Bauen

Der sanierte historische Bahnhof in Ruhpolding. (Foto: Andreas Plenk)

30.11.2023

Eindrucksvoll präsentiert

Der historische Bahnhof in Ruhpolding wurde saniert

Unter Beachtung der Denkmalverträglichkeit wurde Ruhpoldings Bahnhof aus dem Baujahr 1895 saniert und erhielt zugleich viele neue Aufgaben. Durch diesen Schritt entstand mittig der historischen Bahnhofsgebäude eine Lücke, die einen Neubau und den anschließenden Einzug der Tourist-Info ermöglichte. Das Ergebnis ist optisch und technisch beeindruckend.

Die oberbayerische Gemeinde Ruhpolding konnte durch den Erwerb und die Sanierung mehrerer denkmalgeschützter Gebäude auf dem Bahnhofsgelände eine zentrale Anlaufstelle für Tourist*innen mit optimaler Erreichbarkeit realisieren. 

Mit der Ortsumgehung und einer direkten Anbindung der Umgehungsstraße mit Kreisverkehr wurden auf dem Bahnhofareal die perfekten Voraussetzungen für einen zentralen Knotenpunkt im Ortskern geschaffen. Die Verkehrsflächen um das Areal wurden angepasst: Freiflächen für Fußgänger, überdachte Fahrradstellplätze sowie Bushaltestellen und Parkplätze sind entstanden. An der für alle Verkehrsteilnehmer*innen gut zugänglichen Stelle wurden die Tourist-Info und die Ruhpoldinger Tourismus GmbH (RTG) angesiedelt.

Möglich war dies mit einem zukunftsorientierten Instandhaltungskonzept der zum Teil denkmalgeschützten Bahnhofsbauten. Verantwortlich für die anspruchsvolle Planung ist das Architekturbüro Sylvester Dufter aus Siegsdorf bei Traunstein. Die Bausubstanz wurde besonders behutsam saniert.

Erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte die Deutsche Bahn zwischen den beiden historischen Hauptgebäuden eine Gepäckhalle errichten lassen. Aufgrund fehlender architektonischer Qualität konnte man diese nicht in die Denkmalliste aufnehmen. Sie wurde inzwischen vollständig abgebrochen.

Durch diesen Schritt entstand mittig der historischen Gebäude eine Lücke, die durch einen Neubau geschlossen wurde. Hier befindet sich heute die Ruhpoldinger Tourist-Info. Um die für den Publikumsverkehr notwendige Transparenz zu schaffen, wählte die Gemeinde Ruhpolding einen Holzbau mit großzügiger Verglasung. Auf der Gleisseite des Bauwerks wurden Außenwand und Satteldach profilgleich an die bestehende Güterhalle angefügt. Auf der Ortsseite hingegen musste das Satteldach etwas angehoben werden, um Gebäudebreite und Raumvolumen in einem angepassten Maß verwirklichen zu können.

Ein verglaster Zwischenraum verbindet das neue Domizil der Tourist-Info jetzt mit dem gemauerten Bereich der alten Güterhalle. Damit entstand ein direkter Zugang vom öffentlichen Informationsareal in den Bürobereich der Tourist-Info.

Der teils gemauerte und nach Norden in Holzkonstruktion weiterverlaufende Gebäudeteil des früher unbeheizten Lagergebäudes wurde durch die Innendämmung der Außenwände zur Büronutzung optimiert. Im gemauerten Bereich erfolgte dies mit einer mineralischen Putz- und Wärmedämmschicht. Im Teil der Holzkonstruktion war es möglich, die Wärmedämmung zwischen die Balken sowie in der gesamten Dachfläche zwischen und unter den vorhandenen Sparren anzuordnen.

Für eine barrierefreie Büronutzung in der ehemaligen Güterhalle war die Absenkung der Bodenhöhe auf Erdgeschossniveau nötig. Dies wurde auf der gemauerten Seite durch den Ausbau der schadhaften Holzdecke und einer ausgleichenden Kiesauffüllung realisiert, im Holzbau-Gebäudetrakt durch die Entfernung der aus Steinen und Beton gebauten Rampenfläche.

