Bauen

Die neue Brücke über die Bahntrasse bei Uttenhofen. (Foto: Staatliches Bauamt Ingolstadt)

02.10.2020

Eine Hauptachse im Güter- und Personenverkehr

Der Ersatzneubau einer Brücke über die Bahntrasse bei Uttenhofen konnte früher fertiggestellt werden als geplant

"Brücke muss nach nicht mal 40 Jahren abgerissen und neu gebaut werden“ – eine solche Schlagzeile befürchtete das Staatliche Bauamt Ingolstadt Anfang 2019. Was war geschehen? Seit 1981 überführte eine Spannbetonbrücke die Staatsstraße (St) 2232 Pfaffenhofen – Geisenfeld über die Bahnlinie München – Nürnberg und eine Gemeindeverbindungsstraße. Ein Widerlager des Zweifeldbauwerks lag dabei sehr nah an den Gleisen, um durch eine geringe Stützweite Kosten zu sparen. Eine Entscheidung, die sich im Lauf der Zeit als fatal erweisen sollte. Die verantwortlichen Ingenieure des Staatlichen Bauamts Ingolstadt mussten dabei zusehen, wie sich die Substanz stetig verschlechterte, da aufgrund des hochfrequenten Bahnbetriebs die maßgeblichen Schäden am Bauwerk nicht saniert werden konnten.

Die Sicherung der Oberleitung der Bahn in den 1990er-Jahren stellte die erste größere Sanierungsmaßnahme am Bauwerk dar. Die Telleranker zur Verankerung der Kappen mit dem Bauwerk waren korrodiert. Nachdem die Kappen unter dem Gewicht des horizontalen Berührschutzes zu kippen drohten, mussten zusätzliche Verankerungen im gesamten Brückenbereich angebracht werden. Die Abdichtung des Bauwerks musste hierfür mehrfach durchbohrt werden. Durch die Bohrungen konnten jedoch kontinuierlich Wasser und Chlorid in die Brücke eindringen.

Die Sanierungsmethodik schwebte fortan wie ein Damoklesschwert über dem Bauwerk. So wies die Bestandsbrücke trotz des relativ jungen Alters einen sich rapide verschlechternden Schädigungsgrad auf. Die Erneuerung des gesamten Bauwerks war nunmehr unumgänglich. Die Verankerung mit Tellerankern beim Neubau und die Methodik zur Verankerung bestehender Kappen stellte zum damaligen Zeitpunkt den Stand der Technik dar.

Kurze Sperrzeitenfenster

Im Januar 2017 begann das Bauamt die Planungen für den Ersatzneubau. Die Randbedingungen für den Ersatzneubau stellten hohe planerische und bautechnische Ansprüche. Die kreuzende Hochgeschwindigkeitsstrecke der Deutschen Bahn verbindet München mit Nürnberg und Berlin. Sie stellt dabei in Nord-/Südrichtung eine der Hauptachsen im Güter- und Personenverkehr dar. Die Auswirkungen der Baumaßnahme auf den Bahnbetrieb waren daher auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Die Lösungen für den Abbruch und den Neubau waren entsprechend der voraussichtlich nur kurzen Sperrzeitenfenster vorausschauend zu wählen.

Bereits im Februar 2018 konnte das Bauamt den Vorentwurf der Regierung von Oberbayern zur Genehmigung vorlegen. Unter Abwägung zwischen betrieblichen, wirtschaftlichen und gestalterischen Gesichtspunkten fiel die Wahl der Planer auf eine im Vergleich zum Bestand völlig andere Bauweise, die den Randbedingungen dieses Standorts wesentlich besser gerecht wird als das Bestandsbauwerk.
Ein einfeldriges Bauwerk überspannt die Bahnstrecke und die parallel verlaufende Gemeindeverbindungsstraße mit einer lichten Weite von etwa 27 Metern. Die Widerlager stehen nun so, dass es ausreichend Raum zwischen den Gleisen für den laufenden Unterhalt außerhalb von Sperrpausen gibt. Der Abstand des Widerlagers zur Gemeindestraße wurde auf das notwendige Maß reduziert.

Schlanke Träger ermöglichen es, ohne eine Anpassung der Oberleitungsanlage der Bahn auszukommen. Damit konnte die Unterkante des Bauwerks im Vergleich zum Bestand gehalten werden. Die vier Verbundfertigteilträger bestehen aus schmalen, ausreichend steifen, dicht geschweißten Kästen aus wetterfestem Baustahl mit rechteckigem Querschnitt und variabler Bauteilhöhe zwischen 1,5 Metern in Feldmitte und 2,3 Metern an den Rändern. Ein wetterfester Baustahl macht es möglich, dass die Erneuerung des Korrosionsschutzes des Stahlträgers entfallen kann. Durch die Zulegierung von Stoffen wie Kupfer oder Chrom wird eine witterungsbeständige rostbraune Patina ausgebildet, die eine Sperrschicht für eine weitergehende Rostbildung darstellt.

