Bauen

10,6 Millionen Euro wurden in das Bauvorhaben investiert. (Foto: Erzdiözese München und Freising)

14.10.2011

Energetisches Vorzeigeprojekt

Neubau des Gymnasiums und Kollegs St. Matthias in Wolfratshausen-Waldram

Während der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise, 1927, errichtete das Erzbistum München und Freising unter Kardinal Faulhaber eine Einrichtung, in der junge Männer, die bereits im Berufsleben gestanden hatten und in sich die Berufung zum Priestertum verspürten, das Abitur nachholen konnten. Das „Spätberufenenseminar St. Matthias mit Gymnasium und Kolleg“ ist die älteste Einrichtung des zweiten Bildungswegs in Bayern. Die Anfänge der Einrichtung liegen in München-Schwabing, später wurde sie nach Fürstenried in ein Nebengebäude des Schlosses verlegt. 1957 zog die Einrichtung in die neu hergerichteten Gebäude in Waldram um. Damals gab es rund 180 Schüler, alle Interne (Seminaristen).
Mit der zurückgehenden Zahl von Seminaristen wurde es 1971 ermöglicht, dass auch externe Schülerinnen und Schüler die beiden Schulen (Gymnasium und Kolleg) besuchen und hier die allgemeine Hochschulreife erwerben können. Erzbischof Josef Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., errichtete 1982 als Rechtsträger die „Stiftung Erzbischöfliches Priesterseminar St. Matthias“. Nach der Errichtung der neuen Pfarrkirche wurde 1998 die alte Kirche profanisiert und bis 2004 in mehreren Etappen der Neubau des Seminars erstellt.
Beide Schulen, das Spätberufenengymnasium und das Kolleg, sind staatlich anerkannt und bieten jungen Menschen nach abgeschlossener Haupt- oder Realschule beziehungsweise nach Berufstätigkeit die Möglichkeit die allgemeine Hochschulreife nachzuholen. Ursprünglich war die ganze Einrichtung ausschließlich für Männer gedacht, die – um Priester werden zu können – das Abitur nachholen. Heute stehen die Schulen allen jungen Menschen offen, die die allgemeine Hochschulreife erwerben wollen.
Das Schuljahr 2011/12 begann mit rund 160 Schülerinnen und Schülern, davon 30 Seminaristen. Sie werden von 23 Lehrerinnen und Lehrern in elf Klassen unterrichtet. Spätberufenengymnasium und Kolleg führen in drei Jahren zur allgemeinen Hochschulreife. Vorkurse dienen der Vorbereitung dieser Jahre. In kleinen Klassen beziehungsweise Kursen wird eine optimale Förderung der Schülerinnen und Schüler erreicht. Eine individuell mögliche Zusammenarbeit in Kleingruppen ergibt eine besondere Schulatmosphäre, die oft für das Leben prägend ist.
Nachdem sich bereits in den 1990er Jahren abgezeichnet hatte, dass an den Gebäuden in Waldram ein erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf bestand, wurde zunächst im Auftrag der Bistumsleitung eine Untersuchung mit einer Vergleichsstudie infrage kommender Standorte für das Erzbischöfliche Spätberufenen-Seminar in Auftrag gegeben. Außer dem Standort in Wolfratshausen-Waldram waren noch das Kloster Schäftlarn sowie Traunstein und Pullach untersucht worden.
Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter und der Ordinariatsrat beschlossen nach Auswertung der Vergleichsstudie, am Standort Wolfratshausen-Waldram festzuhalten und die Einrichtung durch gezielte bauliche Maßnahmen zu stärken und zukunftsfähig zu machen.
