Bauen

Das „Haus des Volkes“ des Bauhäuslers Alfred Arndt, 1927 in Probstzella gebaut. (Foto: Wiegand)

01.02.2019

Eine antitraditionelle Bewegung

100 Jahre Bauhaus in Thüringen: Weimar, wo alles begann

Streng geometrisch ragt das neue „bauhaus museum weimar“ empor, konzipiert von der Architektin Heike Hanada, laboratory for art and architecture, Berlin. Die stadtseitige Front des Kubus war Ende September 2018 noch von einer schwarzen, vom Wetter lädierten Schutzschicht bedeckt. Dass der Bau weiß sein wird, zeigten die übrigen Fassaden. Ihr Raster aus feinen weißen Linien dient aber nicht der Akzentuierung. Diese 30 umlaufenden Lichtbänder sollen das Museum nachts zum Leuchten bringen. Bei der Eröffnung am 6. April 2019 werden die Besucher einen minimalistischen Glaskubus, errichtet über einem Betonsockel, betreten. Auf der zum Weimarhallenpark gerichteten Seite gibt es dann einen zweiten Eingang. Dort gelangen die Menschen über eine große Terrasse, auf der sich auch ein Café befindet, ins Gebäude.

Weimar, wo alles begann, hat damit auch beim Museumsbau die Nase vorn und das sogar sechs Tage vor dem hundertsten Geburtstag. „Erst“ am 12. April 1919 hatte Walter Gropius das staatliche Bauhaus gegründet. Dessau will sein neues Bauhausmuseum am 8. September eröffnen, Berlin das restaurierte Bauhaus-Archiv plus Erweiterungsbau 2020/2021. Der Weimarer Museumsneubau ist in fünf Ebenen unterteilt, die in zweigeschossige offene Räume ineinander übergehen. Erd- und Untergeschoss sind für die Besucher frei zugänglich. Treppenanlagen, darunter eine 50-stufige Himmelsleiter, verbinden die Stadt- mit der Parkseite. Auf diese Weise öffnet sich das „bauhaus museum weimar“ in mehrfacher Hinsicht und trägt so den Ideen von Walter Gropius Rechnung.

In der Bauhaus-Tradition sieht sich die Architektin dennoch nicht. „Das Bauhaus war eine antitraditionelle Bewegung. Es wollte immer die Avantgarde, das Moderne sein“, betont Architektin Hanada. Auch soll ihr Gebäude „nicht so sehr ein Museum im klassischen Sinne sein, sondern vielmehr eine Werkstatt, in der sich die Gäste, die Bevölkerung und die Hochschulen Weimars wiederfinden und mit dem Haus arbeiten“. Immerhin erhält die Klassik Stiftung Weimar als Bauherrin durch dieses 22,6 Millionen Euro teure Museum erstmals die Gelegenheit, ihre weltweit älteste, rund 13 000 Stücke umfassende Bauhaus-Sammlung auf der 2250 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche adäquat zu präsentieren.

Die Grundlagen der Sammlung hatte Walter Gropius selbst gelegt. Per Zufall wurde dieser Schatz auf einem Dachboden unter Schutt gefunden. Umso unverständlicher ist es, dass die im Weimarer Archiv der Moderne gehüteten und immens wertvollen Bauhaus-Alben mit den Originalfotografien nicht ins neue Gebäude umziehen sollen.

Als Walter Gropius (1883 bis 1969) vor 100 Jahren das Staatliche Bauhaus gründete, war es ein kleiner Schritt in die Moderne. Obwohl es nur bis 1933 (ab 1925 in Dessau) existierte, wurde es ein großer Schritt für Bauen und Design über Deutschland und Europa hinaus, mit Wirkungen bis in die heutige Zeit. Selbst bauen konnte Gropius beim Weimarer Bauhaus-Start nicht, zog er doch in zwei Gebäude, die Henry van de Velde in den Jahren 1907 und 1915 konzipiert hatte: die Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule und die Großherzoglich-Sächsische Kunstschule, die spätere Kunstakademie. Als Velde Weimar verließ, empfahl er Gropius als seinen Nachfolger. Seit 1996 gehören diese beiden van de Velde-Bauten zum UNESCO-Weltkulturerbe und bilden die jetzige Bauhaus-Universität.

Das Bauhaus war eine Schule, und Gropius gewann bedeutende Künstler als Lehrer, wie Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky, László Moholy-Nagy und Josef Albers. Zuerst mussten die Schüler einen Vorkurs absolvieren, und so ist es bis heute. Nach erfolgreicher Bewerbung lernen die Studenten im bauhaus-Labor unter anderem hobeln, sägen, schleifen und programmieren. Nach einer Einführung durch Andreas Riese dürfen sie alle Maschinen benutzen, nur nicht die Standfräse. Sieben mal pro Semester erhalten sie eine Aufgabe, in zwei Wochen muss das Modell fertig sein und vor Publikum präsentiert werden, erklärt Professorin Gerrit Baptist. Das Bauhaus war und ist eine Talentschmiede.

