Bauen

Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: Privat)

27.02.2024

Neu gedacht und europarechtskonform

Kammer-Kolumne zum Thema Vergabe von Planungsleistungen

Seit § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV a.F. gestrichen wurde, rätselt die Fachwelt, wie Planungsleistungen für ein Bauvorhaben der öffentlichen Hand vergaberechtskonform auszuschreiben sind. Nach bisheriger Lesart sind – um europarechtskonform zu vergeben – alle Planungsleistungen zu addieren und – sofern deren Honorare den EU-Schwellenwert von jetzt 221 000 Euro erreichen – jede einzelne Planungsleistung europaweit nach VgV auszuschreiben. Dies löst einen so hohen Aufwand aus, dass weder Bieter noch Vergabestellen dies leisten können und dies angesichts der niedrigen Einzelhonorare für Bieter auch wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist.

Die Lösungsansätze offene Verfahren oder Generalplaner-, General- oder gar Totalunternehmervergabe, wie sie bislang unter anderem von der bayerischen Bauverwaltung propagiert werden, sind Gift für die mittelständisch und regional geprägte Planungs- und Bauwirtschaft.

Eine völlig andere Herangehensweise ist hier die Lösung: Planungsleistungen werden zusammen mit den Bauleistungen als „Bauauftrag“ am Schwellenwert für Bauaufträge in Höhe von 5,538 Millionen Euro gemessen. Gleichzeitig wird aber sowohl das Prinzip der Trennung von Planung und Ausführung als auch die Fachlosvergabe der jeweiligen Planungsdisziplin gewahrt. Die Stadt Hamburg hat dieses Modell direkt am Tag der Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV a.F. umgesetzt.

Alle anderen Bundesländer, so auch Bayern, sind weniger mutig, können aber auch keine andere Lösung des Vergabeproblems bieten. Das bayerische Bauministerium hat erst kürzlich daran erinnert, dass eine Additionspflicht im Vergaberecht nicht geregelt ist, sich aber aus einem engen funktionalen Zusammenhang zwischen den Planungsleistungen ergeben kann. Nach einer Entscheidung des OLG München vom 13. März 2017 (Verg 15/16) sei dies jedenfalls dann der Fall, wenn die Planungsleistungen lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert sein müssen, um eine Einheit ohne Schnittstellen zu bilden. 

Nun wären Planungen, die nicht lückenlos aufeinander abgestimmt sind, äußerst haftungsträchtig und entsprächen auch nicht dem Selbstverständnis der beteiligten Planer. Das ministerielle Szenario beschreibt folglich den Normalfall, begründet aber mit der Generalplanervergabe eine strukturelle Bevorzugung von größeren Planungsbüros, was kleine Einheiten zu einem Rückzug aus dem Markt für öffentliche Aufträge zwingt. Besonders fatal, wenn gleichzeitig der private Baumarkt nahezu zum Erliegen gekommen ist.

Dabei lässt sich die Haltung des bayerischen Bauministeriums durchaus mit dem Hamburger Modell verbinden. Die Bundesingenieurkammer hat zusammen mit dem AHO, der Bundesarchitektenkammer und dem VBI Martin Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München beauftragt, das Konzept einer auf das Bauvorhaben bezogenen gemeinsamen Vergabe von Bau- und Planungsleistungen unter sodann vorgenommener Aufteilung zumindest der Planungsleistungen in Fachlose zu untersuchen. Mit überzeugend begründeten Darlegungen kommt Burgi zu dem Ergebnis, dass dieses Vergabemodell mit dem EU-Vergaberecht vereinbar ist und auch nicht den unterschwelligen nationalen Vergaberegeln widerspricht. Insbesondere lässt sich dieses Modell, von Burgi als „alternatives Beschaffungskonzept“ beschrieben, nicht als Umgehung des EU-Rechts bewerten, weshalb es auch in Hinblick auf Fördermittel keine Risiken begründet. Bleiben Planungs- und Bauleistungen unter dem Schwellenwert von 5,538 Millionen Euro bewegt sich die Vergabe dieser Leistungen im nationalen Vergaberecht, wonach jede Planungsdisziplin mit für beide Seiten geringem Aufwand, beispielsweise unter Einholung von drei Angeboten, separat vergeben werden kann. Eine Gleichzeitigkeit der Vergaben ist ebenso nicht notwendig. 

Dieses alternative Beschaffungskonzept, wie es auch dem Hamburger Modell zugrunde liegt, weist den Weg aus dem Dilemma der Addition der Planungshonorare, das entweder zu explodierendem Ausschreibungsaufwand auf beiden Seiten oder zu einem Angriff auf die kleinteilige Planungslandschaft führt, die sich gerade in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit wieder erleben, als sehr resilient erwiesen hat. 

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