Zusätzlich hat man Verstärkungen im Vordachbereich durch von oben eingeschlitzte T-Träger und in der Dachfläche durch von zwei Seiten angedoppelte 4/20 Zentimeter starke Holzbohlen im Dachstuhl eingezogen, um die Stabilität zu erhöhen. Die Firstpfette im nördlichen Teil wurde mit zwei Stahlstützen unterstützt, im gemauerten Teil durch einen Stahlträger mit Unterspannung. Die Tragwerksplanung stammt von den beteiligten Ingenieuren der Bauingenieur Gemeinschaft Trauntal GmbH aus Ruhpolding.

Besonders viel Tageslicht bekommen die neuen Räume jetzt durch die Verglasung der bodentiefen Toröffnungen. Optisch ein Hingucker: Die originalen hölzernen Schiebetore dieser Öffnungen wurden im Inneren der Räume wieder montiert.

Auf der westlichen Seite der Gebäudekomplexe haben die Planer einen Zugang zum denkmalgeschützten Bahnhofshauptgebäude geschaffen sowie die bis dahin getrennten Raumflächen miteinander verbunden. Somit steht der überwiegende Teil der Erdgeschossfläche der öffentlichen Nutzung zur Verfügung.

Ein an der Südseite erst im 20. Jahrhundert eingebauter WC-Bereich wurde wieder entfernt. Den Einbau neuer Sanitäranlagen hat man jetzt von der Gleisseite her behindertengerecht realisiert. Die durch die Verlegung frei gewordene Raumfläche konnte durch einen großen Wanddurchbruch mit dem bisherigen Warteraum verbunden werden. Ein ebenfalls von der östlichen Gleisseite her barrierefrei erreichbares Bürgerbüro ist im bisherigen Betriebsraum des Bahnhofsgebäudes untergebracht. Ein Teil dieses Raumes dient abgetrennt zusätzlich als Standort der Schließfächer.

Hier gab es einen Wanddurchbruch, den man für den in den 1980er-Jahren eingefügten Fahrkartenautomaten vorgenommen hatte. Dieser wurde wieder verschlossen und der ursprüngliche Zugang zum früheren Raum für den Fahrkartenverkauf wiederhergestellt. So hat man jetzt wieder Zugang zum Bürgerbüro.

Auch die bisherige Schalterhalle mit 40 Quadratmetern wurde in den öffentlich genutzten Bereich integriert. In zentraler Lage steht der Gemeinde somit jetzt ein Mehrzweckraum für Versammlungen und Ausstellungen zur Verfügung.

Die Stuckdecke
ist wieder zu sehen

Ein Highlight: Durch die Entfernung der Holzvertäfelung wird hier zudem die historische Stuckdecke dieses Raumes wieder sichtbar.

Die Bodenbeläge des gesamten Erdgeschosses stammten nicht aus der Basisbebauung und wurden komplett erneuert. An der Innenseite der Außenwände wurde ebenfalls eine mineralische Wärmedämmung mit Putzoberfläche angebracht. Auf der Gleisseite verschwand die Holz-Glas-Umfassung des ehemals hier vorhandenen Stellwerks, wodurch auf der gesamten Gebäudelänge wieder die ursprüngliche Überdachung entstand.

Zum Treppenhaus des dreistöckigen Bahnhofsgebäudes war aus Brandschutzgründen ein neuer Zugang notwendig. Dieser Zugang erfolgte früher über die ehemalige Schalterhalle, jetzt über den Eingangsraum. Da nur der südliche Teil sowie der Bereich der Schalterhalle unterkellert sind, ist auch nur hier der Zugang zum Untergeschoss möglich.

„Auf Brandschutzbekleidungen wurde aus Denkmalschutzgründen weitestgehend verzichtet“, berichten die beteiligten Experten der am Bauvorhaben beteiligten Bauingenieur Gemeinschaft Trauntal GmbH. Nur die Holztreppe erhielt einen Flammschutz, um diese lange vor Feuer zu schützen und um den Rettungsweg aus den Obergeschossen zu sichern.

Vorgesehen war es, das Kellergeschoss als Lager-, Technik- und EDV-Räume zu nutzen. Die Substanz wartete hier mit verschiedenen Materialien auf: Die Böden waren aus glatt gestrichenem Beton gegossen, die Wände aus Bruchsteinen, das Gewölbe dagegen aus Ziegelsteinen gemauert und rau verputzt.

Die vorhandenen Fenster im Obergeschoss hat man durch passende zweiflügelige Sprossenfenster aus Holz ersetzt, da die aus der Bauzeit ursprünglichen Fenster nicht mehr vorhanden waren. Im Erd- und Dachgeschoss – den Giebelseiten – wurden die bauzeitlichen Fenster saniert.

