Bauen

Ausschnitt des Folienkissendachs über der 20 Meter hohen Aula. (Foto: Jens Weber)

19.03.2021

Ein Folienkissendach über dem Innenhof

Umbau, Sanierung und Erweiterung der Grundschule an der Haimhauser Straße in München

Die Grundschule an der Haimhauser Straße liegt im Herzen von Alt-Schwabing zwischen Münchner Freiheit und Englischem Garten. Das historisierende, viergeschossige Jugendstilgebäude wurde 1897/98 von Theodor Fischer errichtet und steht unter Denkmalschutz.

Wachsende Schülerzahlen und die vermehrte Nachfrage nach Ganztagesangeboten erforderten eine Vergrößerung des bestehenden Schulhauses. Neben der Schaffung eines erweiterten Raumangebots für Unterricht, kooperativen Ganztag und Mensa, diente die Baumaßnahme auch dem Erhalt, der Wiederherstellung und Aufwertung der historischen Bausubstanz. Entstanden ist ein Schulgebäude, das einerseits das kulturelle Erbe bewahrt und andererseits den vielfältigen Anforderungen heutigen Lernens gerecht wird.

Hierfür wurden Mängel im baulichen Brandschutz behoben, die Raumakustik verbessert, Inklusion und Barrierefreiheit sichergestellt sowie differenzierte Freiflächen auf dem schmalen Grundstück angelegt. Das unmittelbar an die Grundschule angrenzende, denkmalgeschützte, ehemalige Pfarrhaus von Matthias Werberger aus den Jahren 1857 – 1859 wurde ebenfalls in die neue Raumkonzeption der Schule einbezogen.

Wertschätzung und Respekt vor der Baukunst Theodor Fischers bildeten während des gesamten Planungsprozesses die Grundlage der architektonischen Haltung des mit der Planung beauftragten Architekturbüros karlundp, München. Wo immer möglich, wurden bauzeitliche Elemente geschützt, erhalten und ihnen zu neuem Glanz verholfen. Dabei erfolgte die Planung stets mit Achtung vor der historischen Ressource; gleichzeitig wurde der historische Bestand zum Wegweiser für alles Neue. Ergänzungen im Bestand leiteten sich formal aus den vorgefundenen, bauzeitlichen Ausstattungsdetails ab.

Letztere wurden als neu hinzugefügte Elemente in die Jetzt-Zeit übertragen, ohne dabei Originale zu kopieren. Der Neubau und das Folienkissendach wurden mit Klarheit und Präzision zum Bestand gesetzt. Materialität und Formensprache des 21. Jahrhunderts treten in einen bereichernden Dialog mit dem historischen Gebäude.

Ringförmige Erschließung

Das sensible, respektvolle Einfügen neuer Strukturen in die historischen Baukörper, im Großen wie im Kleinen, bewirkt eine Steigerung in der Wahrnehmung des Bestandsgebäudes.

Der vorgefundene Gebäudegrundriss hat die Form eines im Nordwesten offenen Rings, der einen Hof umschließt. Im Zuge der Baumaßnahme wurde an der unbebauten Nordwestecke des Bestands ein Erweiterungsbau ergänzt, der eine ringförmige Erschließung der Räumlichkeiten ermöglicht. Der dadurch allseitig umschlossene Innenhof wurde mit einem Folienkissendach überdeckt.

Der ehemalige Außenraum mit historischen Rundbogenfenstern wurde so zum temperierten, lichten Innenhof im Herzen der Schule und kann als Pausenhof, Aula und Versammlungsstätte genutzt werden. Durch die direkte Verbindung zum neu geschaffenen Speisesaal mit angrenzender Zubereitungsküche ist eine großzügige Raumabfolge entstanden.

Die Hofüberdachung erfolgt mittels einer ungerichteten Schalenkonstruktion aus biegesteif verschweißten Stahl-Rundrohrprofilen gleichen Querschnitts. Diese wird über einem umlaufenden, kastenförmigen Randträger auf den Wänden von Bestand und Neubau abgelastet. Luftgestützte ETFE-Folienkissen in dreilagiger Ausführung bilden einen lichtdurchlässigen Witterungsschutz, der auf den Stahlprofilen über Abstandshaltern aufliegt und mittels Klemmprofilen gesichert wird. Die Transparenz der gewählten Folien ermöglicht es, dass der Himmel immer sichtbar bleibt.

Ein besonderer Augenmerk der Bauaufgabe lag auf historischen Bauteilen und Details, die erhalten werden konnten. In Zusammenarbeit mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und Fachfirmen wurden weitreichende Befunduntersuchungen durchgeführt und notwendige Sanierungsschritte festgelegt. Auf diese Weise konnten unter anderem Rundbogenfenster im Schulgebäude, Stichbogenfenster im Pfarrhaus, Innen- und Außentüren, Gewölbedecken mit Rabbitzputz, Holztreppen und Geländer fachgerecht saniert werden.

Die Farbwahl im Inneren sowie Äußeren ist zurückhaltend und besteht vornehmlich aus hellen Naturfarbtönen. Der warme Braunton der Originaltüren wiederum wird in lasierten neuen Flur- und Klassenzimmertüren, Garderoben und Sitzgruppen auf den Fluren als dunkler Akzent aufgegriffen. Der durchgehend pastell-gelb gehaltene Linoleumbelag unterstreicht zusammen mit dem kräftigen Gelb von Fliesen, Wandabsorbern, Brüstungselementen und Einbauten den warmen und freundlichen Gesamtcharakter des Gebäudes.

Die Sanierung des Bestandsgebäudes der Grundschule an der Haimhauser Straße stellte die Energie- und Gebäudetechnikplaner der Niederlassung Technische Gebäudeausrüstung Süd, einer großen Sparte der Obermeyer Gruppe, vor ganz besondere Herausforderungen. Zum einen mussten die Arbeiten bei laufendem Schulbetrieb erfolgen, zum anderen galt es, den Ansprüchen des Denkmalschutzes gerecht zu werden.

Wie anspruchsvoll die Aufgabe war, zeigte sich besonders im Hinblick auf die Gebäudehülle und das Dach. Hier mussten viele neue Lüftungsöffnungen, unter anderem für Wetterschutzgitter in der Fassade und für Deflektorhauben am Dach, geschaffen werden.

Ganzjährige Nutzung

Auch der erstmalige Einbau einer Lüftungsanlage brachte komplexe Maßnahmen mit sich: Da das Gebäude bereits um 1900 erbaut worden war, bot es sehr wenig Platz für Installationen. Zudem ließ die Statik kaum Durchbrüche zu. Um die wenigen Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen, wurden unter hohem Koordinationsaufwand die TGA-Trassen in Kleinstarbeit in das Gebäude integriert.

Eine weitere Besonderheit war das Schließen des ehemals offenen Innenhofs durch einen Erweiterungsbau und ein transparentes Foliendach zu einer 20 Meter hohen Aula. Diese wird ganzjährig für Veranstaltungen genutzt. Um thermische Behaglichkeit sowohl im Winter (Kaltluftabfall) wie auch im Sommer mit hohen internen und externen Wärmelasten (250 bis 500 Personen) zu gewährleisten, war für die Beheizung und Lüftung ein ausgefeiltes, energetisch sinnvolles Konzept nötig. Dieses wurde mithilfe von CFD (Computational Fluid Dynamics)- Strömungssimulationen, bauphysikalischen Beratungen und einer aktiven Absaugung unter dem Foliendach im Vorfeld entwickelt.  (BSZ)

 

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