Bauen

Eine Lattenschalung aus lasiertem Lärchenholz bekleidet die Außenwände und die Dachflächen des Neubaus. Durch den nach Osten zum Residenzplatz geneigten Firstverlauf soll die Ansicht auf den Dom möglichst wenig verdeckt werden. (Foto: Marcel Peda, Passau)

11.04.2022

Moderner Holzbau im Schatten des Doms

Neues Werkstattgebäude für die Dombauhütte Passau fertiggestellt

Das Staatliche Bauamt Passau hat ein neues Werkstattgebäude für seine Dombauhütte errichtet und an den Hüttenbetrieb zur Nutzung übergeben. Der Neubau ersetzt die aus Altersgründen zuletzt nicht mehr nutzbare frühere Werkstatt, die im Jahr 1930 im Domhof als Holzanbau an den St. Stephansdom errichtet und 1955 an den heutigen Standort am Passauer Residenzplatz umgesetzt worden war.

Das neue Werkstattgebäude der Dombauhütte im Herzen der Stadt Passau erkennt man schon von Weitem durch sein besonderes „Gewand aus Holz“: Eine vertikale offene Lattenschalung aus lasiertem Lärchenholz, die nicht nur die Außenwände bekleidet, sondern die gesamten Dachflächen überspannt. Bei der äußeren Gestaltung des Neubaus war es dem für die Projektleitung der Baumaßnahme verantwortlichen Staatlichen Bauamt Passau ein besonderes Anliegen, für die neue Bauhütte seiner Funktion entsprechend eine bewusst schlichte, aber zugleich anspruchsvolle Bauform zu finden, die die Passauer Dombauhütte auch als Teil des „Immateriellen Kulturerbes Bauhüttenwesen“ am Residenzplatz repräsentiert.

Diesen Anspruch an die Gestaltung des neuen Hüttengebäudes haben die mit der Planung und Bauüberwachung beauftragten Arc Architekten aus Bad Birnbach erfolgreich umgesetzt. Sie haben nicht nur die Außenwand- und Dachbekleidung, sondern auch die Tragkonstruktion des neuen Werkstattgebäudes komplett aus Holz konstruiert. Die tragenden Außenwände, Innenwände und Dachplatten bestehen aus zwölf Zentimeter dicken, mehrschichtig verklebten großformatigen Plattenelementen aus Fichte. Pfetten, Unterzüge und Stützen sind in Brettschichtholz, ebenfalls aus Fichte, gefertigt.

Teil des Planungskonzepts ist auch der deutlich sichtbare nach Osten geneigte Firstverlauf, der in dieser Ausführung parallel zur Topographie geplant wurde, um den Ostgiebel der Bauhütte zum Residenzplatz hin niedrig halten zu können, damit die Choransicht des Doms St. Stephan dadurch möglichst wenig verdeckt wird. Auch diese von den Planungsbeteiligten gewählte Neigung im Firstverlauf soll zu dem beabsichtigt einfachen und zurückhaltenden Gebäudeauftritt des Werkstattgebäudes in seiner prominenten Lage inmitten hochkarätiger Baudenkmäler am Passauer Residenzplatz beitragen.

Mit dem Neubau wurden unter maximaler Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Grundstücksfläche auf trapezförmigen Gebäudegrundriss die für den Hüttenbetrieb notwendigen Werkstatt- und Lagerräume geschaffen, die rund 140 Quadratmeter Nutzfläche umfassen. Die bis zu sieben Meter hohe Steinmetzwerkstatt ist über Oberlichtfenster im Dach sowie in der Westfassade belichtet und verfügt über sieben Arbeitsplätze, die für die Arbeit am Stein mit einer Absauganlage ausgestattet sind. Die Arbeitsplätze werden über eine Krananlage angedient, die Werksteine bis zu 3,2 Tonnen bewegen kann.

Die Beheizung der Werkstatt erfolgt über Heizflächen an den Dachschrägen. Im Dachgeschoss über dem Lagerraum wurde zudem eine Werkstatt für kleinere Restaurierungs- und Reparaturarbeiten geschaffen. Werkstatt und Werkhof sind für die Stein- und Materialtransporte barrierefrei erschlossen, ebenso der Zugang zum Bauaufzug, der auf neuem Hofniveau barrierefrei wiederaufgebaut wurde. Das Werkstattgebäude ist auch mit einer barrierefreien Toilette ausgestattet.

