Flächenfraß? Flächen verschwinden nicht von der Oberfläche der Erde. Ausgenommen sind allenfalls Küsten, die durch ansteigende Meeresspiegel untergehen. Das ist aber kein bayerisches Problem. Der Freistaat liegt hoch genug.
Wem diese Feststellung zu banal ist, sollte sich mit dem Thema Flächennutzung beschäftigen. Flächen werden in Bayern zwar nicht gefressen, sie vermehren sich aber auch nicht. Sie sind eine begrenzte Ressource. Aus Selbsterhaltungsgründen ist die Beschäftigung mit begrenzten Ressourcen essenziell.
In Bayern, Deutschland oder Europa ist die Grundfläche als Kulturlandschaft nahezu vollständig verteilt auf Landwirtschaft, Wald und Siedlung. Die Nutzungen stehen in Konkurrenz zueinander. Jede Nutzungsart kann mit Blick auf das Wohl der Menschen sehr gut begründen, dass eine Umverteilung zu ihrem eigenen Vorteil ein Gewinn ist.
Die vorhandene Aufteilung der Flächen ist jedoch nicht das Ergebnis einer wissenschaftlich begründeten Optimierung. Sie hat sich vielmehr aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und der wirtschaftlichen Aktivitäten so eingestellt. Es ist aber abzusehen, dass zukünftig Flächen weiterhin für die Menschheit wichtige Aufgaben wie Energiegewinnung oder Biodiversität benötigt werden. Der Konkurrenzdruck wird zunehmen. Angesichts dieser Perspektive macht es Sinn, dass jede Nutzungsart sich darauf konzentriert, mit dem eigenen Anteil wirtschaftlich zu haushalten.
Aktuell erleben wir eine Zunahme der Siedlungsflächen zulasten der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Zunahme wird getrieben durch die Bevölkerungsentwicklung, wobei festzustellen ist, dass die Siedlungsfläche insgesamt stärker wächst als die Bevölkerung. In der politischen Diskussion werden Obergrenzen für die Zunahme gefordert. Aber reicht die Festlegung einer Obergrenze aus, um die Probleme zu lösen? Eher nicht, da sich zum einem auch bei einer Obergrenze Anteile langfristig verschieben und zum anderen die anstehenden Aufgaben nicht gelöst werden.
Der Nutzungsdruck steigt
Der Wohnungsbedarf lässt sich nicht mit Verordnungen regeln. Es sind Lösungen notwendig, die bestehende Flächennutzung zu optimieren. Der Ansatz, die Nutzung zu verdichten, ist zwar richtig, greift jedoch zu kurz.
Der Nutzungsdruck auf die Flächen in urbanen Räumen steigt. Stehen heute Wohnen, Gewerbe und Verkehrsinfrastruktur in Konkurrenz, wird sich der Kreis absehbar noch erweitern. Als Folge des Klimawandels werden Flächen notwendig sein, um urbane Räume zu kühlen, mit Frischluft zu versorgen, gegen Starkregen widerstandsfähig zu machen oder den Menschen Freiflächen zur Erholung zu geben.
Die Aufgaben für Ingenieure und Ingenieurinnen und die Gesellschaft werden sein, unsere Städte, unsere bebaute Umwelt neu zu definieren. Die Trennung zwischen Wohnen, Infrastruktur, Grünflächen, Freizeit muss multifunktionalen Lösungen weichen. Ein Gebäude muss verschiedene Nutzung in sich vereinen. Das Innere zum Wohnen und Arbeiten, die Fassade begrünt zur Unterstützung des Stadtklimas und auf dem Dach ein Bolzplatz. Technisch ist alles machbar. In Kopenhagen gibt es eine Müllverbrennungsanlage, auf deren Dach die Menschen im Winter Skifahren. Ein Dach ohne Nutzung ist eine Vergeudung von Flächen.
Die Stadtplanung muss die Flächeneffizienz zur zentralen Agenda machen. Die verschiedenen Funktionen sind gegeneinander abzuwägen. Für Funktionen, die sich nicht unmittelbar monetär bewerten lassen, sind andere Wertungsmaßstäbe notwendig. Private Investoren, die im öffentlichen Interesse handeln, müssen für den zusätzlichen Aufwand über Steuern oder Förderungen entlohnt werden. In der Verkehrsinfrastruktur muss den Systemen der Vorzug gegeben werden, die mit den geringsten Flächen auskommen. Infrastruktur für motorisierten Verkehr sollte noch mehr in den Untergrund verlegt werden.
Veränderungen angehen
Alles nur Luftschlösser? Mitnichten. Weltweit beschäftigen sich Staaten und Städte mit urbanen Lebensräumen der Zukunft. Für den Wohlstand von Regionen und Ländern werden diese Lösungen existenziell sein. Ingenieure haben technische Lösungen. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau engagiert sich sehr stark für diese Themen. Es bedarf dringend des gesellschaftlichen Willens, die Veränderungen anzugehen. Nachkommende Generationen werden es uns danken.
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