Bauen

Das neue Weingut Van Volxem gilt als Vorzeige-Manufaktur im deutschen Weinbau. (Foto: Renate Wolf-Götz)

22.09.2022

Elegant und gradlinig, aber nicht protzig

Weinkultur mit zukunftsweisender Architektur an Mosel und Saar

Regional und nachhaltig – das sind auch beim Bau neuer Weingüter an Mosel und Saar Begriffe, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das WeinKulturgut Longen-Schlöder in Longuich an der Römischen Weinstraße ist seit mehreren Generationen in Familienbesitz. Zur Betriebsphilosophie gehört nicht nur der sorgfältige Ausbau ihrer Weine in moseltypischer Sortenvielfalt. Auch beim Neubau ihrer Winzerhäuschen haben sich Sabine und Markus Longen eine harmonische Verbindung von Tradition und Moderne zum Ziel gesetzt.

Kein geringerer als der Mailänder Architekt und Designer Matteo Thun sollte die Gästehäuser gestalten. „Wir waren schon seit Längerem von den klaren Prinzipien seiner Bauten fasziniert“, sagt Sabine Longen. Bevor der Maestro mit seiner Planung begann, wollte er die „Seele der Ortschaft“ einfangen und Antworten auf seine Fragen finden: Welche Baumaterialien gibt es vor Ort? Wie kann man ressourcenschonend bauen und dabei CO2-Ausstoß sowie Müll weitestgehend vermeiden?

Um sich von der gesamten Bebauungsfläche für die Winzerhäuschen ein Bild zu machen, stiegen die Longens mit dem Architekten auf den gegenüberliegenden Weinberg. Beim Blick auf den beschaulichen Winzerort Longuich war dem Stararchitekten klar, dass sich hier nur kleine Gästehäuser harmonisch einfügen. Bei der Gestaltung ließ sich Matteo Thun von den traditionellen Geräteschuppen der Mosel-Winzer in ihren Wingerts inspirieren. 
Entstanden sind daraus 14 kleine Refugien aus dem heimischen Schiefer, alleinstehend und in Zweiergruppen, die als Familiendomizil verbunden werden können. Im Innern strahlen die freundlich gestalteten Häuschen mit ihren klaren Linien eine ruhige Atmosphäre aus. Jedes Detail in den schlicht weiß getünchten Ein-Raum-Häusern mit hellbraunen Eichenholzfußböden hat Thun entworfen, vom raumgreifenden Bett bis zu den Armaturen im Bad. Dabei stiehlt nichts Überflüssiges Platz. Kleine Details wie rote, lässig auf dem Bett drapierte Wolldecken oder kuschelige Kissen runden das Interieur ab. Auf einen Fernseher wurde bewusst verzichtet. Wer in die Ferne sehen möchte, öffnet die breite Terrassentür zum hauseigenen Gärtchen und blickt auf Rosen sowie Wildblumen, Beerensträucher und Obstbäumchen, hat den Duft von Minze sowie Melisse in der Nase und die Weinberge vor Augen.

Vinothek und Frühstücksraum sowie sechs weitere Gästezimmer sind im neuen „Haus Sabine“ untergebracht. Auch dabei hat Matteo Thun im Zusammenwirken mit lokalen Architekten gestalterisch Regie geführt. Für das ehrgeizige und konsequent verfolgte Ziel, das Familien-Weingut nachhaltig und hochwertig auszubauen, haben die Longens einige Ehrungen eingeheimst. Besonders stolz sind sie auf den Architekturpreis der Architektenkammer und Deutschen Weinbauverbands sowie dem rheinland-pfälzischen Umwelt-, Landwirtschafts- und Weinbau-Ministerium.

Auch das etwa 30 Kilometer südlich gelegene Weingut Van Volxem hoch über der Saar ist mit einem Architekturpreis ausgezeichnet worden. Dabei liege der Schwerpunkt des 2019 fertiggestellten Neubaus nicht auf Design, sondern auf Logistik, betont der Eigentümer der Weinmanufaktur Roman Niewodniczanski. „Eleganz sollte der Neubau ausstrahlen, gradlinig sein und auf keinen Fall protzig“, so der Spross der Bierdynastie Bitburger, der sich frühzeitig von der Bierproduktion ab- und dem Wein zugewandt hat.

Auch er ließ sich für seine „Vision einer perfekten Wirkungsstätte“ von Architekten aus Mailand unterstützen. Nachhaltigkeit stand ganz oben auf der Liste des rastlosen Winzers. Versteht sich, dass dafür regionaler Naturstein als Baumaterial zum Einsatz kam. Damit nahm der quadratische Bau Gestalt auf dem Fundament eines unspektakulären Kellereigebäudes an, das einst hier inmitten einiger der besten Weinlagen der Region thronte.
Niewodniczanski hat an nichts gespart. Keine Kompromisse ging der perfektionistische Bauherr ein. Als er etwa einen kleinen Abstandsfehler zwischen zwei der Travertinsteine entdeckt hatte, ließ er die Deckenverkleidung im Weinkeller wieder abtragen und neu einsetzen. Im Ergebnis steht die neue Weinmanufaktur nunmehr als größte private Investition der letzten Jahrzehnte im deutschen Weinbau. Neben Ideengeber und Finanzier Niewodniczanski blickt die gesamte Saarregion mit Stolz auf das Bauwerk, das sie als neues Symbol ihrer zukunftsweisenden Weingüter betrachten.

Das „Monolith“-Ensemble, in dem der Keller und die stylischen Besucher*innen- und Verkostungsräume untergebracht sind, haben die Südtiroler Architekten Trojer und Vonmetz konstruiert. Die Fassaden sind in klaren Linien mit hellem Travertinstein verkleidet. Im Innern setzt sich der nüchterne Stil in stylischem Design fort. 

Herzstück des Ensembles ist der blitzblanke Raritätenkeller, in dem ausgesuchte Lagen und Jahrgänge in speziell entwickelten, horizontal einfassten Edelstahltanks über Jahre reifen können. Im ebenso wohlgeordneten Holzfasskeller nebenan reifen die finessenreichen Saarweine nach historischem Vorbild in großen Fässern aus Eifeler Eiche aus Familienbesitz der Bitburger Dynastie. Dank moderner Technik bleiben die Keller mit 16 Grad konstant temperiert.

Davon konnten die Römer, die einst im nahegelegenen Trier residiert und die besten Lagen an Mosel und Saar für ihren Weinanbau genutzt hatten, nur träumen. Ruinen einstiger Römervillen inmitten der Weinberge sind noch heute vereinzelt erhalten. In Longuich wurde die antike Römervilla in den Weinbergen rekonstruiert. Aus der Römervilla in Wiltingen wurde ein Klostergut, das Roman Niewodniczanski zu seinem ersten Weingut machte. Für seine vielfältigen Ideen in Sachen Weinanbau hat der Nachfahre einstiger Eifelbauern in seiner neuen Weinmanufaktur Van Volxem indessen deutlich mehr Gestaltungsraum.

Beim Verkosten der Ergebnisse, vom Kanzemer Riesling bis hin zur Trockenbeerenauslese, fällt der Blick durch die genial integrierten Panoramascheiben des geschmackvoll dekorierten Verkostungsraums hinaus auf die Weinberge um das architektonische Meisterwerk. Dabei scheint es, als hätte man eine Seite in einem Bildband aufgeschlagen. (Renate Wolf-Götz)
 

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