Bauen

Dortmund Scharnhorst. (Foto: Andreas Hanke Architekten & Stadtplanung)

11.03.2016

Altbauten kostengünstig aufhübschen

Wohnanlagen der Nachkriegsmoderne neu in Szene gesetzt

Trist und unpersönlich wirken sie oft, die gerasterten Betonbauten der Nachkriegszeit, industrieller Wohnungsbau der „Moderne“, der meist jeglicher Personalisierung und Gestaltung entbehrt. Anfangs baute man noch mit Zuversicht. An sich war die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus damals eine gute Sache, aber zunehmend entstanden hochverdichtete „harte Kisten“, gestapelter Wohnraum aus industriell gefertigten Materialen. Die Akzeptanz dieser Bebauung währte nur kurz. Zu deutlich illustrierte der Individualismus, dass „Gutes Wohnen“ anders aussieht und rasch schritt die soziale Degradierung vieler Anlagen und Quartiere voran. Einige von ihnen verkamen zu „Wohn-Mülleimern“ für sozial Schwache, geprägt von Leerstand und Vandalismus und wurden abgerissen. Dennoch spiegeln sie exzeptionell die damalige Soziale Marktwirtschaft wider, sind Sinnbild ihrer Zeit, und es gibt Befürworter der Amnestie und Weiterentwicklung dieser charakterlosen Wohnblöcke, die keinen Zauber verbreiten. Einer von ihnen ist der Architekt, Künstler und Stadtbildplaner Andreas Hanke aus Dortmund, der in seiner Heimatregion (Problem)Quartiere modernisiert und weiterentwickelt und wieder in das Stadtbild integriert. So zum Beispiel 1000 Wohneinheiten in Dortmund Scharnhorst, 174 Wohneinheiten in Ratingen West, die Modernisierung der Wohnanlage in der Höxterstraße in Hagen und der Breukesbachsiedlung „Neue Stadtgärten“ in Recklinghausen. Mit Experten und den Bewohnern werden die Gebäude instandgesetzt. Das ist nicht nur eine monetäre und gestalterische Herausforderung, sondern auch eine zeitliche. Gut 45 Abende verbringt der Architekt beispielsweise bei Hausflurgesprächen mit Bewohnern einer Großwohnanlage, bei denen das Gestaltungskonzept diskutiert und entwickelt wird. „Da ist es gut, selbst vor Ort zu sein und es fliegen manchmal die Fetzen“, sagt Hanke. Jedes Projekt erhält ein individuelles und prägnantes Antlitz, das eine eigene Geschichte erzählt. Materielle Viel- und Farbigkeit gibt den Bauwerken eine neue Identität, mit der neue Heimaten geschaffen werden, auf die die Bewohner stolz sein können und die eine tragende Rolle im Stadtbild einnehmen.
Auch heute geschieht die Instandsetzung und Modernisierung nicht mit üppigen Budgets, jedoch überzeugt der Architekt seine Bauherren davon, dass es sich langfristig lohnt, in Individualität und Wertigkeit zu investieren, wie zum Beispiel in goldfarbene Eingänge der „Neuen Stadtgärten“ in Recklinghausen, die zum Stilmittel des wirtschaftlichen und sozialen Erfolgs dieser Wohnanlage werden und über die die Adresse über Recklinghausen hinaus kommuniziert wird. Rasterfassaden, später Vorhangfassaden, als Errungenschaft des modernen industriellen Bauens und nackte Betonflächen prägen diese Wohnanlagen der 1950er bis Ende der 1970er Jahre. „Die Probleme damit resultieren vor allem aus der fehlenden Qualität und Vielfalt der verwendeten Materialien“, sagt Andreas Hanke, und betrachtet man den Barcelona-Pavillon von Ludwig Mies van der Rohes von 1929, Vorbild der Moderne, illustriert sich der Unterschied zu Großwohnanlagen selbsterklärend. So schillernd sie im Hochpreissegment sind, so trist, eintönig und wenig einladend sind die unter dieser Prämisse entstandenen Anlagen. „Wenn man reduziert, braucht man hochklassige Gestaltung und Materialien“, erklärt Hanke. In Bezug auf den amerikanischen Architekten Louise Sullivan hält er gut ablesbare, handwerkliche Ornamente in Fassaden für wesentlich und sucht nach Wegen, diese früher von Menschenhand gefertigten Arbeiten in den Budgets zu verankern. „Altbauten wirken auf viele Menschen positiv. Das liegt an deren Individualität und an der menschlichen Nuance.“

