-3194-1-24-06/15).
Die Gefahr ist allerdings, dass die Rechtsprechung es nicht akzeptieren wird, wenn man einen Ausnahmefall zum Regelfall macht. Und dann drohen die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens und eine Überarbeitung der Vergabeunterlagen.
> Oliver Weihrauch
Der Autor ist Chefredakteur von „Aktuelles Vergaberecht in der Praxis“ und Fachanwalt für Vergaberecht.

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