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Derzeit bleiben laut Traublinger noch viele Möglichkeiten ungenutzt, die die Gebäudesanierung zum Erreichen der Ziele der Energiewende bietet. (Foto: Bilderbox)

28.06.2013

"Die Chance beim Schopf packen"

Heinrich Traublinger, Präsident des Bayerischen Handwerktags, zum Thema "Energetische Gebäudesanierung"

Deutschland hat sich auf den Weg in ein neues Energiezeitalter gemacht. Das Reaktorunglück von Fukushima im Jahr 2011 hat diese Entwicklung beschleunigt. Aber bereits viele Jahre zuvor wurden die Weichen gestellt für die Verwirklichung der Vision von einer Energieversorgung, die nachhaltig und klimafreundlich sein soll, bei der auf den Einsatz von Atomkraft verzichtet wird und für die in erster Linie erneuerbare Energien genutzt werden. Beispielsweise existiert das Erneuerbare Energien Gesetz, das heute in der öffentlichen Wahrnehmung ein zentrales Element der Energiewende darstellt, bereits seit dem Jahr 2000.
Deutschland hat sich im Alleingang für die zukünftige Energieversorgung sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Trotz des Ausstiegs aus der Kernenergie soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 40 und bis 2050 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.
Das Erreichen dieser Ziele erfordert Veränderungen in allen Lebensbereichen. Die aktuelle politische Diskussion dreht sich aber fast ausschließlich um den Stromsektor. Doch Elektrizität hat nur einen Anteil von weniger als einem Viertel am Endenergieverbrauch. Daraus wird deutlich, dass ein Gelingen der Energiewende mehr erfordert, als nur die Stromversorgung auf neue Beine zu stellen und Ersatz für den Wegfall der Atomkraft bereitzustellen.

In Gebäuden sparsam
mit Energie umgehen

Der Verkehrssektor, aber vor allem auch der Gebäudebereich müssen ebenfalls in die Betrachtungen einbezogen werden. Ein unverzichtbarer Ansatzpunkt zur Bewältigung der Energiewende ist der sparsame Umgang mit Energie in unseren Gebäuden. 18 Millionen Wohngebäude und rund 1,7 Millionen Nichtwohngebäude bieten ein enormes Potenzial, Energie einzusparen.
Auf den Gebäudebereich entfallen rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und ein Drittel der CO2-Emissionen. Etwa 85 Prozent des gesamten Energiebedarfs in privaten Haushalten werden für Heizung und Warmwasser eingesetzt. 75 Prozent des Gebäudebestands wurden vor 1979 mit oft schlechter energetischer Qualität errichtet. Der größte Teil dieses Altbaubestands ist noch nicht energetisch saniert. Das Bundesbauministerium geht davon aus, dass durch fachgerechtes Sanieren und moderne Gebäudetechnik bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs eingespart werden können. Die Bundesregierung strebt deshalb eine Verdoppelung der jährlichen Sanierungsrate auf zwei Prozent an. Aus Sicht des Handwerks wäre sogar eine noch höhere Rate erforderlich.
Leider hat es die Politik versäumt, dafür bisher die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Insbesondere das Scheitern der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung im Vermittlungsausschuss war ein schwerer Rückschlag auf dem Weg, die Sanierungsrate deutlich zu steigern.
Die Mittelausstattung für die energetische Gebäudesanierung reicht derzeit nicht aus, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Mit 1,5 Milliarden Euro ist sie so hoch wie 2006 und liegt in etwa auch auf dem gleichen Niveau wie im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2010. Das zum Jahresbeginn 2013 zusätzlich aufgelegte Zuschussprogramm in Höhe von 300 Millionen Euro jährlich für die kommenden acht Jahre kann das Scheitern der steuerlichen Förderung nicht kompensieren.
Aus meiner Sicht ist eine deutliche Verbesserung der Förderbedingungen erforderlich. Insbesondere die steuerliche Komponente bei der Förderung muss nach der Bundestagswahl wieder auf die Tagesordnung. Zu bedenken ist: Die staatliche Förderung der Gebäudesanierung finanziert sich durch die Mobilisierung privater Mittel und die dadurch entstehenden Mehreinnahmen, zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer, selbst. Der Förderhebel öffentlicher Mittel zu privaten Investitionen beträgt 1:12.
Über die Förderung hinaus muss insgesamt ein investitionsfreundliches Umfeld für Sanierungsmaßnahmen gewährleistet werden. Die Erfahrungen im Handwerk, aber auch verschiedene Studien zeigen, dass die Standards im Bereich der Gebäudesanierung nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Zu hohe Anforderungen, beispielsweise als Voraussetzung für die Förderung, können dazu führen, dass Sanierungsmaßnahmen insgesamt unterbleiben.
Durch viele kleine Schritte lassen sich aber größere Erfolge erzielen als durch wenige große. Selbstverständlich spielt auch die Ausgestaltung des Mietrechts eine zentrale Rolle. Schließlich sind knapp 60 Prozent der Wohnungen in Deutschland Mietwohnungen. Mit dem zum 1. Mai 2013 in Kraft getretenen Mietrechtsänderungsgesetz wurde hier ein erster Schritt getan, um auch Investitionen in Mietwohnungen zu erleichtern.
Es steht aber außer Frage, dass im Moment noch viele Möglichkeiten, welche die Gebäudesanierung zum Erreichen der Ziele der Energiewende bietet, ungenutzt bleiben. Gerade das heimische Handwerk bietet maßgeschneiderte Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz, zum Beispiel durch Wärmedämmung, die Installation von Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien oder durch moderne konventionelle Heizanlagen.
In unseren Betrieben ist enormes Know-how vorhanden, wie Energie und Klimagase praxistauglich und effizient eingespart werden können. 30 Ausbildungsberufe im Handwerk sind mit dem Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien betraut. In über 20 Gewerken erwerben Handwerker im Rahmen der Qualifizierung zum Handwerksmeister vertieftes Fachwissen rund um Energiethemen. Das Handwerk ist hervorragend vorbereitet. Dieses Wissen und Können muss zur Entfaltung gebracht werden, wenn wir unsere Energieziele erreichen und zugleich den Wirtschaftsstandort stärken wollen.

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