Bauen

05.04.2013

"Beflügelt neue Architektur die Stadt?"

Treffpunkt Architektur in Nürnberg

„Ein mutiger Kämpfer um Qualität mit unbestechlichem Urteilsvermögen“, so urteilt Nordbayerns Architektenkammer-Chefin Heidi Kief-Niederwöhrmeier über ihren Züricher Berufskollegen Willi Egli. Der ist in gut einem Dutzend Baukunstbeiräten in Deutschland, Österreich und der Schweiz engagiert, auch in Nürnberg. Doch selbst Egli tut sich schwer, neue Bauqualität um- und durchzusetzen, wenn es in einer Stadt solche radikalen Butzenscheiben-Fanatiker gibt wie die Nürnberger Altstadtfreunde. „In Nürnberg pflegen wir Banalität aus Angst vor Neuem“, bekennt deshalb Hans-Joachim Schlößl vom städtischen Amt für Wohnen und Stadterneuerung.
Er und Kief-Niederwöhrmeier haben die Reihe „Treffpunkt Architektur“ mit brisanten Baukunstthemen aus der Taufe gehoben. Nach der 21. Ausgabe soll im Sommer 2013 Schluss damit sein, kündigt Schlößl an. Beim „ac n20“ soll also zum vorletzten Mal „geredet und gestritten“ werden, so das Selbstverständnis der Reihe. „Beflügelt neue Architektur die Stadt?“, ist die „Streitfrage“. Da unter den Diskutanten nur Fachleute sind, antworten alle mit „Ja!“
Neben Egli sitzt Ralf Schekira. Dessen halbstädtische Nürnberger WBG hat zwar „begrenztere Möglichkeiten für neue Architektur“, setzt diese aber gerne „in Quartieren“ um. Genauso Moderator Richard Woditsch von der örtlichen Ohm-Hochschule. Der konstatiert: „Bauen gilt als eine der schönsten Sachen der Politik. Deshalb muss der Bauherr den Architekten fordern und fördern.“

Noch belangloser


Das Problem in der ehemaligen Reichsstadt sei jedoch: „In Nürnberg wird durch die Ämterreform bald niemand mehr Verantwortung haben“, denn das Baureferat soll anderen Referaten zugeschlagen werden. Weshalb dann wohl in den Ämtern „nur noch Bürokraten“ säßen, „die nicht wissen, was gute Architektur ist“. Denen seien „Visionen von Natur aus unvertraut“. Deshalb werde die Noris bald noch belangloser „zumöbliert“ statt architektonisch gestaltet.
Ulms Baubürgermeister Alexander Wetzig hat sich dagegen in seiner historischen Altstadt mit provokanten Neubauten wie der Zentralbibliothek unter Fachleuten einen Ruf als Streiter für gute neue Architektur erarbeitet.
Ein Streitgespräch kommt jedoch nicht zu Stande. Noch nicht mal aus dem Zuhörerkreis sind kritische Stimmen zu vernehmen. Die hatte es aber beispielsweise lauthals und massiv bei einer Idee der 1990er Jahren gegeben. Der in Nürnberg geborene, in Chicago lebende und weltweit tätige Helmut Jahn wollte eine Passage direkt an die Pegnitz bauen. Die hätte wohl etwas Leben in die nach dem Krieg in den 1950er Jahren wieder aufgebaute Altstadt gebracht. Doch bis heute existiert an besagter Stelle nur ein Parkplatz. Vor allem der Nürnberger Verein „Altstadtfreunde“ verhinderte mit massiver Öffentlichkeitsarbeit die Umsetzung des Jahn-Baus.

Kritiker eingebunden


In Ulm gibt es ebenso aktive Modernisierungs-Verhinderer, erklärt Wetzig. Doch denen überlasse er nicht die Öffentlichkeit. So habe er sie beim Neubau der Zentralbibliothek „jahrelang in einen Dialogprozess eingebunden“. Weil die Bürgerschaft „Veränderungsbereitschaft“ zeigte, sich also endlich für die neue Architektur aussprach, konnten die „Radikalen“ ihre Bremserei nicht durchhalten. Das einzige Zugeständnis: Nicht Wettbewerbssieger Jürgen Minkus, sondern der Drittplatzierte Gottfried Böhm dufte die Bibliothek realisieren. Über die schwärmen heute nicht nur Ulmer Bevölkerung und Gäste, sondern auch das Goethe-Institut: „Die Zentralbibliothek mitten in der historischen Altstadt von Ulm lädt – untergebracht in einer über 35 Meter hohen Pyramide mit gläsernen Außenwänden – die ganze Stadt zur Kommunikation ein.“ Das Bauwerk von Böhm „wirkt spektakulär und singulär“, greife aber „zahlreiche Merkmale der umliegenden Altstadthäuser auf“.
Das Podium war sich einig: Die Ulmer Pyramide ist „gute Architektur“. Doch die sei heutzutage die Ausnahme, wie Egli mit einer Bilderschau nachweist. „Bautäter setzen der Stadt immer öfter ihre Viren ein. Dass dadurch die Stadt zum Patienten wird, nehmen wir nicht wirklich wahr.“ Aber: „Jeder Architekt, der ein Areal einfach nur zumöbelt, müsste sich schämen“, greift er fehlende „menschliche Demut oder Ehrfurcht vor der Materie“ vieler seiner Berufskollegen an.
Doch vielleicht haben die Baukünstler ja auch einfach nur „verlernt“, wie man in der Stadt bauen muss. Deshalb gibt es beim Wettbewerb des Bundes Deutscher Architekten jetzt einen Sonderpreis „Wie baue ich in eine Lücke?“.
Wetzig wiederum fordert, „Architektur zum öffentlichen Thema zu machen und nicht in Zirkeln zu diskutieren“. Doch dazu reicht es wohl nicht, dass Eglis Wunsch Wirklichkeit wird. „Wir müssen die Presse kriegen, um die Diskussion in die Bürgerschaft zu bringen.“ (Heinz Wraneschitz)

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