Bauen

Das Deutsche Museum auf der Isarinsel von Nordwesten aus gesehen. (Foto: Deutsches Museum)

05.05.2017

Es geht voran auf der Isarinsel

Generalsanierung des Deutschen Museums – eine Zwischenbilanz

Das blaue Band, das den neuen Besuchergang an der Außenfassade des Deutschen Museums ziert, ist schon von Weitem zu sehen. Seine verheißungsvolle Aufschrift „Auf zu großen Zielen“ verrät: Hier tut sich was. Und zwar eine ganze Menge. Das Deutsche Museum in München gilt als das größte naturwissenschaftlich-technische Museum der Welt. Doch der Publikumsmagnet, der jährlich etwa 1,5 Millionen Besucher auf die Isarinsel lockt, ist seit seiner Eröffnung im Jahr 1925 sichtlich in die Jahre gekommen. Und so hat sich das Museum einer Mammutaufgabe gestellt. Bis 2025, pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum, will es sich praktisch neu erfinden und nicht nur das größte, sondern auch eines der modernsten Technikmuseen der Welt sein.
Wenn schon, denn schon: Unter diesem Motto wird nun das gesamte Ausstellungsgebäude grundlegend saniert sowie technisch auf den neuesten Stand gebracht, und auch die mehr als 50 Ausstellungen werden aktualisiert oder gleich neu konzipiert. Ein Großprojekt bei laufendem Betrieb, denn dank der Aufteilung in zwei Bauabschnitte – der erste soll 2019, der zweite 2025 abgeschlossen sein – bleibt immer jeweils etwa die Hälfte des Museums für die Besucher zugänglich. Was in der anderen Hälfte vor sich geht, ist aber mindestens ebenso spannend.
Schon 2006 fiel der Startschuss für die sogenannte Zukunftsinitiative, für die Wolfgang Heckl, Generaldirektor des Deutschen Museums, bald viele finanzkräftige Förderer gewinnen konnte. In den darauffolgenden Jahren wurden bereits Dach und Fassade des Sammlungsbaus restauriert. Die Sanierung des Gebäudeinneren begann dagegen erst im Oktober 2015 unter Federführung der Architekten Schmidt-Schicketanz und Partner, die mit der Objektplanung betraut worden waren.
Für den ersten Bauabschnitt musste ein Teil des Gebäudes und mit ihm etwa die Hälfte der Ausstellungen geschlossen und geräumt werden. Was einfach klingt, war eher eine Herkulesaufgabe. Neun Monate lang waren 25 eigens dafür eingestellte Mitarbeiter damit beschäftigt, die wertvollen Exponate, zum großen Teil einzigartige Werke der Technikgeschichte, unter angemessenen konservatorischen Bedingungen unterzubringen – manches an einem anderen Standort im Haus, vieles aber auch auf 10 000 Quadratmetern Depotfläche, die das Museum extra zu diesem Zweck angemietet hat, oder in den Außenstellen des Deutschen Museums wie dem Verkehrszentrum auf der Theresienhöhe oder der Flugwerft Schleißheim.
Die Räumung war nicht nur langwierig, sondern auch logistisch eine Herausforderung. Flugzeuge, U-Boote oder Dampfmaschinen sind tonnenschwer und nicht gerade handlich – was nicht durch die Türen passte wie etwa die Rakete V2, wurde sorgsam in einer Art verrückbarem „Holzkoffer“ staubdicht eingehaust. Senkrechtstarter, Hubschrauber und vieles andere mehr gingen dagegen auf Reisen, so wie die legendäre Ju 52 mit dem liebevollen Spitznamen „Tante Ju“. Sie wurde in Rumpf und Flügel zerlegt, mit einem Kran vorsichtig aus dem Gebäude gehoben, um das Museum herumgerollt und wie ein rohes Ei auf zwei Tiefladern verstaut, die sie schließlich in ein Depot in Sicherheit brachten.