Zunächst wurde der Gebäudeteil, in dem sich die Seminarkirche und die Aula befinden, umgebaut und renoviert und mit den neuen zweigeschossigen Seitentrakten für Speisesaal und Verwaltungsräume im Erdgeschoss und Seminaristenzimmern ergänzt. Das zum Seminar gehörige Gymnasium und Kolleg war bis zum Ende des Schuljahres 2010/2011 in Gebäuden der Erbauungszeit und aus den 1960er Jahren untergebracht.
Diese Gebäude entsprachen seit langem nicht mehr den heutigen Standards des Schulbaus. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs waren aus Gründen des Brandschutzes außen Gerüsttreppenanlagen erstellt worden. Neben der allgemeinen altersbedingten Abnutzung genügten diese Gebäude insbesondere auch in energetischer Sicht nicht mehr den aktuellen Anforderungen. So war es nur folgerichtig, einen Neubau für die Schule zu errichten. Im April 2006 fassten Kardinal Wetter und der Ordinariatsrat den notwendigen Grundsatzbeschluss. Das Referat Bauwesen führte anhand des Raumprogramms eine Grobkostenschätzung durch und leitete dann die Planung mit dem bisher bereits tätigen Team. Mit Beschluss des Ordinariatsrats vom 2. Dezember 2008 erfolgte der Startschuss für die Realisierung des Neubaus.
Im Januar 2008 erfolgte die Verabschiedung des Vorentwurfs, des Entwurfs im Mai 2008. Im Juni 2008 konnte der Bauantrag beim zuständigen Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen eingereicht werden. Parallel dazu lief das schulaufsichtliche Genehmigungsverfahren. Der Förderantrag für die staatlichen Baukostenzuschüsse wurde bis Ende 2008 erarbeitet. Im Januar 2009 wurde die behördliche Baugenehmigung durch das Landratsamt, im März 2009 die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn durch die Regierung von Oberbayern erteilt. Damit war der Weg frei für die Ausschreibung und Vergabe der Bauleistungen nach den staatlichen Vergaberichtlinien.
Noch vor dem 1. Spatenstich am 23. Juli 2009 war im Juni auch der Förderantrag genehmigt worden. Die Bauarbeiten begannen wie in der Terminplanung vorgesehen im Sommer 2009. Der Rohbau konnte zügig erstellt werden, sodass am 2. Dezember 2009 die Grundsteinlegung stattfinden konnte. Das Richtfest wurde am 13. April 2010 gefeiert. Nach einer Bauzeit von zwei Jahren konnte der Neubau wie geplant Anfang September 2011 zur Nutzung übergeben werden und der Schulbetrieb pünktlich zum Beginn des neuen Schuljahres 2011/2012 in den neuen Räumen aufgenommen werden.
Der Neubau ist parallel zur Ludwig-Thoma-Straße angeordnet, so wie dies bereits in der Studie von 1999 vorgesehen war. Über einen leichten Zwischenbau ist das Schulgebäude mit dem zentralen Bestandsgebäude verbunden. Im Eingangsbereich und Zwischentrakt sind die Büros des Seminardirektors, der Schulleitung und der Verwaltung untergebracht. Die Schulräume befinden sich im ersten Obergeschoss, das durch eine zentrale Treppe im Flur erschlossen wird. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen gibt es einen in der Flucht der Treppe angeordneten Aufzug.
Neben dem Lehrerzimmer finden sich im Erdgeschoss die Fachunterrichtsräume für Biologie und Chemie sowie für Physik mit ihren jeweiligen Vorbereitungs- und Übungsräumen. Dazu gibt es noch einen teilbaren Mehrzweckraum zum grünen Innenhof hin. Für die Mittagspause steht im Eingangsbereich ein heller Aufenthaltsraum mit Terrasse zur Verfügung. Hier können auch Essen aus der Seminarküche ausgegeben oder warme Getränke zubereitet werden.

