"Architektur macht Gäste“ hieß eine Grundlagenstudie aus dem Jahr 2007. Erstmals wurden damals Daten gesammelt über den Zusammenhang zwischen Architektur und Wirtschaftlichkeit im Tourismus, beauftragt wurde sie vom österreichischen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Die Ergebnisse im Abschlussbericht waren eindeutig: Für 88 Prozent der befragten Betreiber oder Eigentümer gut gebauter Tourismusbetriebe hat sich die Investion in anspruchsvolle Architektur rentiert, 51 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre wirtschaftlichen Kennzahlen über dem Branchendurchschnitt liegen. Gute Architektur, so das Fazit, ist Funktionalität und Wohlfühlfaktor, Visitenkarte, Lebensstil und Zeitgeist, Lebensqualität für die Beschäftigten. Und: Gute Architektur behält ihren Wert.
Auch die Bilanz der Forschung, die sich mit dem sogenannten Bilbao- oder Guggenheim-Effekt beschäftigt hat, fällt positiv aus: 2017 legte eine Analyse des Bloomberg Center for Cities an der Harvard University dar, dass sich das Bruttoinlandsprodukt von Bilbao zwischen 1996 und 2015 verdoppelt hatte, und das trotz der Finanzkrise 2008. Die Arbeitslosenquote ging auf 15,4 Prozent zurück und lag damit 7 Prozentpunkte unter dem spanischen Durchschnitt. Zu verdanken ist das auch und vor allem dem kanadisch-US-amerikanischen Architekten und Designer Frank Gehry: Sein titanverkleideter, längst ikonischer Bau des Guggenheim-Museums Bilbao, der 1997 im damals dystopischen Hafenviertel eröffnet wurde, war der Motor für die erfolgreiche Stadtentwicklung.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Beatriz Plaza von der Universität des Baskenlands resümierte bereits 2007, dass sich die Kosten des Museums allein durch die Besucherzahlen innerhalb von sieben Jahren amortisiert hätten.
Architektur macht Gäste
Keine Frage: Reisen bildet und gute Gestaltung ist ein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. „Gast zu sein ist eine Kulturtechnik, die in baukulturell hochwertigen Räumen ihre Entsprechung findet“, so der Architekt und Stadtplaner Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, kürzlich in einem Interview, veröffentlicht auf dem Webportal urlaubsarchitektur.de. In einer modernen ebenso wie geschichtlich bedeutsamen Umgebung waren, so Reiner Nagel, „Architektur und Baukultur ja schon historisch die entscheidenden Triebfedern für den Tourismus“. Doch wo Sonne ist, ist auch Schatten, auch im Urlaub und selbst in Ferienorten, denn wo es schön ist, zieht es viele hin. Und wo viele sind, kann viel Schaden entstehen, an der Nachbarschaft und der Umwelt. Daher zahlen Tagestourist*innen in der Hauptsaison für Venedig seit diesem Jahr 5 Euro Eintritt.
Dubrovnik verbietet seit letztem Sommer Rollkoffer in der Stadt und in Europa nimmt man sich vielerorts ein Beispiel an den strengen Regeln New Yorks: Dort ist Airbnb nicht mehr erlaubt. Wer also heute über Tourismus spricht, muss auch über Overtourismus sprechen. Das ArchitekturZentrum Wien (AzW) widmet dem virulenten Thema ab 21. März 2024 sogar eine Ausstellung: „Über Tourismus“ beschäftigt sich damit, „wie wir einen Tourismus imaginieren können, der nicht zerstört, wovon er lebt“.
Zwar muss mit dem „artouro Tourismus-Architektur-Preis“, diesem in Deutschland einmaligen Auszeichnungsverfahren, nicht mehr der Beweis geführt werden, dass Architektur Gäste macht. Es geht vielmehr darum, zu zeigen, wie qualitätsvolle und nachhaltige Tourismusarchitektur in Bayern aussieht, die ökologisch verträglich und dem jeweiligen Stadt- und Landschaftsbild angemessen zur Bereicherung aller wird, der Urlaubenden wie der Einheimischen.
Mit dem Sonderpreis „artouro Barrierefreiheit“ kann die renommierte Jury in diesem Jahr zudem Hotel- und Gastronomiebetriebe, Wellness- und Gesundheitseinrichtungen oder touristische Unterhaltungs- und Kulturbauten auszeichnen, die allen Menschen ohne fremde Hilfe zugänglich sind. „Schließlich“, so Kammerpräsidentin Lydia Haack, „wollen wir uns auch im Urlaub in jeder Lebensphase wohlfühlen.“
Bayern ist Tourismusland Nummer eins. Geringer darf der Anspruch an Tourismusarchitektur nicht sein: Baukultur im Tourismus ist ein Gewinn für alle. Nicht mehr und nicht weniger will der artouro auszeichnen.
(Katharina Matzig)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!