Die beiden Obergeschosse des Bahnhofs wurden bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Wohnräume für Bahnbeamte genutzt. In der ersten Etage waren in zwei Wohnungen der Betriebsleiter sowie der Lokführer mit ihren Familien untergebracht. Das Dachgeschoss stand in einer Aufteilung von drei kleinen Wohneinheiten den damaligen Bahnbediensteten sowie dem Adjunkt zur Verfügung. Die Wohnnutzung im ersten Obergeschoss hat man in den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit zwar weiter aufrechterhalten, die Räume standen aber nun seit vielen Jahren leer.

Bezüglich ihrer Größe und Aufteilung eigneten sich die Räumlichkeiten hervorragend für die Verwaltung der RTG. Daher wurden bei der Sanierung hier nun die Büroräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Publikumsverkehr eingerichtet. Für die zweckdienliche Nutzung mussten die veralteten Küchen- und Sanitärbereiche einer Erneuerung weichen. Die vorhandenen schadhaften Verbundfenster aus der Nachkriegszeit wurden durch denkmalgerechte zweiflügelige Fenster ersetzt und die Außenwände mit einer Wärmedämmung mit Putzoberfläche versehen.

Im Erdgeschoss blieben die vorhandenen 120 Jahre alten Kastenfenster aufgrund des Denkmalschutzes erhalten, die inneren Flügel wurden mit einer Gummidichtung nachgebessert. Im Obergeschoss dagegen hat man die einscheibigen Fenster aus den Fünfzigerjahren durch Kastenfenster mit historisch gestaltetem Flügel außen und innerem Flügel mit Wärmeschutzglas nach heutigem Standard ersetzt. So konnte man hier den Energieverbrauch halbieren. 

Schon seit 1960 waren die Dachgeschossräume nicht mehr genutzt und entsprechend auch nicht mehr beheizt worden. Die Dachfläche aus der Zeit um 1900 wies keinen zeitgemäßen Wärmedämmstandard auf. Man fand eine unter den Sparren verputzte Heraklithplatte von 5 Zentimetern Stärke. 

Hier hat man mit Wärmedämmung zwischen den Sparren und zusätzlicher Wärmedämmung unter den Sparren saniert. Aus Brandschutzgründen wählte man Mineralwolle dafür. Somit konnte man den Wärmeverlust auf ein Fünftel reduzieren.

Schließlich haben auch die Böden eine Dämmung erhalten. Im Erdgeschoss fand man unter den alten Bodenbelägen überwiegend Beton ohne jegliche Wärmedämmung. Nach dem Herausbrechen des Betons wurde eine tiefergesetzte Betonschicht eingebaut und darauf im nicht unterkellerten Teil eine EPS-Wärmedämmung nach heutigem Neubaustandard und eine moderne Fußbodenheizung eingebaut. Das gesamte Niedertemperatursystem sorgt nun für erhebliche Energieeinsparungen.

Über den Gewölben der Teil-Unterkellerung war Wärmedämmung in Neubaustärke nicht überall möglich. Dennoch hat man durch die Maßnahmen der Dämmung heute einen Wärmeverlust – nach eingebauter Stärke der Wärmedämmung – von nur noch einem Drittel bis einem Sechstel im Vergleich zum Altbestand erreichen können.

In den ehemaligen Wohnräumen des Dachgeschosses mussten lediglich kleinere Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werden. Damit blieb die historische Substanz der Räume erhalten. Lediglich an Böden, Wänden und Türen wurden denkmalgerechte Sanierungsarbeiten durchgeführt. An den Dachfenstern sowie den Dachdurchdringungen der Kamine konnten die im Lauf der Jahre entstandenen Schäden durch Ersetzen der Hölzer und Austausch der Fenster behoben werden. 

Eine statische Verstärkung durch Mittelpfetten sowie eine notwendige Wärmedämmung komplettieren die Dachsanierung. Aufgrund der Erhaltung der bauzeitlichen Räume und deren kompletter Ausstattung stehen diese heute als Heimatarchiv der Gemeinde Ruhpolding zur Verfügung. Der sanierte Bahnhof ist heute ein Musterbeispiel für die sinnvolle Sanierung von denkmalgeschützter Bausubstanz und dem Übergang von überholter Nutzung zu modernen Aufgaben. (Eva Mittner)
 

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