Bauen

Das Nationale Forum der Musik. (Foto: Wiegand)

27.11.2015

Altes hegen, Neues pflegen

Breslau im Kulturhauptstadtjahr

Breslaus Altstadt begeistert alle. Kunterbunte Bauten stehen auf dem Altstadtmarkt (Rynek) Spalier, Architekturperlen vergangener Jahrhunderte. Das zartgelbe Haus „Unter den Greifen“ von 1589 und das ockerfarbene „Zu den sieben Kurfürsten“ aus dem 13. Jahrhundert mit der Fassadenmalerei von 1672 sind echte Hingucker, ebenso das barocke grün-güldene Oppenheim-Palais auf dem angrenzenden Salzmarkt (Plac Solny).
Den Schönheitspreis gewinnt jedoch das großartige gotische Rathaus mit seinem fabelhaften Ostgiebel. Von der Turmplattform (300 Stufen) der nahen Elisabethkirche lässt sich die Pracht von oben bewundern. Deutsches Erbe, von den Polen im heutigen Wroclaw bewahrt und bestens restauriert. Auf der Dominsel ragen die beiden 98 Meter hohen Westtürme der Kathedrale empor, ein Highlight Niederschlesischer Backsteingotik. Der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zu 70 Prozent zerbombten Doms war schon 1951 weitgehend vollbracht. Doch nicht nur das Herz Breslaus ist saniert und gepflegt, die übrigen Stadtteile sind es ebenfalls.
Wroclaw ist nun Europäische Kulturhauptstadt 2016 und dabei zählt vor allem das Zukunftsweisende. Die Juroren beeindruckte das seit 2010 im Bau befindliche Nationale Forum der Musik (NFM). Das warmrote, mit Edelhölzern verkleidete Gebäude, geplant vom renommierten Architekten Stefan Kurylowicz, erinnert mit seiner leicht geschwungenen Seitenfront an Streichinstrumente. Im Inneren Klaviertastenanmutung durch Weiß-Schwarz-Kontraste. Im September wurde der Konzerttempel eröffnet. Agnieszka Frei, Press Office Manager, zeigt den großen Saal mit seinen 1820 Sitzen, ebenso den kleineren roten und den schwarzen. Eine Investition von 110 Millionen Euro, zu zwei Dritteln von Polen getragen, der Rest von der EU.

Neues Bauen hat Tradition

Bei den Kulturhauptstadt-Events, um die sich acht Kuratoren kümmern, belegt modernes Bauen einen Spitzenplatz. In der deutschen Ausgabe der 144 Seiten starken Broschüre, die mir Kommunikationsexpertin Magdalena Babciszewska in die Hand drückt, steht Architektur auf Platz 1. Das passt, denn neues Bauen hat in Breslau Tradition. So ist das strenge Bankgebäude am Rynek 9 (Altstadtmarkt) keine Nachkriegs-Bausünde, sondern ein Beispiel früher Moderne von 1929, geplant von Heinrich Rump. Aufsehen erregte auch das Kaufhaus Renoma (jetziger Name) von 1930, konzipiert von Hermann Dernburg.
Noch spektakulärer ist jedoch die 11 000 Quadratmeter große Jahrhunderthalle (Hala Stulecia) von 1913 im Osten der Stadt, ein Stahlbetonbau, inspiriert vom Pantheon in Rom und geplant vom Stadtarchitekten Max Berg. Eine Pioniertat aufgrund ihrer 4200 Tonnen schweren Riesenkuppel (Spannweite 65 Meter). Allerdings traute sich – so Stadtführerin Renata Bardzik – kein Arbeiter, Berg beim Entfernen der Betonpfeiler-Verschalung zu helfen, aus Angst, die Kuppel könnte einstürzen. Seit 2006 gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Ganz in der Nähe fand 1929 die wegweisende Werkbundausstellung Wohnung und Werkraum (WuWa) statt, deren Häuser gerade historisch korrekt in Stand gesetzt werden. Das weiße Ledigenheim von Hans Scharoun fungiert bereits als Hotel.
Die Attraktion des Kulturhauptstadtjahrs ist jedoch „Nowe erniki“ im Westen Breslaus, die heutige Antwort auf die damalige Werkbundsiedlung. Nach den Worten von Kurator Zbigniew Macków entsteht dort – nahe dem neuen Fußballstadion –  ein freundliches, aufgelockertes Wohnviertel mit allen Fazilitäten, von der Kinderkrippe bis zum Altersheim, zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Erwartungen von modernen Bürgern. 44 Architekturbüros aus ganz Polen haben ein Jahr lang an dem Masterplan gearbeitet, die ersten Bewohner sollen Mitte 2016 einziehen, etwa 10 000 könnten es letztlich werden.
Überdies will man durch sechs Ausstellungen, Bücher, Vorträge und Workshops mit weltberühmten Architekten dem Publikum modernes Bauen nahe bringen. Neben der Schau „Constructing Europe“, die das 25. Jubiläum des Mies-van-der-Rohe-Preises thematisiert, dürfte die Ausstellung „Die Siedlungen des Werkbunds. Der Weg in die Moderne“ (März bis Juni 2016) zum Ereignis werden. Erstmalig werden alle sechs Werkbund-Siedlungen als Zeugen der städtebaulichen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorgestellt. Neben der Breslauer Werkbund-Siedlung sind es solche aus Brünn, Prag, Stuttgart, Wien und Zürich mitsamt Wohnungsausstattungen. (Ursula Wiegand) (Das Alte Rathaus; die Jahrhunderthalle und das Kaufhaus Renoma - Fotos: Wiegand)

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