Der Saal nimmt durch sein edles Maß, Vornehmheit und Würde Auge und Empfindung gefangen, und da er auch akustisch höchsten Ansprüchen volles Genüge tut, wird er in Zukunft allen, die dort Musik hören werden, ein Ort der Freude und Erbauung sein können.“ So schwärmte die Bayerische Staatszeitung (BSZ) am 7. März 1953 auf ihrer Kulturseite anlässlich der Eröffnung des Münchner Herkules-Saals. Nach jahrelangem Notstand war es gelungen, aus den Ruinen der Residenz einen neuen Konzertsaal erstehen zu lassen, und nun hoffte man, „dass der so eindrucksvoll begonnene Gesamtwiederaufbau der Münchner Residenz zu einem Kulturzentrum der Stadt weiterhin unter so glücklichen Sternen stehen möge“.
Am 1. Juli 1950 war die BSZ erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erschienen. Anders als früher war sie nun eine Wochenzeitung, die jedoch trotz angehängtem Bayerischen Staatsanzeiger nicht viel mehr war als ein mageres Blättchen. Ihre Seiten glichen über weite Strecken Bleiwüsten, weil die Texte lang, die Schriftgrößen klein und nur wenige Bilder eingefügt waren. Für Bauberichte hatte die Redaktion keinen eigenen Platz vorgesehen. Sie waren an verschiedenen Stellen „versteckt“, wie beispielsweise auf den Kulturseiten. Immerhin, die Ausschreibungen im Staatsanzeiger vermittelten allwöchentlich einen Eindruck, was sich im Hinblick auf das öffentliche Baugeschehen gerade so tat.
Anfang der 1950er Jahre waren in Bayern die Folgen des Kriegs immer noch spürbar. Die Wohnungsnot war groß und längst nicht alle Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen waren beseitigt. Neben den Hochbauten, deren Aufbau zu bewerkstelligen war, standen vor allem Brückenneubauten und Straßenbauarbeiten an, die als „Notstandsarbeiten“ vergeben wurden. Die Oberste Baubehörde (OBB) galt als die „Brückenbauerin“ schlechthin. Bis Mitte der 1960er Jahre sollte sie allein auf Staatsstraßen über 200 Brücken errichten lassen.
Und was die bayerischen Straßen anging: 1950 waren zwei Drittel von ihnen nicht nur zu schmal, sondern auch ohne Asphaltierung. Angesichts des stetig wachsenden Autoverkehrs ein nicht hinzunehmender Zustand. In den Baubehörden herrschte derweil ein bedrückender Personalmangel. Mancherorts wurden sogar Straßenwärter zur Bauüberwachung und Ruhestandsbeamte zur Aufarbeitung der Rückstände eingesetzt, schrieb die BSZ im Januar 1956.
Mit der Zeit wurde die Bauberichterstattung in der Staatszeitung vielfältiger. Und zwar immer dann, wenn der Zeitung eine Beilage hinzugefügt war. In der Beilage „Bilanz des Aufbaus“ im Juni 1954 ging es beispielsweise um den großen Anteil des Baugewerbes am Wirtschaftserfolg seit der Währungsumstellung, den Wohnungsbau, die Wiederherstellung des öffentlichen Nahverkehrs, um neu errichtete Wasserkraftwerke und vieles mehr.
Ab Mitte der 1950er Jahre brachte die BSZ schließlich einmal jährlich eine spezielle Baubeilage heraus, die das öffentliche Baugeschehen des zurückliegenden Jahrs widerspiegeln sollte. Sie bot den Behörden die Gelegenheit, die wichtigsten Bauten aus Hochbau, Straßenbau und Wasserbau vorzustellen. Mit Texten, Abbildungen und später auch mit Plänen. Garniert war die mehrseitige Beilage stets mit zahlreichen Anzeigen von Firmen aus der Baubranche.