Rund 1,5 Millionen Euro hat der Freistaat Bayern in das neue Werkstattgebäude der Staatlichen Dombauhütte Passau investiert, die neben dem Hüttenmeister derzeit zehn Steinmetzinnen und Steinmetze, einen Maler, zwei Lehrlinge und regelmäßig auch Praktikanten beschäftigt. Mit dem neuen Werkstattgebäude wurden hinsichtlich Ausstattung und Arbeitssicherheit auch die notwendigen Arbeitsbedingungen für eine effiziente Instandsetzungsarbeit der Dombauhütte zum Erhalt der wertvollen gotischen Bauteile des Passauer Doms geschaffen.

In dem Werkstattgebäude werden künftig die Werkstücke für die Chor-Nordseite des Stephansdoms angefertigt. Damit kann die Instandsetzung des letzten großen spätgotischen Bauabschnitts am Passauer Dom beginnen, der allein etwa zehn Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Chor-Nordseite zeigt noch den ursprünglichen mittelalterlichen Verband aus Kalkstein und Grünsandstein. Hier muss eine größere Anzahl von Steinen aus statischen Gründen zwingend ersetzt werden.

Der Werkstattneubau steht auf geschichtsträchtigem Boden. Archäologische Untersuchungen im Zuge der Erdarbeiten für den Neubau brachten bereits in geringer Tiefe unter dem heutigen Bodenniveau neben spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bebauungsspuren zahlreiche Befunde aus der römischen Kaiserzeit zutage. Entdeckt wurden Gräben, Gruben und Pfostenlöcher einer früheren Siedlung, deren Fundmaterial, darunter auch einige Scherben von „terra sigillata“, einer rötlichen Feinkeramik, die bis in das späte zweite Jahrhundert nach Christus zurückdatiert werden kann. Die archäologischen Grabungen nutzte die Staatliche Dachbauhütte auch zu Untersuchungen im Bereich um den Domchor. Hier wurden erstmalig die Grundmauern des ab 1407 errichteten Domchors freigelegt.

Eine Staatliche Dombauhütte gibt es in Passau seit 1928. Aufgrund des damals ruinösen Zustands der gotischen Natursteinoberflächen des Doms, entstanden durch die verheerenden Stadtbrände von 1662 und 1680 sowie durch die fortschreitende Verwitterung im 19. Jahrhundert unter den atmosphärischen Umgebungsbedingungen eines verstärkten Einsatzes fossiler Brennstoffe, beschloss der bayerische Staat die Errichtung einer Dombauhütte am damaligen Landbauamt Passau.

Erste Aufgabe der Bauhütte war die Restaurierung des Stephanustürmchens an der Nordostecke des nördlichen Querhauses. In den folgenden Jahrzehnten konzentrieren sich die Instandsetzungsarbeiten auf das nördliche und südliche Querhaus. Bei der Sanierung des Vierungsturms in den Jahren 1968 bis 1978 mussten mehr als 2000 Steine gegen neue Werkstücke ausgetauscht werden.

Ab 1980 begann die Dombauhütte mit der Instandsetzung des reich verzierten Ostchors, dem spätgotischen Meisterwerk von Dombaumeister Hans Krumenauer. In den 1990er-Jahren wurde die bis dahin übliche Auswechslung schadhafter Steine größtenteils aufgegeben zugunsten einer Restaurierungsmethodik, die den weitgehenden Erhalt der historischen Bausubstanz zum Ziel hat. Die gereinigten, steinsichtigen Oberflächen erhalten seit 2004 eine schützende Beschichtung aus einer Kalk-Zementfassung, die seit dem barockzeitlichen Wiederaufbau am Dom in ähnlicher Ausführung nachweisbar ist.

Die steinmetzmäßige Steinbearbeitung, insbesondere bei der Neuanfertigung von Werkstücken, erfolgt noch heute weitgehend mit traditionellen, teilweise jahrhundertealten Handwerkstechniken mit entsprechenden Werkzeugen. Ihr Fachwissen, ihre Techniken und Fertigkeiten gibt die Dombauhütte erfolgreich auch an Auszubildende weiter. Neben dem Einsatz handwerklicher Fähigkeiten zur denkmalgerechten Erhaltung des Doms St. Stephan sorgt die Passauer Dombauhütte aber auch für eine maßnahmenbegleitende ständige Bauforschung und Bestandserfassung, um die weitgehend unbekannten entstehungszeitlichen Zusammenhänge zu erschließen und die wertvolle Bausubstanz der Passauer Kathedrale auch für die Zukunft dauerhaft zu bewahren.

Die Staatliche Dombauhütte Passau ist damit auch Teil des in Deutschland und Europa eng vernetzten Bauhüttenwesens, das mit seinen traditionellen Handwerkstechniken zum Erhalt von Großkirchen, seinem überliefertem Wissen sowie Bräuchen in der Tradition der mittelalterlichen Bauhütten von der UNESCO im Jahr 2020 in das Register guter Praxisbeispiele zum Erhalt Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. (Norbert Sterl)

 

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