Bauen

18.11.2011

Kolumne: „Barrierefreiheit ist ein Gestalten für alle“

Josef Poxleitner, Leiter der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, über Barrierefreiheit.

Barrierefreiheit gewinnt in allen Lebens- und Arbeitsfeldern – auch im Baubereich – zunehmend an Bedeutung. Besonders aktuell wird sie durch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die dem Gedanken der „Inklusion“, also der vollen gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Rechnung trägt. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels steigt die Bedeutung des barrierefreien Bauens.
Wir werden als Individuen und als Gesellschaft immer älter. Bis Mitte unseres Jahrhunderts wird voraussichtlich ein Drittel der Deutschen mit altersbedingten Handicaps, sei es beim Gehen, Sehen oder Hören, konfrontiert sein. Wir brauchen deshalb eine gebaute Umgebung ohne Hindernisse, in der sich alle Menschen möglichst leicht und selbstständig bewegen und orientieren können, ein „Gestalten für alle“. Dem Staat als Bauherrn kommt hierbei eine besondere Rolle bei der vorbildhaften Erfüllung der Anforderungen zu. Beim Aufgabenfeld „barrierefreies Bauen“ sind persönliche Belange von Menschen berührt, die in ihrem Arbeits- und Lebensumfeld oftmals mit Einschränkungen konfrontiert sind.
Die Bayerische Staatsbauverwaltung hat daher als wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung auf diesem Gebiet ab 1. Januar 2012 bei den Staatlichen Bauämtern und Autobahndirektionen ein „Audit – Barrierefreies Bauen“ für den Staatlichen Hochbau und Straßenbau eingeführt. Den Belangen der Barrierefreiheit soll damit bei den Verkehrsanlagen und den staatlichen Gebäuden verstärkt im Planungs- und Bauprozess Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Bis 2050 ist ein Drittel der Deutschen gehandicapt
Die Einführung des „Sicherheitsaudits“ im Straßenbau hat sich seit Jahren bewährt, die Zahl der schweren Verkehrsunfälle ist statistisch signifikant zurückgegangen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des barrierefreien Bauens haben wir dieses Erfolgsmodell nun aufgegriffen und analog dazu ein Audit für die Barrierefreiheit entwickelt. Das Audit basiert materiell-rechtlich auf den gültigen Vorgaben und Vorschriften. Die Selbstverpflichtung des Freistaats aus dem Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) ist dabei ein wichtiges Element.
Mit dem Audit wird kein neuer Standard bezüglich der Barrierefreiheit eingeführt, sondern vielmehr ein Verfahren, das ein intensiveres Bewusstsein für die Einhaltung der vorhandenen Vorgaben schafft und so zur Qualitätssicherung beiträgt. Beim barrierefreien Bauen gibt es zum Teil sehr konkrete und klar umzusetzende Vorgaben, insbesondere geometrische Anforderungen wie zum Beispiel die Steigung einer Rampe. Daneben gibt es aber auch zahlreiche Erfordernisse gerade im sensorischen Bereich wie zum Beispiel Kontraste oder tastbare Orientierungselemente, die einen großen gestalterischen Spielraum haben.
Insbesondere die im Oktober 2010 neu veröffentlichte DIN 18040-1 hat Vorgaben für Menschen mit sensorischen Einschränkungen viel stärker im Fokus. Dies sind neue Herausforderungen für die Planer. Das Audit wird sowohl im Hoch- als auch im Straßenbau in bestehende Verfahren integriert und entsprechend in mehreren Phasen durchgeführt. Dem jeweiligen Planungs- bzw. Ausführungsstand sowie dem damit verbundenen Detaillierungsgrad entsprechend werden die Belange des barrierefreien Bauens durch einen vom Projekt unabhängigen „Auditor“ überprüft. Flankiert wird die Einführung des Audits von einem umfangreichen Aus- und Fortbildungskonzept der Bayerischen Staatsbauverwaltung für das eigene Personal, das neben der Vermittlung des Auditverfahrens eine vertiefte Schulung zum barrierefreien Bauen erhält.Wir hoffen darüber hinaus natürlich auch, dass unser Audit „Schule machen“ wird und auch andere Bauherrn und Planer das Verfahren für ihre Projekte nutzen.
Neben Perspektiven zum barrierefreien Bauen bestehen darüber hinaus allgemein gültige bauordnungsrechtliche Anforderungen, damit Wohngebäude und öffentlich zugängliche Gebäude von allen Menschen gleichermaßen genutzt werden können. Menschen mit sensorischen Einschränkungen im Fokus
Als nächsten Schritt planen wir die Umsetzung der DIN 18040, der Planungsnorm zum barrierefreien Bauen, als Technische Baubestimmung in Landesrecht bis Mitte nächsten Jahres. Derzeit aktualisieren wir auch – in bewährter Zusammenarbeit mit der Bayerischen Architektenkammer – unsere vor allem von Planungsbüros geschätzten gemeinsamen Arbeitsblätter zu den DIN-Normen des barrierefreien Bauens. Zusätzlich haben wir ein Faltblatt veröffentlicht, mit dem wir den Bauherren das barrierefreie Wohnen als ein Mehr an Wohnwert im Alltag anschaulich vermitteln wollen.
„Gestalten für alle“ ist vor allem im Baubereich ein ambitioniertes Ziel. Doch um den gesellschaftlichen Veränderungen gerecht zu werden, müssen wir den Blick nach vorne wagen. Ich kann nur alle Bauherren ermuntern, diesen umfassenden Ansatz zu verfolgen und innovativ zu denken und zu handeln.

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