15 Meter tief in den Boden

Während innen im Gebäude die Räumung noch auf Hochtouren lief, wurde außen herum die denkmalgeschützte Ufermauer ertüchtigt, nachdem ihr ein statisches Gutachten mangelnde Standsicherheit bescheinigt hatte. Da die Uferstraße während der Bauarbeiten große und schwere Fahrzeuge tragen musste, stabilisierte man die Ufermauer mit speziellen Ankern, die 15 Meter in den Boden reichen und einen Träger halten, der oben auf der Mauer befestigt wurde. Einige direkt an der Ufermauer stehende alte Bäume standen dabei im Weg und mussten daher gefällt werden. Eine wenig populäre Maßnahme, doch das Deutsche Museum will nach Abschluss der Arbeiten wieder Bäume auf der Insel pflanzen.
Weil der Sammlungsbau einst auf rund 1500 Bohr- und Rammpfählen errichtet worden ist, die tief im Kies und Sand der Isar stecken, gab es in den tiefer gelegenen Gebäudeteilen in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit Grund- und Hochwasser. Deswegen wurde nun hinter der Ufermauer zusätzlich eine Dichtwand errichtet, für die zwölf Meter tiefe Löcher bis zu einer dichten Bodenschicht gebohrt und mit einer Zementmischung aufgefüllt wurden. Die neue Dichtwand soll künftig das Gebäude vor dem Isarwasser schützen.
Zahn um Zahn drehte sich das Rad der Sanierung weiter. Als der Sammlungsbau geräumt, die Ufermauer ertüchtigt und die Dichtwand errichtet war, fehlte noch ein weiterer Baustein, bevor die Bautrupps im Haus endlich loslegen konnten. Die anstehenden Bauarbeiten erforderten einen alternativen Zugang zum Zentrum Neue Technologien und zu den Sonderausstellungen, daher wurde an der östlichen Fassade des Sammlungsbaus als Interimslösung der eingangs erwähnte leuchtend blaue Besuchergang angebracht. Der neue Blickfang des Deutschen Museums ist 117 Meter lang, ruht auf 85 Tonnen Stahl und verbindet die Physik-Ausstellung im ersten Stock mit dem Sonderausstellungsraum. Der Gang bietet schöne Ausblicke auf die Isar und dank einer Lichtinszenierung können die Besucher an den Wänden ihr eigenes Wärmebild sehen und Interessantes über die Zusammensetzung des Lichts und die Wirkung der Lichtfarben erfahren.
Wer derzeit durch das Museum spaziert, hört gelegentliches Klopfen oder Bohren. Ansonsten bekommt der Besucher wenig davon mit, dass er sich mitten in einer Großbaustelle befindet. Mehr als die Hälfte der Ausstellungsfläche ist immerhin zugänglich, was rund 25 000 Quadratmetern beziehungsweise neun Kilometer Fußmarsch entspricht. Das ist immer noch mehr, als man bei einem einzigen Besuch bewältigen kann.
Hinter den verschlossenen Türen gehen die Arbeiten seit Herbst letzten Jahres gut voran. Die meisten Ausstellungsräume sind mittlerweile entkernt, die Fußböden entfernt und die Schutthaufen werden weniger. Zum Teil sind auch Galerien abgebrochen worden, die die Sichtachsen störten – das Museum soll baulich aufgeräumt werden. Dabei kam so manche Überraschung zum Vorschein, wie etwa alte Wandbeschriftungen, die einst Ausstellungsstücke erklärten, aber wohl nicht bleiben können, da sie mit den heutigen Exponaten nicht mehr übereinstimmen.
Dem in Kürze buchstäblich leergefegten Sammlungsbau steht nun einiges bevor. Zum einen möchte man das Museum baulich aufwerten und plant zum Beispiel, in der Kraftmaschinenhalle das ursprüngliche Tonnengewölbe wiederherzustellen. Zum anderen soll das Gebäude in puncto Brandschutz, Barrierefreiheit, Klimatisierung und Haustechnik auf aktuellsten technischen Stand kommen. Derzeit werden die Brandwände ertüchtigt und die bereits neu errichteten fünf Fluchttreppenhäuser sollen demnächst mit einem ringförmigen, unterirdischen Fluchttunnel verbunden werden, dessen Ausgänge ins Freie führen.
Im Keller wird eine neue Lüftungsanlage mit Temperaturregelung installiert, dazu bekommt das Haus leistungsfähigere Aufzüge, moderne Sanitäranlagen und eine neue Elektrik. Und noch ein weiteres Projekt hat die Museumsleitung ins Auge gefasst, das aber noch nicht hundertprozentig spruchreif ist, da die Genehmigung bis dato aussteht: Auf dem Dach der Luft- und Raumfahrthalle im Südteil des Gebäudes soll bis 2019 ein über einen Außenaufzug zugängliches Café mit Alpenblick entstehen, das auch abends und für jedermann, also nicht nur für Museumsbesucher, geöffnet hat – das Museum möchte sich zur Stadt hin öffnen.
Während an die 50 Arbeiter täglich auf der Baustelle fleißig werkeln, arbeiten Kuratoren und Ausstellungsplaner mit Hochdruck an der Konzeption der ersten neuen Dauerausstellungen wie zum Beispiel Chemie, Robotik, Raumfahrt, Landwirtschaft und Ernährung, Gesundheit, Elektronik und Musik, die 2019 ihre Türen öffnen wollen.
Läuft alles weiter so planmäßig wie bisher, beginnt im Januar 2020 der zweite Bauabschnitt. Dann wird der restliche Sammlungsbau einschließlich der Eingangshalle saniert, die Modernisierung der übrigen Ausstellungen in Angriff genommen und ein neues Leitsystem einschließlich digitaler Besucherführung umgesetzt.
Eine Kommunikationskampagne mit dem Motto „Auf zu neuen Welten“ begleitet den Sanierungsprozess mit einer eigenen Website (http://aufzu.deutsches-museum.de), die über die baulichen Veränderungen auf der Museumsinsel berichtet, aber auch tagesaktuell darüber informiert, welche Ausstellungen derzeit geöffnet beziehungsweise geschlossen sind.
Die insgesamt zehnjährige Sanierungsphase hat ihren Preis. Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf rund 445 Millionen Euro. Der Freistaat und der Bund haben dazu jeweils 180 Millionen Euro beigesteuert, 45 Millionen Euro hat das Museum an Spendengeld eingeworben und die restlichen 40 Millionen stammen aus dem eigenen Haushalt. Dafür kann sich das Deutsche Museum zu seinem 100. Geburtstag am 7. Mai 2025 vom Keller bis zum Dach stolz in neuem Gewand präsentieren.
(Monika Judä) (Der blaue Verbindungsgang begleitet mit verschiedenen Slogans die Modernisierung; die Tante JU und ein Starfighter werden ausgelagert; Momentaufnahmen der Generalsanierung - Fotos: Deutsches Museum)

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