Die Studierenden haben auch einen Bauhaus-Spaziergang entwickelt. Gerne zeigen sie ihre Uni und das rekonstruierte, von Gropius entworfene Direktorenzimmer. Ein weiteres Highlight ist der Treppenaufgang der ehemaligen Kunstgewerbeschule mit der (rekonstruierten) Ausmalung vom Bauhäusler Oskar Schlemmer. „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!“, hatte Gropius gleich anfangs in einem Manifest formuliert. Gemeint war: geradliniges und zweckmäßiges Bauen, geeignet für die industrielle Massenfertigung. Nach dem Ersten Weltkrieg brauchten die Menschen preiswerten und schnell gebauten Wohnraum.

Neue Bauten
für neue Menschen

Generell wollten Gropius und seine Mitstreiter neue Bauten für den neuen Menschen schaffen, doch im erzkonservativen Weimar begegnete man den Avantgardisten mit Argwohn. Um dem entgegenzuwirken veranstaltete Gropius im Sommer 1923 eine sechswöchige Leistungsschau. Diese war ein großes Fest, doch das von Georg Muche geplante Haus am Horn erntete Spott und Ablehnung. Auch das zählt seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Gewürdigt wurde – genau wie bei den beiden van de Velde-Bauten – das Bestreben, eine moderne Architektur zu schaffen mit neuen Materialien und Methoden.

Dennoch war Bauhaus nicht nur ein Architekturstil, sondern eine neue Haltung, die auch Musik und Theater sowie das Design von Möbeln, Geschirr und Textilien prägte. Das Bauhaus gilt daher als Gesamtkunstwerk. Die Welt neu denken – 100 Jahre Bauhaus lautet passend dazu das Motto der Bundesregierung für das Jubiläumsjahr 2019. Neu gedacht wurde in Weimar wieder vor 20 Jahren – die neue weimarhalle von 1999 mit dem congress centrum, entworfen von gmp Architekten.

Eine Grand Tour der Moderne durch Deutschland ist auch in Planung und die wird in Thüringen in Jena fündig, das sich aufgrund der Erfindungen von Carl Zeiss und Ernst Abbe die Lichtstadt nennt. In lichtem Weiß leuchten dort zwei von Gropius entworfene Häuser: das Haus Auerbach von 1924 und das Haus Zuckerkandl von 1928. Beide sind in Privatbesitz. Allerdings wird das Haus Zuckerkandl gerade zum Kauf angeboten.
Das Großunternehmen Carl Zeiss Jena war in mancher Hinsicht noch schneller als Gropius. Das ehemalige Zeiss-Hauptwerk, errichtet 1906 von der Firma Dyckerhoff & Widmann, war der erste Stahlbetonskelettbau und dient nun als Universitätscampus und Goethegalerie. 1915 entstand auf dem heutigen Ernst-Abbe-Platz das Haus Z 15. Mit 42 Metern Höhe gilt es als das erste Hochhaus Deutschlands.

Jenas Stadtbild beherrscht der rund 150 Meter hohe JenTower, errichtet 1972 nach Plänen des DDR-Staatsarchitekten Hermann Henselmann. Die Studenten nennen ihn „Penis Jenensis“, „Keksrolle“ sagen andere. Weit mehr an Geschmack bietet die van de Velde-Torte im Philisterium, dem Café des Stadtmuseums. Den Augen tut die gelungene Moderne von 2014 im Sonnenhof gut, entworfen von J. Mayer H. und Partner, Berlin.

Der Clou und vielfach noch ein Bauhaus-Geheimtipp ist jedoch das „Haus des Volkes“ in Probst-zella im einstigen DDR-Sperrgebiet an der Grenze zu Bayern. Der junge Bauhäusler Alfred Arndt hatte es bis 1927 für den Industriellen Franz Itting zur Erholung seiner Arbeiter errichtet. Mit Sauna, Kino, Theatersaal, Bibliothek und Kegelbahn erfreute Itting seine Beschäftigten.

Nach Umbenennung und vielfacher Nutzung zu DDR-Zeiten stand das Gebäude seit der Wende leer und verfiel, bis es 2003 Dieter Nagel aus Probstzella erwarb. Ab 2004 ließ er das marode Bauwerk sanieren sowie restaurieren und eröffnete es 2008 als Bauhaus-Hotel. In leuchtendem Rot ragt es über die Dächer. Innen dominieren die Bauhausfarben rot, blau und gelb. Aus dem blauen Speisesaal und von der Arndt-Terrasse blicken die Gäste hinüber nach Bayern.

Das „Haus des Volkes“ hat Deutschlands Teilung überlebt, genau wie das Bauhaus, das in der DDR nach zunächst schroffer Ablehnung ab 1976 durch die Bauhaus-Kolloquien wieder gewürdigt wurde. Die Plattenbauten fußen auf diesen Ideen, die ab 1925 in Dessau weiterentwickelt wurden. Nach 100 Jahren sind sie noch immer aktuell. (Ursula Wiegand)

(Das Haus Auerbach (1924) in Jena, ein Entwurf von Walter Gropius. Das bauhaus museum weimar von der Architektin Heike Hanada - Fotos: Wiegand)

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