1957 erschien diese Baubeilage erstmals unter der Bezeichnung „Stein auf Stein“. Der Straßenbau hatte zu der Zeit den Löwenanteil staatlicher Investitionen, bei den Wasserbauarbeiten lag ein Schwerpunkt auf der Trinkwasserversorgung und der Kultusbau machte mehr als die Hälfte des Hochbauetats aus. Nicht weiter verwunderlich, denn Ende der 1950er Jahre war die Schulraumnot, vor allem an öffentlichen Schulen, eklatant. „Die Eltern haben es satt“, war im Dezember 1956 ein Beitrag in der BSZ überschrieben. Bayern baute nun in großer Zahl Schulen, ebenso Universitäten und Fachhochschulen.
Die Jahresbeilage
„Stein auf Stein“
Nicht alle der damals entstandenen Bildungs- und Forschungsstätten gehören zu den herausragenden Objekten der deutschen Nachkriegsarchitektur, manche sind aber durchaus bemerkenswert. Zum Beispiel der Neubau der Staatsbauschule in München an der Karlstraße nach einem Entwurf von Franz Ruf, Rolf ter Haerst und Adolf Seifert, der die BSZ dazu verleitete, am 9. März 1957 einen Beitrag mit „Baumeister muß man sein“ zu überschreiben. Oder das Polytechnikum Schweinfurt mit seiner schwerelos erscheinenden Hyparschale über der Eingangshalle.
1957 war auch das „Atomei“ im Rohbau fertiggestellt. Der Forschungsreaktor in Garching bei München gilt als ein Musterbeispiel für die Architektur der 1950er Jahre, markiert zugleich aber auch Bayerns Einstieg ins Atomzeitalter. Auch der Wohnungsbau war ein Thema in „Stein auf Stein“. 1960 wurde von den inzwischen neu errichteten Trabantenstädten in Nürnberg-Langwasser, Nürnberg-Zollhaus oder in München-Fürstenried berichtet. Es sollten in den 1960ern noch weitere Trabantenstädte folgen.
Unabhängig von der Jahresbeilage „Stein auf Stein“ begann die BSZ in den frühen 1960er Jahren, einzelne öffentliche Bauvorhaben im Rahmen einer Bilderserie vorzustellen. Nicht, dass diese Bilder von großem Format waren oder die Begleittexte sehr umfangreich, aber es wurden darin die unterschiedlichsten Neubauten bildlich präsentiert, vom Polizeipräsidium in Nürnberg bis hin zur renovierten Pfarrkirche St. Hildegard in München-Pasing. Und was konnte man in den 1960ern an den öffentlichen Ausschreibungen im Staatsanzeiger ablesen? Auffällig waren die vielen landwirtschaftlichen Wege, die jetzt gebaut wurden. Ein Resultat der zunehmenden Motorisierung in der Landwirtschaft und der Flurbereinigung.
Zunehmend rückte auch der Gewässerschutz in das Blickfeld des Interesses. Im Staatsanzeiger gab es nun seitenweise Ausschreibungen von Kanalbauarbeiten oder zur Errichtung von Kläranlagen, die alle der Reinhaltung der Gewässer zugutekommen sollten. Ende der 1960er Jahre warf dann ein Ereignis seine Schatten voraus, das alle früheren Bauvorhaben übertreffen sollte: die für 1972 geplante Sommerolympiade in München. Planungs- und Bauaktivitäten lagen damals nicht nur auf den olympischen Bauten, sondern auch auf der Infrastruktur. Dazu gehörten der Ausbau von Straßen und Autobahnen sowie der U- und S-Bahnbau in München.
Am 5. April 1968 meldete die Staatszeitung stolz, dass Münchens U-Bahnbauer mit ihren Tunnelbohrungen „Europarekorde“ einfahren würden und „Europas größte Baustelle“ auf dem Münchner Oberwiesenfeld läge. Außerdem überwache neuerdings „ein Computer, assistiert von einem Professor der Technischen Hochschule“, die U-Bahn-Baugrube am Karlsplatz, damit „Kostensteigerungen und politische Konsequenzen in Zukunft ausgeschaltet“ würden. Ob sich der Autor damals nicht getäuscht hat?
(Petra Raschke)
(Das Logo der Jahresbeilage "Stein auf Stein" aus dem Jahr 1957 - Foto: BSZ)
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