Nachdem die Erneuerung des Korrosionsschutzes aufgrund des knappen Arbeitsraums über dem Lichtraumprofil der Bahn lediglich in Sperrpausen zu bewältigen wäre, stellt dies einen entscheidenden Vorteil für den Unterhalt dar.

Normalerweise müssen Gleissperrungen bei der Bahn mindestens drei Jahre im Voraus zur integrierten Bündelung von Baumaßnahmen beantragt werden. Kaum war der Vorentwurf vorgelegt, teilte die Deutsche Bahn dem Bauamt aber überraschend mit, dass bereits in 2019 eine Reihe an bahneigenen Sperrpausen in Aussicht gestellt werden könnten.

Fünf Tage für den Aufbau

Innerhalb kürzester Zeit musste die Ausführungsplanung und Statik erstellt und geprüft werden. Die Planungen waren auf ein Maximum zu beschleunigen. Die Aufnahme des Brückenbauwerks in das Sonderprogramm Brückenertüchtigung für Staatsstraßen in Bayern konnte die Finanzierung der Maßnahme (Gesamtkosten: sechs Millionen Euro) sichern.

Für den Ersatzneubau waren zwei wesentliche Meilensteine im Bauablauf ausschlaggebend, die einen hohen Anspruch an die bauausführenden Firmen stellten. Für den Abbruch des Bestandsbauwerks gab die Bahn ein enges Zeitfenster von zweimal vier Stunden nachts für eine Vollsperrung der Gleise frei. Das Abbruchkonzept sah vor, das Bauwerk in vier jeweils etwa 250 Tonnen schwere Bauteile zu trennen und auszuheben. Aufgrund der großen Ausladung kam hierfür ein 900 Tonnen Raupenkran mit einem 54 Meter hohen Hauptausleger zum Einsatz.

40 Lkws waren nötig, um diesen anzuliefern. Der Aufbau dauerte fünf Tage. Um die wuchtigen Bauteile anzuhängen und über die Gleise schweben zu lassen, lagen Schäkel und Ketten mit einem Gewicht von mehreren Tonnen zum Einsatz bereit. Alle Projektbeteiligten arbeiteten konzentriert auf die Sperrpausen hin. Die Vorbereitungen waren abgeschlossen – bis ein „Schuh“ die sofortige Einstellung aller Arbeiten auslöste.

An einem Freitagnachmittag, knapp einen Tag vor dem monatelang minutiös geplanten Abbruch, schlug ein Anruf des Bauüberwachers Bahn beim Bauamt wie eine Bombe ein: Die Sperrpause musste abgesagt werden. Ein Problem, das er in 20 Jahren Berufserfahrung noch nicht hatte lösen müssen. Aufgrund eines nicht beseitigten Hemmschuhs im Gleis war ein Zug in Augsburg-Oberhausen entgleist. Die Strecke, die ursprünglich als nächtliche Umleitungsstrecke während der Vollsperrung dienen sollte, war damit bis auf Weiteres nicht befahrbar. Das Ausmaß der Schädigung war zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar, das weitere Vorgehen nicht absehbar.

Dank der Kooperationsbereitschaft der Bahn konnte kurzfristig nach Freigabe der Strecke bei Augsburg binnen einer Woche ein weiteres Zeitfenster für den Abbruch anberaumt werden. Im zweiten Anlauf verlief nun alles reibungslos. Alle Brückenüberbauteile konnten ohne Komplikationen ausgehoben werden. Der weitere Abbruch der Widerlager erfolgte konventionell. ohne den Bahnbetrieb zu beeinträchtigen.

Von Beginn an war ein reibungsloser Bauablauf als Ergebnis einer umsichtigen Planung und eines fachkundigen Bauteams gegeben. In den kommenden Wochen bis zum zweiten großen Meilenstein – dem Einhub der neuen Träger – wurde beidseits ein wasserdichter Verbau in Form eines Spundwandkastens hergestellt. Auf die flach zu gründenden Fundamente des neuen Bauwerks wuchsen gevoutete Widerlager und Stützwände mit einer Höhe von bis zu zehn und einer Länge bis zu 20 Metern.

Den nächsten entscheidenden Schritt für die Unabhängigkeit der Baumaßnahme vom Bahnbetrieb stellte der Einhub der vier neuen Brückenträger dar. Die 46 Meter langen und rund 70 Tonnen schweren Fertigteile hob ein 500 Tonnen Kran just-in-time in zwei weiteren nächtlichen Sperrpausen ein. Nach Fertigstellung des Überbaus und der Hinterfüllung der Widerlager konnte die Brücke am 21. November 2019 sogar früher als ursprünglich geplant feierlich für den Verkehr freigegeben werden. (Elena Merk)

(Bauarbeiten an der Ersatzbrücke - Foto: Max Bögl, Lukas Hüttig)

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