Bauen

Josef Poxleitner, Leiter der Obersten Baubehörde. (Foto: OBB)

26.07.2013

"Bayern beschränkt sich auf das Notwendige"

OBB-Kolumne: Josef Poxleitner, Leiter der Obersten Baubehörde, über verbindliche Planungsstandards für das barrierefreie Bauen

Eine barrierefreie Umwelt schaffen, die von allen Menschen ohne Diskriminierung genutzt werden kann, diesem Ziel ist auch das Bauordnungsrecht verpflichtet. Seit 1974 fordert die Bayerische Bauordnung Barrierefreiheit für alle öffentlich zugänglichen Gebäude, seit 2003 anteilig auch für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Welche technischen Anforderungen im Einzelnen notwendig sind, um Barrierefreiheit im Sinne der Bauordnung herzustellen, das ergibt sich seit 1. Juli 2013 aus den Teilen 1 und 2 der Planungsnorm DIN 18040 „Barrierefreies Bauen“, die die Oberste Baubehörde als Technische Baubestimmungen eingeführt hat und die nun zwingend zu beachten sind. Die Norm gilt überall dort, wo im Neubau und bei Baumaßnahmen in Bestandsgebäuden Barrierefreiheit bauordnungsrechtlich gefordert ist. Die Einführung als Technische Baubestimmung begründet aber keine generelle Anpassungspflicht bestehender Gebäude an die Norm.
Um vorschnellen Einwänden gleich vorzubeugen: Bayern beschränkt sich bei seinen Regelungen für das Bauen durchgängig auf das absolut notwendige Maß. Auch die Liste der Technischen Baubestimmungen enthält nur diejenigen Regeln, die unerlässlich sind, um die Grundsatzanforderung der Bauordnung zu erfüllen, nämlich die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die natürlichen Lebensgrundlagen und insbesondere Leben und Gesundheit nicht zu gefährden. Manchem mag es auf den ersten Blick nicht verständlich erscheinen, warum das barrierefreie Bauen hier einen entscheidenden Beitrag leisten muss. Bei näherer Betrachtung wird aber schnell klar: Erst durch eine Umwelt ohne Schwellen und Barrieren wird eine Teilhabe von Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen ermöglicht, wird das mit der UN-Behindertenrechtskonvention verfolgte Ziel der Inklusion umgesetzt. Hier zeigt sich die ganze Reichweite des umfassend verstandenen Begriffs „öffentliche Ordnung“.
Welche Bedeutung diejenigen Normen haben, die als Technische Baubestimmung eingeführt sind, zeigt sich daran, dass zusammen mit der DIN 18040 die Liste der bauaufsichtlich zu beachtenden technischen Regeln für Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen aktuell lediglich 76 Einzelpositionen umfasst. Angesichts der Fülle neuer Normen und anderer technischer Regeln, die im Laufe eines Jahres veröffentlicht wird, eine doch erstaunlich geringe Zahl. Hier bewährt sich, dass eine grundsätzliche Beachtung aller allgemein anerkannten Regeln der Technik seit der Novelle der Bayerischen Bauordnung im Jahr 1994 nicht mehr gefordert wird.
Für die Einführung der DIN 18040 war einige Vorarbeit erforderlich. Zunächst hatte eine Projektgruppe der Bauministerkonferenz 2012 mit Beteiligung der Obersten Baubehörde Musterregelungen erarbeitet, die dann in bayerisches Recht umgesetzt werden konnten. Um Bauherren, Planern und Bauwirtschaft einen ausreichenden Vorlauf im Planungsprozess einzuräumen, sind sowohl die gesetzlichen Änderungen in Artikel 48 der Bayerischen Bauordnung als auch die Technischen Baubestimmungen zum barrierefreien Bauen erst nach einer Übergangsfrist zum 1. Juli 2013 in Kraft getreten.
Mit der Einführung werden gleichzeitig Spielräume in der Anwendung der Norm eröffnet. So darf beispielsweise bei Türdrückern die Griffhöhe zwischen 85 und 105 Zentimetern liegen, eine Höhe von 85 Zentimetern ist nur bei barrierefreien Toiletten zwingend vorgeschrieben. Zwar sieht die Norm die Verwendung von Plattformaufzügen nicht vor, trotzdem sollen diese bei Maßnahmen im Bestand zur Überwindung eines Geschosses unter gewissen technischen Voraussetzungen möglich sein. Auch Bäder mit Badewannen statt normgerechter Duschplätze sind zulässig, wenn der nachträgliche Einbau einer Dusche bauseits vorbereitet ist. Damit scheinen praxisgerechte Regelungen gefunden, die wirtschaftlich nicht überfordern, gesamtgesellschaftlich aber von großem Nutzen sind. Und es ist zu hoffen, dass dem barrierefreien Bauen nicht nur durch bauaufsichtlichen Zwang zur Umsetzung verholfen wird. Das barrierefreie Bauen sollte für alle am Planen und Bauen Beteiligten vielmehr eine Selbstverständlichkeit sein. (Barrierefreien Rampen im Haus zur Wildnis in Lindberg im Bayerischen Wald - Foto:  Roland Halbe, Stuttgart)

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