Konzipiert als Niedrigst-Energiehaus


Um den sich aus dem Straßenverlauf schon ergebenden Platz zu stärken, wird die Vorzone vor dem gemeinsamen Eingang zum Schulgebäude und zum Seminar aufgeweitet und mit einem Kunstobjekt der Bildhauerin Sabine Straub an der Südostecke gefasst und markiert.
Mit Beitritt der Erzdiözese zur Bayerischen Klimaallianz bestand schnell Einigkeit zwischen Seminar- und Schulleitung sowie Ordinariat, dass das neue Schulgebäude auch in energetischer Hinsicht vorbildlich sein sollte. Zusammen mit dem Lehrstuhl für Haustechnik und Bauklimatik von Professor Hausladen (Technische Universität München) wurde ein Energiekonzept entwickelt. Hauptziel war eine über den Jahresgang ausgeglichene Energiebilanz im Bereich Gebäudeheizung.
Das neue Gebäude ist deshalb als Niedrigstenergiehaus konzipiert. Mit Sonden, die bis in etwa 100 Meter Tiefe reichen, wird die Erdtemperatur genutzt, um über eine Fußbodenheizung das Gebäude zu beheizen. Überschusswärme im Sommer wird mittels desselben Rohrsystems dem Gebäude entzogen und so zur Kühlung und zur Nachladung der Erdspeicher verwendet. Die in der kalten Jahreszeit für den Betrieb der Wärmepumpe benötigte Menge an elektrischer Energie wird im Jahresgang durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Schulgebäudes gewonnen, wodurch die Energiebilanz ausgeglichen wird.
Durch geschickte Tageslichtführung soll der Einsatz von künstlicher Belichtung auf ein Mindestmaß reduziert werden. Mit einer Lüftungsanlage wird einerseits für eine ausreichende Frischluftzufuhr in den Unterrichtsräumen gesorgt und andererseits dem Wärmeverlust durch unkontrolliertes Lüftungsverhalten entgegen gewirkt. Mit einem hochwirksamen Wärmetauscher wird erreicht, dass 85 Prozent der in der Abluft enthaltenen Wärmeenergie sowie 50 Prozent der Raumluftfeuchte wieder zur Verfügung gestellt werden können. Mit bodennahen Quellluftauslässen sollen die Räume gleichmäßig mit ausreichend Frischluft ohne Abstriche an die Behaglichkeit versorgt werden.
Der lang gestreckte, zweigeschossige Flachdach-Baukörper des Gymnasiumsneubaus entlang der Ludwig-Thoma-Straße knüpft in der Höhenentwicklung, seiner kristallinen einfachen Formensprache an die Neubauten des Seminars an, und entwickelt mit dem gläsernen, transparenten Verbindungsbau und dem Gebäudeensemble der Seminargebäude eine mit altem Baumbestand begrünte hofartige Anlage.
Erschlossen wird Schule und Seminar über einen gedeckten Eingangsbereich im südöstlichen Gebäudeteil entlang der Ludwig-Thoma-Straße, welche sich hier platzartig um die Gebäudeecke erweitert. Dadurch entsteht städtebaulich ein neuer Eingangs- und Aufenthaltsbereich mit einem Kunstobjekt, der in seiner Identifikation die Bedeutung des jetzt überbauten Seminarplatzes wieder herstellen soll.
Die Erschließung der bestehenden Garagenanlage mit den daran anschließenden Stellplätzen, die neu gegliedert, begrünt, bepflanzt und unter Schonung des bestehenden Baumbestands erweitert wurden, führt verkehrsberuhigt über die Platzanlage. Eine weitere Platzanlage als Pausenhof entstand westlich des Neubaus an der Ludwig-Thoma-Straße.
Die lang gestreckte Grundrissform der Pausenhalle mit Eingangsbereich, umlaufenden Galerien, einer einläufigen Treppenverbindung und zweigeschossigem Luftraum in der Mittelzone ist innenräumlich und erschließungstechnisch das Kernstück der Anlage. Transparent, luftig und durchlässig wirkt das Erscheinungsbild: Durch die helle Farbigkeit mit den abgestimmten Materialien Birke, weißen Putzflächen und den hellgrauen Metallbrüstungen. Durch die großflächigen Verglasungen, konstruiert mit grazilen Profilen aus Holz und Stahl oder rahmenlosen Konstruktionsmethoden. Durch die hohe Lichtintensität der Glasoberlichter im Dachbereich über dem zentralen Luftraum.
Offenheit wird im Eingangsbereich demonstriert, der Schule und Seminar verbindet. Weitgehend verglast integriert sich das Sekretariat als Anlaufstelle für Schüler und Besucher mit dem Freizeit- und Essensbereich in die Vorzone. Die Flurwände der Klassenzimmer haben großteils Oberlichtkonstruktionen zur Verbesserung der Lichtverhältnisse. In den Einbauschränken aus Birke sind neben Garderoben haustechnische Anlagen zur Lüftung integriert.
In der Fassadengestaltung dominiert abwechselnd Holz mit Glas. Die weitgehend geschosshohen Erdgeschossverglasungen des Schulneubaus samt Verbindungsgang bewirken eine optische Ablösung des Obergeschosses, das durch die Verkleidung mit einer rotgefärbten Holzlamellenkonstruktion und den Bandfassaden Geschlossenheit vermittelt. Die Farbigkeit, Materialität, Maßstäblichkeit und Transparenz der Neubauten des Seminars wurden aufgegriffen und fortgeführt.
Durch die hohe Attikaausbildung wird der Dachrand geometrisch exakt abgeschlossen. Dadurch ist eine Einsicht auf die am Dach aufgelagerten Photovoltaikelemente nicht möglich.
Das Bauvorhaben konnte im vorgegebenen Termin- und Kostenrahmen von rund 10,6 Millionen Euro realisiert werden. Geplant hat das Gebäude Claus und Forster Architekten aus München. (BSZ)

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