Wieder attraktiv


Ab dem Jahr 1934 wurden dekorative Elemente von der Moderne, die die Doktrin „Form Follows Function“ vertrat, verpönt. „Die komplett reduzierte Gestalt verursachte aber in der billigen Ausführung und im Großformat Nebenwirkungen“, sagt der Dortmunder, der mit farbigen Ornamenten und Reliefs Mezzanine Geschosse und Dachvorsprünge betont und damit Einzigartigkeit schafft. „Am Anfang steht immer eine große Idee und im Gesamtkonzept entfaltet ein solches Gebäude dann einen einzigartigen Zauber, auf den die Bewohner stolz sein können und der ihnen Würde gibt.“
Neben gelungenen Grundrissen erschafft Hanke damit eine Ablesbarkeit, die die Adressen wieder attraktiv und beliebt macht. Auch die hochwertige Umgebungsgestaltung der Grün- und Freiflächen, die meist großzügig vorhanden sind, gehört dazu. Teilweise verwendet er skulpturale Elemente, wie zum Beispiel die fast haushohen Grashalme vor dem Projekt Höhenstraße in Viersen oder baumhohe Hausnummern, die selbst zur Skulptur werden. „Solche Details verändern die Wahrnehmung der Menschen, die es betrachten oder bewohnen. Wirklichkeit und Wert erhalten ein anderes Gesicht. Wir schaffen Aneignung, Zuversicht, Hoffnung und Sicherheit und fördern damit die Würde und den Stolz der Bewohner und wir orientieren uns dabei nicht an Modetrends, sondern an klassischen Farbkompositionen, sonst werden wir beliebig“, sagt er. Giorgio de Chiricos Gemälde Delights of the Poet aus dem Jahr 1913 inspirierte beispielsweise das Farbkonzept des Quartiers „Hagen Höxterstrasse“. Gerade die Epoche der Vormoderne charakterisiere sich durch eine hohe Ablesbarkeit, die Hankes Meinung nach ab einer gewissen Skalierung in der heutigen Informationsflut und Massenarchitektur notwendig ist, damit sich Menschen sicher, zugehörig und zuhause fühlen.

Überhöhung der Plastizität


Die Stilelemente wurden früher kunsthandwerklich, also von Menschenhand gemacht, wie beispielsweise lebendige Ziegelfassaden, Putze, Stuckarbeiten und Lüftlmalereien, eine Kunstform der Fassadenmalerei. Heute erreicht Hanke die Plastizität und Strukturierung der Fassaden zum Beispiel mit Aluminiumverbundplatten, die entsprechend der gestalterischen Notwendigkeit geformt und mit Siebdrucken bearbeitet werden, die die Ornamente mit einem Schattenschlag zur Überhöhung der Plastizität bilden. „Auch wenn Architekten diese Gestaltungselemente wieder entdecken, beispielsweise im Hochpreissegment Hild und K Architekten aus München, ist deren handwerkliche Herstellung im Groß-Format-Wohnungsbau eine Finanzierungsfrage. Wir müssen die Bauherren davon überzeugen“, so Hanke, „dass wir den Nutzern damit das Gefühl geben, dass sie in einer von Menschen gemachten Umwelt leben, für deren Gestaltung sich jemand Mühe gegeben hat.“ (Elke Kuehnle) (Ratingen West; Hagen Höxterstraße und die Breukesbachsiedlung "Neue Stadtgärten" in Recklinghausen - Fotos: Andreas Hanke Architekten & Stadtplanung)

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